Ganze 3,6 Millionen Euro – so viel hatte sich der Landkreis den Masterplan zum neuen Tourismus-Konzept für die Region kosten lassen. Zwölf Leitprojekte und vier Jahre Arbeit waren darin enthalten. Dabei lag der Fokus stets auf dem Leitprojekt Nummer vier: dem Zusammenschluss zur Alpenregion Tegernsee-Schliersee. Alle Gemeinden im Landkreis mussten diesem Vorhaben zustimmen. Zweifel gab es mancherorts, doch mit „Ja“ gestimmt wurde trotz aller Bedenken – und das meistens einstimmig.
Doch das „Nein“ aus Schliersee brachte den Zusammenschluss schließlich zum Platzen. Und das, obwohl die Kreisräte die Fusion sowie den dazugehörigen Integrationsvertrag im April noch ausdrücklich gebilligt hatten. Die Erleichterung über den erfolgreichen Abschluss des mehr als drei Jahre andauernden Prozesses war förmlich spürbar.
Fusion war im Vorfeld unumstritten
Immerhin war das Projekt im Vorfeld nicht unumstritten gewesen. Zuletzt war viel Gegenwind aus der Bevölkerung gekommen, die aus der Kluft zwischen den Bedürfnissen „der Touristen“ und „der Einheimischen“ herrührte. Während sich viele Bürger eher kleinere und umweltverträgliche Hotels wünschen, die sich in die (Kultur-)Landschaft einfügen, scheitert dies oft an der Realität, sagen zumindest die Experten.
Fusion hin oder her – schon in jener Kreistagssitzung hatte Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider vorgeschlagen, sich zukünftig weniger um sich selbst – respektive um jahrelange Bemühungen um die Selbstorganisation – als vielmehr um den Gast zu kümmern.
Auch die Schlierseer bliesen damals scheinbar in dasselbe Horn. Sie veröffentlichten einen offenen Brief, aus dem hervorging, wem sie sich in erster Linie verpflichtet fühlen: den Gastgebern, Bürgern und Gästen.
Grundsätzlich – so heißt es in dem Brief – sei die Bündelung gemeinsamer touristischer Energien ein erstrebenswerter Grundgedanke. Allerdings zweifeln die Schlierseer Gemeinderäte laut dem Brief an der gerechten Umsetzung der touristischen Vermarktung. Ihre Bedenken seien nie befriedigend in das Vertragswerk integriert, sondern immer nur protokolliert worden. Deshalb habe man dem Vertrag nicht zustimmen können.
Eine Studie mit erstaunlichen Zahlen
Die Konsequenz: Die Kooperation mit den Tourismusberatern von „Project M“ wurde nach mehrjähriger Partnerschaft beendet. Leitprojekt vier – also der Vollzug der Fusion – war von besagter Agentur Project M sowie den Juristen von Markmiller & Partner begleitet worden. Insgesamt hatten deren Leistungen den Landkreis, der als Auftraggeber fungierte, 201.000 Euro gekostet.
Auch wenn die Fusion (erstmal) gestorben ist, bleibt als sichtbares Zeichen eines der zwölf Leitprojekte: die Marketingoffensive mit dem Branding als Premiumregion. Bereits im November 2013 wurden die beiden Logos für Tegernsee und die Alpenregion vorgestellt. Auch wenn manche die Logos als kritisch sahen, war zumindest TTT-Chef Georg Overs positiv eingestellt:
Mir gefällt das Logo, aber auch die Botschaft, die dahintersteckt, sehr gut. Es soll den Gast ansprechen, aber auch eine Verpflichtung für die Unternehmen in der Region sein.
Bei aller Katerstimmung um das Scheitern der Fusion – es muss weitergehen im Kampf um den Gast. Denn der Tourismus stellt einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren im Landkreis dar. So hatten die Touristiker um ATS-Chef Harald Gmeiner und seinen TTT-Kollegen Georg Overs beim Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr eine Studie erstellen lassen.
