Ist Videoüberwachung im Tal möglich?

Nächtlicher Vandalismus, Einbrüche und der brutale Raub von Rottach machen vielen Angst am eigentlich friedlichen Tegernsee. Einige Talbewohner befürworten daher eine Videoüberwachung. Und auch bei der jüngsten Rottacher Gemeinderatssitzung wurde der Einsatz von Kameras gefordert.

Für Privatpersonen und Ladenbesitzer gelten jedoch strenge Regeln. Eine Überwachung im Tegernseer Tal gilt als sehr unwahrscheinlich. Eine erste Anfrage lehnte das Innenministerium bereits ab.

Könnte Videoüberwachung an gefährdeten Stellen im Tal bald standard werden?
Videoüberwachung an gefährdeten Stellen – doch wie ist der Einsatz rechtlich?

Eine Videokamera am Zentralparkplatz, das forderte Karl Deisler (FDP) zuletzt im Rottacher Gemeinderat. Damit möchte er diejenigen Personen dingfest machen, die dort illegal ihren Restmüll abladen. „Wir sollten hier Tabula rasa machen und die Leute hart bestrafen“, so Deisler. Andere wiederum, die sich durch die zunehmenden Einbrüche und Überfälle der vergangenen Monate unsicher fühlen, hoffen, dass eine Videokamera sie schützt.

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Nicht jeder darf überwachen

Doch nicht jeder darf überall aufzeichnen. Wer unter welchen Umständen überwachen darf, ist im Bundesdatenschutzgesetz geregelt. Das bayerische Landesamt für Datenschutz prüft nach Beschwerden von Bürgern, ob Bildaufzeichnungen zulässig sind oder nicht.

Demnach darf die Überwachung nur „zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ durchgeführt werden. Für Hausbesitzer bedeutet dies, dass der Kameraausschnitt an der Grundstücksgrenze enden muss. Denn deren Hausrecht endet dort. Der öffentliche Gehweg oder die öffentliche Straße vor dem Eingangstor dürfen durch Privatpersonen nicht gefilmt werden.

Soweit die Videoüberwachung durch Gemeinden zur Gefahrenabwehr erfolgt, ist sie nur zulässig, wenn sie dazu geeignet und erforderlich ist und andere weniger tiefgreifende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. So formuliert es das bayerische Innenministerium auf Nachfrage. Dabei muss nicht nur vor Betreten des überwachten Bereichs erkennbar sein, dass Videoaufnahmen gemacht werden, sondern auch vom wem diese gemacht werden. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die Videoüberwachung räumlich auf die „gefährdeten“ Bereiche begrenzt ist.

Nötige Gefahrenlage im Tal nicht gegeben

Auch bei den Talgemeinden war Videoüberwachung in den vergangenen Wochen immer wieder ein Thema. So hatten die Bürgermeister im Sicherheitsgespräch mit der Polizei besprochen, wo Videoüberwachung denkbar wäre. Auf den Ausfahrtstraßen beispielsweise, um Autos aufzuzeichnen. Unter anderem haben die Gemeinden eine Anfrage an das Innenministerium geschickt, um die Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens abzuklären.

Doch die Behörde sieht die Situation im Tal als nicht so kritisch an: Aus Datenschutzgründen sei eine Überwachung des öffentlichen Raums durch die Gemeinden nicht rechtens, habe das Innenministerium befunden. Die Gefahrenlage, die eine solche Maßnahme rechtfertige, sei nicht gegeben. „Leider“, sagt Tegernsees Bürgermeister Peter Janssen.

In Rottach-Egern könnte man Videokameras am sogenannten „Bermudadreieck“ aufstellen. Dort gebe es des Öfteren Vandalismus und es seien Blumenkübel umgestürzt worden, erzählt Rottachs Zweiter Bürgermeister Hermann Ulbricht. Oder eben am Recycling-Platz auf dem Zentralparkplatz, wie es FDP-Gemeinderat Deisler fordert.

Sicherheit geht vor Datenschutz?

In Kreuth sehe man hingegen überhaupt keinen Bedarf für eine Videoüberwachung, erklärt Bürgermeister Josef Bierschneider. Man habe lange darüber gesprochen, aber für die Gemeinde sei dies nicht sinnvoll. Dass es vermehrt zu Einbrüchen oder Vandalismus gekommen sein soll, sei ihm nicht bekannt.

