Postbräu-Areal: “Das ist ja unwürdig”

Bebauungsplan Nummer 40: Dieses Konzept ist in Holzkirchen inzwischen berüchtigt. Die geplanten 100 Wohnungen rund um das Postbräu-Gelände sorgten nun im Marktgemeinderat für erneute Beschwerden und einen überraschenden Schritt. Weil die Diskussion “diffus” und ohne echtes Ergebnis endete, wurde das Verfahren kurzerhand gestoppt.

Auf dem Postbräuareal sollen demnächst rund 100 Wohnungen entstehen.
Auf dem Postbräuareal sollen rund 100 Wohnungen entstehen. Archivbild

Nicht zum ersten Mal war Waldemar Martin in einer Sitzung des Holzkirchner Gemeinderats zu Gast: Der Vertreter des Planungsverbands “Äußerer Wirtschaftsraum München” verkündete am Dienstagabend Neuigkeiten rund um das Postbräu-Areal. “Mit dem Plan ist man bereits im Verfahren, aber es kommen immer noch Einwände”, so Martin.

Das Emissionsgutachten sei in die Planungen eingearbeitet worden, das Landratsamt Miesbach damit sehr zufrieden. Doch zu einem Abschluss kam es dadurch noch lange nicht. Das wiederum führte dazu, dass das wohl am häufigsten verwendete Wort in der Sitzung “endlich” war, und zwar in Verbindung mit “wir müssen jetzt”. Die Liste der unzufriedenen Beteiligten ist lang.

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Einerseits erhebt die untere Naturschutzbehörde weiterhin vehement Einspruch gegen den Bebauungsplan, da er mit den Baumkronen der geschützten Steindl-Allee “kollidiere”. Gefordert wird daher ein erster Schutzbereich von zehn Metern und ein weiterer von 25 Metern, ab dem erst Häuser gebaut werden sollen. Als zweite Chance wird im Allgemeinen die erneute Auslegung des Bebauungsplans gesehen. Gemeinderat Hans Putzer von der SPD:

Mit diesem Bebauungsplan beschäftigen wir uns schon seit 1996. Jetzt endlich muss sich was tun.

Bedenken kamen jedoch auch aus Warngau: Über die Thanner Straße würde durch die Pläne mehr Verkehr auf die Gemeinde zukommen, so die Befürchtung einiger Warngauer. Auch das Ortsbild würde gestört werden. Den Eigentümern des angrenzenden Hotels zur Post stößt indes die Einbeziehung des Hotelgrundstücks sauer auf.

Der nördliche Teil des Areals sei kein Mischgebiet, die Abfahrt zwischen Hotel und Straße dürfe keinesfalls zu sehr über den Hotelvorplatz gehen. Die Eigentümer zweifeln zudem die geplanten Emissionsschutzmaßnahmen an und kritisieren die zu geringen Abstandsflächen der Grenzbebauung.

Ein Grundproblem ist, dass für einen Fahrrad- und Fußweg zwischen Daisenbergerstraße und Tegernseer Straße bislang keine Einigung erzielt werden konnte – weder mit Anliegern, noch im Gemeinderat selbst. Josef Sappl (CSU) bezeichnete die Verbindung als unpraktisch. Doch als Teil des zukünftigen Holzkirchner Verkehrskonzept könnte der Weg für Entlastung auf den Straßen sorgen. Daher will der Marktgemeinderat entsprechende Ergebnis der Verkehrsplaner im nächsten Jahr abwarten.

Keine Einigung in Sicht: “Das ist ja unwürdig”

Das Durcheinander der Diskussionen und die Uneinigkeit waren einigen Anwesenden offensichtlich peinlich. Robert Wiechmann (Grüne): “Das ist ja unwürdig, was wir hier machen. Wir müssen endlich einen Beschluss fassen. Es ist unsere Pflicht, das endlich auf den Weg zu bringen.” Der Beschluss wurde jedoch erst einmal vertagt.

Jetzt sollen unter anderem erneute Gespräche mit Grundstückseignern sowie eine Ortsbegehung stattfinden. Bürgermeister Olaf von Löwis war ebenfalls nicht zufrieden mit dem Ablauf der Sitzung: “Die Diskussion ist heute sehr diffus gelaufen”, sagte er richtigerweise zum Abschluss.

Ursprünglicher Artikel vom 19. August 2015 mit der Überschrift: „Verkehrsinfarkt“ noch immer gefürchtet“

Kaum ein Bauvorhaben in Holzkirchen verbreitet derartig Unmut wie die circa 100 geplanten Wohnungen rund um das Postbräu-Gelände. Der passende Bebauungsplan, die inzwischen berüchtigte Nummer 40, liegt derzeit erneut aus – und viele Bürger hegen Bedenken.

Insgesamt 100 Wohnungen sollen auf dem Gelände zwischen Tegernseer und Thanner Straße entstehen, davon 50 auf dem Postbräu-Areal sowie ein zusätzliches Hotelgebäude für die Alte Post an der Thanner Straße. Die Gemeinde Holzkirchen hat sich ebenfalls eingeklinkt: der Wertstoffhof, das Eisstadion und sein dazugehöriger Parkplatz könnten für 50 gemeindliche Wohnungen weichen.

