„Unser Pfarrer tut sowas nicht“

Die Auseinandersetzung mit den Tätern und die Wiedergutmachung gegenüber Missbrauchsopfern ist Pflicht. Darüber sind sich viele Vertreter der Katholischen Kirche einig. Doch was sagen die Verantwortlichen im Landkreis?

Auf dem KBW-Balkon (v.li.): Annette Langner-Pitschmann, Mechthild Manus (1. Vors. KBW), Wolfgang Foit (Geschäftsführer KBW), Peter Bartlechner

„Bildung weiß, dass wenn etwas bedrückt, dass dann das „Drüber-reden“ hilft.“ So leitet Wolfgang Foit, Geschäftsführer des Katholischen Bildungswerks (KBW) seinen Impulsvortrag am Freitagabend in Miesbach ein. Aus Salzburg gekommen ist Rednerin Annette Langner-Pitschmann, die für das Internationale Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen den Missbrauch innerhalb der Reihen der Kirche zu ihrem Forschungs-Thema gemacht hat.

Zu den Worten von Papst Franziskus anlässlich der Anti-Missbrauchskonferenz im Februar im Vatikan äußert sich Pitschmann dann auch sehr direkt: „Es hat mich zornig gemacht.“ Was sie meint ist, dass die Kirche zwar versucht, „aufzuräumen“. Zum Abschluss der dreitägigen Konferenz hatte Papst Franziskus sexuellen Missbrauch in der Kirche scharf verurteilt und Aufklärung angekündigt. Konkrete Maßnahmen jedoch bleibt er schuldig. Damit, so Pitschmann, seien viele Opfer vom Kirchenoberhaupt enttäuscht.

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„Unser Pfarrer tut sowas nicht“

Schweigen, wegschauen, vertuschen, Täter schützen. Dies war jahrzehntelang die Linie der Kirchenhierarchie. Schlimmstenfalls wurden Priester in eine andere Gemeinde versetzt. Opfer wurden vielfach zum Schweigen versetzt. Manche konnten es vielleicht auch gar nicht glauben, dass ihr eigener Priester sich an Kindern verging. Der, dem man seine Schutzbefohlenen anvertraute. Ganz nach dem Motto „Unser Pfarrer tut sowas nicht.“

Die Theologie hat ein Priesterbild aufgebaut, das einem heute offenbar zum Verhängnis wird. Der Priester als ein unantastbarer Halbgott, der “in persona Christi” handelt, ein guter, keuscher und mit einem heiligen Auftrag ausgestatteter Mann. Die Unantastbarkeit von Hochwürden ließ viele Opfer schweigen und Kritiker wegsehen, weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. So veranschaulicht es Pitschmann in ihrem Vortrag. Jetzt hatte Papst Franziskus hunderte von Kirchenvertretern zum „großen Aufräumen“ versammelt, um sich endlich dem Thema zu widmen:

Kein Missbrauch darf jemals vertuscht – so wie es in der Vergangenheit üblich war – oder unterbewertet werden, da die Vertuschung von Missbrauch die Verbreitung des Übels begünstigt und zusätzlich eine weitere Stufe des Skandals darstellt.

Wann immer ein Kind Opfer eines Priesters werde, sei Satan selbst am Werk, hatte der Papst gewettert. Damit bleibe er allerdings zu unkonkret, meint Pitschmann. Brächte lediglich zum Ausdruck, dass „das Böse da draußen ist und jetzt ist es in die Kirche eingedrungen“. Der Papst nehme die Priester aus der Schusslinie, indem es „die Hand des Bösen“ oder „der Satan“ ist, der sich an dem Kind vergeht und nicht „der Priester“ selbst.

Was zur Prävention getan wird

„Das Schweigen muss gebrochen werden“, sagt auch Peter Bartlechner, der als Präventionsbeauftragter des Erzbistums München und Freising zum Vortrag gekommen ist. Viele jetzt Erwachsene hätten jahrelang den Missbrauch, der ihnen widerfahren ist, verschwiegen. Aus Scham oder weil sie sich unnötigerweise selbst die Schuld gegeben hatten. Wenn sie dann irgendwann ihr Schweigen gebrochen hätten, wäre es für eine Anklage des Täters oft schon zu spät gewesen, weil diese entweder verstorben wären oder die Tat verjährt wäre.

Auf der Website der Erzdiözese München-Freising kann man nachlesen, was seitdem zu einer Verbesserung der Situation passiert ist. Einerseits gab es Publikationen, die das Thema aufarbeiten. Diese nennt auch Pitschmann in ihrem Vortrag: “Unheilige Theologie“ und „Schamkultur und Schuldkultur“ von Rita Werden geht den Bedingungen von Missbrauch im kirchlichen Umfeld auf den Grund und analysiert die systemische Vertuschung und das Sündenbewusstsein der Institution.

Der Missbrauch in der Kirche treibt viele um.

Hilfe für die Opfer hat aber ebenso Priorität: neben materiellen Leistungen gebe es vor allem auch menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfsangebote für Opfer und Angehörige. Die Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums sind eine erste Anlaufstelle für die Opfer. Sie reagieren bei Vorfällen und Vermutungen professionell und stellen kompetente Gesprächspartner zur Verfügung. Bei Bedarf vermitteln die Missbrauchsbeauftragten an Fachstellen und Seelsorger.

Pitschmann schließt ihren Vortrag in Miesbach mit einigen Worten zu einem prominenten Fürsprecher vieler Opfer – Matthias Katsch. Dieser sei Mitglied im Betroffenenrat und ständiger Gast der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Als Schüler wurde er von einem Jesuitenpater missbraucht und hilft heute, ähnliche Fälle aufzuklären. Katsch drückt in einem Interview der „Zeit“ das Gefühl aus, das er wohl mit zahlreichen Opfern teilt und nennt als Ursache für das lange Schweigen:

Weil wir nicht wirklich begriffen, was uns geschah.

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