Fast 4.000 der 23.000 Tal-Bewohner leben vom Tourismus. 260 Millionen Euro erwirtschaftet die Branche pro Jahr – allein am Tegernsee. Dabei ist die Anzahl der Tagesurlauber signifikant hoch. Eine Tatsache, die die Touristiker gar nicht so sehr freut. Denn das große Geld wird woanders verdient. Große Unterschiede gebe es laut der Studie nämlich bei den Ausgaben der unterschiedlichen Besuchertypen. Ein Gast gibt bei einer Tagesreise durchschnittlich nur 22,50 Euro aus. Ein Hotelgast dagegen 127,50 Euro. Freilich ist es hauptsächlich der Gastronom, der an einem Übernachtungsgast verdient. Immerhin bleibt dabei das Geld im Tal.
Sinkende Zahlen wegen Regens und WM?
Dass die Übernachtungszahlen in der Alpenregion Tegernsee Schliersee im Jahr 2014 um 3,7 Prozent gesunken sind, gab im November nicht nur Grund zur Sorge. Die Entwicklung brachte TTT-Chef Overs auch einen mehr oder weniger unangenehmen Termin in der Rottacher Gemeinderatssitzung ein. Dort sind die Einbußen besonders gravierend.
„Wo bleiben die Gäste, Herr Overs?“ So fragte denn auch Gemeinderätin Anastasia Stadler, die gleichzeitig Touristikfachfrau und Gastgeberin auf dem Webermohof ist. Neun Prozent weniger Gästeankünfte sowie ein Minus von 3,9 Prozent bei den Übernachtungen in Rottach-Egern – so lautete die ernüchternde Bilanz.
Overs machte nicht nur das schlechte Wetter – andauernde Regenfälle und Schneemangel – sondern unter anderem auch die Fussball-Weltmeisterschaft für den Einbruch verantwortlich. Besonders ungünstig für den Tourismus im Tegernseer Tal sei auch die Regelung der Sommerferien gewesen und zuallerletzt sei auch der Wiesn-Effekt nicht mehr das gewesen, was er einmal war, als dadurch noch zusätzliche Gäste ins Tal gespült wurden.
Während sich Rottach noch im Mittelfeld der Einbrüche befindet, hat es 2014 auch die Gemeinde Gmund stark getroffen: mit 6,7 Prozent Rückgang bei den Übernachtungen bis einschließlich September. Knapp im Plus mit 0,18 Prozent liegt Bad Wiessee. Besser ergeht es Tegernsee mit 1,2 Prozent. Spitzenreiter ist mit 2 Prozent Kreuth.
Vor allem die kleineren Betriebe müssten tendenziell mehr Unterstützung von Seiten der TTT und der Gemeinden erfahren. Denn gerade ihnen fehlen häufig die Möglichkeiten, ihren Gästen Alternativen zum Wintersport bei Schneemangel oder aber Indoor-Angebote bei sommerlichem Regenwetter zu bieten.
Fazit der obersten Tourismuschefs
Für die Tourismus-Verantwortlichen hieß es 2014: die Kurve kriegen. Weiterarbeiten, so gut es geht. Seit dem „Nein“ des Schlierseer Gemeinderats liegt die geplante Fusion von ATS und TTT erstmal auf Eis. Den Traum von einer zukünftigen Fusion hat man aber noch nicht ganz zu den Akten gelegt.
Harald Gmeiner sieht in der Umwandlung der ATS in ein Kommunalunternehmen einen ersten Schritt dahin. Zusätzlich gelte es, kräftig Überzeugungsarbeit zu leisten, um die „Vorbehalte in Schliersee auszuräumen und zu positiven Beschlussfassungen zu kommen“. Gelingt das in absehbarer Zeit, wären die Investitionen der letzten Jahre zumindest nicht umsonst gewesen.
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