Verdichtung oder reine Geldmacherei?

Die Bevölkerung wächst, auch im Tegernseer Tal. Der Platz für Neubauten erfährt durch die Hanglage allerdings eine natürliche Begrenzung. Verdichtung ist das Wort der Stunde im Tal – aber wie?

Dieses Anwesen im Prinzenweg 27 wartet auf die Abrissbirne. Das Grundstück soll fein planiert einige Millionen wert sein. / Quelle: Redaktion

Das Tal braucht Wohnraum und eine funktionierende Infrastruktur. Zum einen für zahlungskräftige Kunden, die sich ihren Traum vom Leben am Tegernsee erfüllen wollen. Zusätzlich muss die Infrastruktur im wirtschaftlichen Herzen des Tourismus-Hotspots am Tegernsee ausgebaut und modernisiert werden. Sprich Hotel- und Klinikprojekte, Freizeitangebote, mobile Infrastruktur und gastronomische Vielfalt. Zudem braucht es die Kulturlandschafts-Architekten – unsere Landwirte – damit der so seetypische Charakter erhalten bleibt. Und nicht zuletzt wird bezahlbarer Wohnraum für die Menschen benötigt, die all das am Laufen halten. Busfahrer, Hotelangestellte, Kindergärtner, Pflegekräfte und all die unerlässlichen Menschen, die einfach rund um den See leben und hier ihr Auskommen haben.

All diese Anforderungen an den zur Verfügung stehenden Platz bedarfsgerecht in der Waage zu halten, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit für die Gemeinden im Tal. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass die gewählten Bürgervertreter in den Gemeinde- und Stadträten auch die Bewahrer des ortstypischen Erscheinungsbildes sein sollten.

Nutzungsänderungen müssen geprüft werden

Auch in Tegernsee brüten die Mitglieder regelmäßig über Bauanträge, bei der Bauwerber auf einer bebauten Fläche zusätzliche oder neue Gebäude erreichten wollen. Oft sind das Grundstücke, die in einem bestehenden Bebauungsgebiet mit Nachbarbebauung umgeben sind. Oder es werden Anfragen zur Bebauung im Außenbereich gestellt. Ebenso oft geht es um die Umnutzung von Wohnraum in bestehenden Bebauungsplänen. Das ist in Tegernsee nicht anders als in Bad Wiessee, Rottach, Gmund oder Kreuth.

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Die Tagesordnung der Sitzung des Bau-, Verkehrs- und Umweltausschusses am letzten Dienstag beinhaltete drei Nutzungsänderungen sowie drei Bauvorbescheide. Die Nutzungsänderungen betrafen zwei bestehende Gebäude im Stadtzentrum sowie den großen Klinikneubau am südlichen Ausgang Tegernsees. Ein im genehmigten Bebauungsplan ausgeschriebenes Klinikgebäude wird in Mitarbeiterwohnraum umgewidmet. Das haben die Räte auf der Sitzung am Dienstag durch ihren Beschluss bestätigt.

Bei Verdichtung macht der Rat gern dicht

Dann gab es da noch die drei Anträge auf einen Vorbescheid. Besucher des Gremiums kennen bei solchen Anträgen meist schon die Projekte. Beim ersten Versuch schafft selten ein Bauwerber die Hürde. In der Tegernseer Sitzung reichten die drei Bauwerber dem Gremium Anträge für geänderte Bauvorhaben bei bereits bekannten Projekten ein. Die erneute Vorlage des Antrags auf Aufstockung des Erdgeschosses vom Querbau und Drehung des Satteldaches bei einem Bestandsgebäude in der Perronstraße heimst Lob im Ortsplanungsausschuss ein.

Das ist der bestmögliche Kompromiss. So sollte die Zusammenarbeit sein. Johannes Hagn (CSU), Bürgermeister Tegernsee – 20.11.2022

Dem hingegen erntet der zweite Antrag auf Vorbescheid nur noch allgemeines Kopfschütteln. Hierbei handelt es sich um ein Neubauprojekt von einem Einfamilienwohnhaus mit Doppelgarage, einem Wohnhaus mit Personalwohnungen und ein weiteres Wohnhaus. Laut Hagn beschäftigt dieses Bauvorhaben die Gremien der Stadt seit er Bürgermeister in Tegernsee ist – und noch länger.

Besonderheit hier: Das Projekt liegt zum einen im Außenbereich und zum anderen im Park einer Villa, der unter Denkmalschutz steht. Was allerdings die Problematik nur unzureichend umschreibt. Die gesamte Antragshistorie darzustellen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Es sagt aber schon einiges, wenn Bauamtsleiterin Bettina Koch die Stellungnahme des stadteigenen Anwalts zum Antrag vorträgt. Um es kurz zu machen: Der Genehmigung des Vorbescheides wurde nicht entsprochen. Und zwar einstimmig.