100 neue Wohnungen. Das macht laut Verkehrsplanern rein rechnerisch mindestens 1000 zusätzliche Fahrzeugbewegungen am Tag. Eine Problematik, die vielen Holzkirchnern Kopfzerbrechen bereitet. Ohnehin wären die Einmündung der Thanner Straße in die Tölzer Straße, sowie die Marktplatz-Kreuzung und die Miesbacher Straße schon komplett überlastet, so der Vorwurf.

Anwohner sehen schwarz

Die ortsverdichtende Bebauung in der angedachten Größenordnung führe nach Meinung der Anwohner der Thanner Straße und den Mitgliedern der Bürgerinitiative „Stop-Südumgehung“ zu einer „deutlichen Verschärfung“ an besagter Problemstelle. Man befürchtet mehr Stau – sowohl in der Thanner als auch in der Tölzer Straße. Der Verkehr aus Richtung Marktplatz und Tegernseer Straße könne so ebenfalls schlechter abfließen. In einem Schreiben an das Rathaus stellt die BI klar:

Insgesamt wird die Verkehrsproblematik im Holzkirchner Zentrum zunehmen. Bei einer weiteren Überplanung des Eisstadions mit zusätzlicher Wohnbebauung droht ein Verkehrsinfarkt am Kleeblatt-Eck mit Auswirkungen aus Tölzer, Tegernseer und Münchner Straße.

Die konkrete Befürchtung der meisten kritischen Stimmen ist, dass der vermutete Kollaps erst dann eintritt, wenn der Bau der 100 Wohnungen erfolgt und dann in der Planung kein Handlungsspielraum mehr besteht. Die Holzkirchner würden dem „Verkehrsinfarkt“ erliegen. Um dem Nadelöhr am Marktplatz zu entkommen, würden die Anwohner außerdem die Thanner Straße und ihre Verlängerung nach Lochham stärker befahren, wofür sie nicht ausgelegt wäre.

Gemeindeverwaltung hegt keine Bedenken

Die Befürchtungen der Anwohner teilt die Gemeindeverwaltung allerdings nicht. Dem Antwortschreiben des Bauamts ist zu entnehmen, dass sich das erwartete Verkehrsaufkommen halbiere, weil der eine Teil über die Thanner Straße und der andere Teil über die Tegernseer- und Daisenbergerstraße abfließen könne. Die beiden Verkehrsachsen sollen dann nur als Fuß- und Radweg verbunden bleiben, wodurch gesichert wäre, dass auf die Thanner Straße kein „Mehrverkehr“ zukomme.

Man beruft sich weiter auf ein Verkehrsgutachten, wonach der Großteil des Verkehrs in Richtung Bahnhof, München, Autobahn, Gewerbegebiet und B318 unterwegs ist – und nur ein geringer Prozentsatz Richtung Süden. Im Zuge der Bebauung entfalle der Verkehr zum Eisstadion und um Wertstoffhof ohnehin. Das Fazit der Gemeindeverwaltung: der künftige Verkehr dürfte sich gegenüber den jetzigen Fahrzeugbewegungen in der Thanner Straße nicht erhöhen.

Laut Verkehrsgutachten der Gevas und der Stellungnahme des Straßenbauamts Rosenheim ist die Tegernseer Straße mit ihrer Einmündung Daisenbergerstraße und die Tölzer Straße mit der Einmündung Thanner Straße mit entsprechenden Optimierungsmaßnahmen (Ampelschaltung) geeignet den Mehrverkehr aufzunehmen.

Gemeindeverwaltung und Bauamt verweisen die Antragsteller zudem auf das laufende Mobilitäts- und Ortsentwicklungskonzept, wodurch noch einmal eine Verkehrsanalyse inklusive Prognosen und geeigneten Zielkonzepten erarbeitet werde. Ein schwacher Trost für erregte Gemüter, die fürchten, dass bald am Bebauungsplan Nummer 40 nicht mehr zu rütteln sei.

Auch die Bürgerinitiative „Liebens- und lebenswertes Holzkirchen“ sieht im Bauvorhaben die Verschärfung der Verkehrsproblematik an besagter Stelle. Außerdem hegen sie in Anbetracht der Neubauten auf dem ehemalige BayWa-Gelände ästhetische Bedenken: durch den Abriss der alten Brauereigebäude und den Bau großer Wohnblöcke würden sich „im verbliebenen historischen Ortsbild“ deutliche Änderungen ergeben, die in Zukunft „mancher Entscheider und Bürger extrem bereuen wird“.

Entsprechend will auch diese Bürgerinitiative eine Stellungnahme einreichen und sie als Vorlage für individuelle Antragsteller zur Verfügung stellen. Bereits am Freitag läuft nämlich die Frist für schriftliche Einwände gegen die Änderungen am Bebauungsplan Nummer 40 ab. Dann ist der Marktgemeinderat wieder am Zug.

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