Norbert Hirsch erinnert sich noch gut an den Tag, als sein Antrag zur Live-Übertragung von Ratssitzungen vom Miesbacher Stadtrat abgewiesen wurde. Das war Ende 2012, und in der mündlichen Begründung hätten die Verantwortlichen lapidar auf „allgemeine Empfehlungen des Bayerischen Gemeindetags“ verwiesen, berichtet der Pirat. Letztendlich war es der Tag, der den Stein ins Rollen bringen sollte.
Denn der Bayerische Gemeindetag bezeichnet sich selbst als „kompetenter Ratgeber“ und „fachkundiger Sprecher“ von 2.028 Gemeinden im Freistaat. Und als „kommunalen Anker für alle Rathauschefs“ – für Norbert Hirsch ist das ein Problem von vielen in der bayerischen Kommunalpolitik. Angefangen bei der monatlich erscheinenden Zeitschrift des BayGT, die die Gemeinderäte nach Hirschs Ansicht „einseitig beeinflusse”.
Kostenlos ist der Verband ebenfalls nicht: Laut aktueller Haushaltssatzung muss jede Kommune einen Grundbeitrag von 1.200 Euro pro Jahr entrichten, ab 3.000 Einwohnern kommen 30 Cent für jeden weiteren Bürger hinzu. Holzkirchen beispielsweise muss demnach gut 5.400 Euro aufbringen, Bad Wiessee etwa 1.740 Euro. Dadurch seien die Bürgermeister unter anderem gegen juristische Konfrontationen abgesichert, so Hirsch – anders bei Gemeinderäten, die solche Kosten privat zu tragen haben.
Es ist nicht zu akzeptieren, dass sich der BayGT als Verbund der Gemeinden präsentiert, da er doch eher ein Verbund der Bürgermeister ist.
Das Gegengewicht zu diesem Verbund können nur die gewählten Ratsmitglieder in Verbindung mit den Bürgern sein, so Hirschs Ansicht. Ein wesentlicher Kritikpunkt: die Kontrollmöglichkeiten der Gemeinderäte gegenüber dem Bürgermeister seien nicht ausreichend.
Zwar kann jedes Ratsmitglied dem §24 Abs. 3 der Gemeindeordnung zufolge per Anfrage Auskunft vom Bürgermeister verlangen. Eine Akteneinsicht muss jedoch von mindestens einem Viertel des Plenums beantragt werden. An dieser Stelle möchte Hirsch die Räte stärken. Während die Aktivitäten seiner Piratenpartei zuletzt fast völlig eingeschlafen sind, hat der ehemalige Sprecher im Verborgenen an einem neuen Projekt gefeilt: „KOMMUNEtz.de“.
Kein Interesse bei der CSU?
Neben einem netten Wortspiel soll das Netzwerk klare Grundsätze zu bieten haben: „Wirkliche Transparenz und Bürgerbeteiligung“. Das Konzept erinnert ein wenig an Startup-Plattformen für Unternehmensgründer: KOMMUNEtz.de soll nicht nur ein Sprachrohr für Bürger und Gemeinderäte sein, sondern ihnen auch die Organisation von Initiativen, Demonstrationen und Unterschriftenlisten ermöglichen.
Das Netzwerk soll dabei überparteilich bleiben. Doch eine Tendenz ist bereits zu erkennen: Bei den bisherigen Rekrutierungsversuchen im Landkreis Miesbach haben vor allem Gemeinderäte der Parteien SPD, FWG und Grüne positiv auf Hirschs Projekt reagiert, man traf sich im Feichtner Hof in Gmund:
Wir haben grundsätzlich nichts gegen die Mitgliedschaft von Ratsmitgliedern der CSU, aber leider liegt es offenbar in deren Natur, solche bürgerfreundlichen Ziele nicht zu unterstützen.
Das sei auch ein Problem im Zusammenhang mit dem Bayerischen Gemeindetag: „Die Bürgermeister bestehen hauptsächlich aus CSU-Mitgliedern. Dennoch wird die monatliche, umfangreiche Broschüre den Ratsmitgliedern aller Parteien zugänglich gemacht.“ Und wegen der CSU-Dominanz gebe es in Bayern fast keine Jugendgemeinderäte, im Nachbarland Baden-Württemberg hingegen unzählige, glaubt Hirsch.
Mittlerweile ist die Gründung von „KOMMUNEtz.de“ als gemeinnützige Organisation fast in trockenen Tüchern. Zu den Mitgliedern zählen derzeit Gemeinderäte aus Tegernsee, Gmund, Bad Wiessee, Rottach-Egern, Schliersee und Waakirchen.
Wenig Anklang fand die Idee Hirschs bisher im Norden des Landkreises, wo übrigens Warngaus Bürgermeister Klaus Turnhuber als stellvertretender Bezirksleiter des BayGT fungiert. In Weyarn, Holzkirchen und Otterfing hätten Gemeinderäte reihenweise aus Zeitgründen abgesagt, wenngleich durchaus Interesse bestand, so Hirsch.
Doch davon lässt sich der Miesbacher nicht beirren. Langfristig soll das Netzwerk bayernweit aufgebaut werden. Bis weitere Vorstandsmitglieder gewonnen sind, ist der Zusammenschluss provisorisch über Facebook zu erreichen. Für Norbert Hirsch ist das ganze auch aus demokratischen Überlegungen eine wichtige Angelegenheit: “Die Politikverdrossenheit und das daraus resultierende Wahlverhalten sind Hilferufe, auf die reagiert werden muss.”
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