Grundstück mit Altbestand zum Abriss frei

Im dritten Anliegen geht es um den Abriss eines Bestandsgebäudes im Prinzenweg. Oben im Alpachtal. Hier strebt der Vorhabenträger einen Vorbescheid für den Abbruch des bestehenden Wohngebäudes mit Nebengebäuden und den Neubau von zwei oder drei Mehrfamilienwohnhäusern mit Tiefgarage an. Ein typischer Fall von innerstädtischer Verdichtung, wie sich in der Diskussion herausstellt. Auch dieses Projekt ist den Räten bereits vertraut. Schnell zeigt sich, die Variante mit mehreren Gebäuden hat keine Chance auf Zustimmung im Ausschuss. Zu klein sei das Grundstück für die geplante Bebauung.

Ich sehe die Höhenentwicklung absolut kritisch bei der Drei-Haus-Variante. Damit schaffen wir einen Präzedenzfall in der Nachbarschaft, das sollten wir verhindern. Rudolph Gritsch (CSU)

Marcus Staudacher von den Grünen gibt zu bedenken, dass die ökologische Variante sei, erst gar nicht abzureißen. Was aber, so sagt er selbst, wohl nicht umsetzbar ist. Wenn also Abbruch, dann so der Grünen-Rat, bitte nur ein Neubau mit zwei Gebäuden. Allerdings nicht in der Dimension der vorgelegten Planung. Diese sei zu groß im Vergleich zur Bebauung im umgebenden Bereich. Staudacher regte an, einen Bebauungsplan über das Gelände zu legen. Im Beschluss wurde abschließend dem Abriss zugestimmt, während der Antrag in der vorliegenden Form mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. Zudem wurde in dem Beschluss die Prüfung eines möglichen Bebauungsplans für das Quartier an das Bauamt weitergegeben.

Gängige Praxis: Altbestand durch Neubauten zu ersetzen

Gerade dieser letzte Antrag verdeutlicht das zu Beginn beschriebene Dilemma im Tal. Da, wo heute noch Ein- oder Zweifamilienhäuser stehen, sehen Investoren Potenzial. Das Problem ist, dass selbst sanierungsbedürftige Wohnhäuser wie das im Prinzenweg, inzwischen nur aufgrund der Fläche einen enormen Wert besitzen. So wurden am Mittwochmorgen in Tegernsee auf den öffentlichen Immobilienportalen nur zwei Baugrundstücke angeboten. Eines befindet sich in der Nähe des Hotels Das Tegernsee und ist für 5,5 Millionen zu haben. Dieses besitzt bereits einen gültigen Bauvorbescheid. Und eben das Grundstück mit Altbestand im Prinzenweg, dessen Eigentümer sich am Dienstag ohne Erfolg um einen solchen bemühte. Zwischenzeitlich ist die Offerte in Höhe von 4,5 Millionen Euro allerdings offline gestellt worden.

Im Nachgang der Sitzung hat sich die TS bei der Immobilienmaklerin, die das Grundstück vermarktet, zu den Umständen des Verkaufs erkundigt. Es handelt sich um einen Altbestand, der im Laufe vieler Jahre für die Bedürfnisse der Eigentümer mehrmals verändert und umgebaut wurde, erklärt uns die Maklerin. Eine Sanierung der bestehenden Bausubstanz mache aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn, erklärte die Expertin weiter.

Das Grundstück selbst liegt in einer begehrten Lage Tegernsees, insofern gibt es schon einige Interessenten, die das Grundstück gerne neu und den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechend, bebauen würden. Immobilienmaklerin am Tegernsee

Die Entscheidung, sich im Vorfeld mit dem Antrag an die Stadt Tegernsee zu wenden, sei aufgrund der Hangsituation und der inhomogenen Bebauung in der Nachbarschaft ratsam gewesen. “Die Anregungen und Bedenken, die in der Bauausschusssitzung gemacht wurden, werden bearbeitet und in das weitere Vorgehen einfließen”, erklärte die Maklerin. Eigentümer des Grundstücks im Prinzenweg scheint das Unternehmen Homposs GmbH zu sein. Jedenfalls hat die GmbH, die unter anderem als Unternehmensgegenstand Veräußerung von Immobilien angibt, ihren Firmensitz im Prinzenweg 27.

Die heimische Immobilienmaklerin merkt ebenfalls in ihrer Antwort an die TS an, dass es nicht nur am Tegernsee gängige Praxis sei, Altbestand aus wirtschaftlichen Gründen durch Neubauten zu ersetzen. Dies treffe nicht nur auf die Region zu, “allerdings sind die hiesigen Grundstücke bekanntermaßen besonders gefragt.” Und bei der Entwicklung der Grundstückspreise ist es offensichtlich nicht wirtschaftlich, auf ein fast fünf Millionen Grundstück bezahlbaren Wohnraum zu realisieren…

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