Auch in Bad Wiessee gebe es derzeit keine konkreten Überlegungen, welche Plätze die Gemeinde überwachen sollte, sagt Bürgermeister Peter Höß. Die Antwort des Innenministeriums und die Beschränkungen durch den Datenschutz könne er dennoch nicht nachvollziehen. Es werde auch jeder gefilmt, der an einer Tankstelle tanke:

Sicherheit geht vor den Persönlichkeitsrechten.

Doch so einfach ist es nicht. Denn auf Sicherheit gibt es kein Grundrecht. Auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dagegen sehr wohl. Deshalb gelten auch für Gewerbetreibende strenge Regeln für die Videoüberwachung ihrer Geschäftsräume – dazu zählen auch Tankstellen.

Videoüberwachung ist in Tankstellen nur in bestimmten Bereichen möglich.
Auch an Tankstellen ist Videoüberwachung nur in bestimmten Bereichen möglich.

So muss laut Tätigkeitsbericht des Landesdatenschutzamts für die Kunden bereits vor Betreten des Geschäfts erkennbar sein, dass eine Kamera das Geschehen im Laden aufzeichnet. Der Hinweis müsse durch ein Schild erfolgen, das im Blickfeld der Kunden angebracht sei. Ein Monitor reicht aus Sicht des Amtes nicht aus. Dieser darf es zudem anderen Kunden nicht ermöglichen, Kunden zu beobachten. Deshalb darf ein solcher Monitor nur den Eingangsbereich zeigen, nicht aber andere Bereiche.

Sensible Stellen, wie beispielsweise Toilettenanlagen, Umkleidekabinen oder Aufenthaltsräume, dürfen nach Angaben des Innenministeriums grundsätzlich nicht überwacht werden. Und auch in Wohnungen darf nicht hineingefilmt werden. Dies würde gegen Artikel 13 des Grundgesetzes verstoßen, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert.

Nicht alles Material darf angesehen und gespeichert werden

Eine kommunale Videoüberwachung müsse zudem vor dem Einsatz durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten der Gemeinde freigegeben und in das Verfahrensverzeichnis nach Artikel 27 des Bayerischen Datenschutzgesetzes aufgenommen werden, in das jeder Bürger Einsicht nehmen kann. Schließlich darf nicht alles aufgezeichnete Material auch angesehen werden – weder von den überwachenden Privatpersonen, noch von den Gewerbetreibenden, die sich vor Diebstählen schützen wollen.

Auch die Polizei und die Gemeinde dürfen den aufgezeichneten Film nur dann auswerten, wenn etwas vorgefallen ist, das dies rechtfertigt. Ein Ladendiebstahl beispielsweise, der durch die Überwachung hätte verhindert werden sollen, oder bei einem Einbruch. Die Auswertung des Materials ist allerdings den ermittelnden Behörden vorbehalten. Liegen keine Vorfälle vor, die die Verwertung des Materials rechtfertigen würden, müssen die Aufzeichnungen vernichtet werden.

Polizei statt Hausnotruf

Was also tun, wenn der „große Bruder“ nicht helfen darf? Hermann Ulbricht aus Rottach-Egern sagt, er finde es wichtig, dass die Leute sensibilisiert werden und die Polizei rufen, wenn sie in ihrer Nachbarschaft etwas Verdächtiges beobachten, beispielsweise ein fremdes Auto, das öfters durch die Straßen fährt oder eine Person, die die Nachbarschaft offensichtlich auskundschaftet. Zudem gibt die Polizei Hinweise, wie man sein Haus einbruchssicher machen kann: „Die kommen sogar nach Hause und beraten vor Ort“, so Ulbricht.

Janssen schlägt zudem vor, im Falle eines Einbruchs den Hausnotruf zu alarmieren. Mittlerweile seien die dortigen Mitarbeiter auch für solche Fälle ausgebildet. Hanna Hutschenreiter, Pressesprecherin des Bayerischen Roten Kreuzes, rät von diesem Mittel jedoch eher ab: „Da gibt es sicherlich bessere Sicherungssysteme.“ Der Hausnotruf sei für medizinische Notfälle gedacht und für Einbruchsdelikte gänzlich ungeeignet.

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