Von weißen Westen und grünen Wiesen

Vor ein paar Wochen kamen sie wieder auf den Biertisch, die „Rottacher unbegrenzten Möglichkeiten“. Reihum den See machte sich Florian Oberlechner alias „Flickä“ in seiner Fastenrede daran, die „Sünden“ der Bürgermeister zu predigen.

Rottach-Egern bekam vor allem wegen der ausufernden Baukosten für den Kur- und Kongresssaal sein Fett weg. Dabei wird in Rottach nicht nur bei dem Vorzeigeprojekt der Gemeinde groß gedacht und groß gebaut.

Und da langsam die Bausaison wieder beginnt, war das Grund genug für uns, die Frage zu klären: Wo beginnt eigentlich eine Bausünde? Rottachs Bauamtsleiter Walter Hübsch ist unserer Gesprächspartner. Und sein Standpunkt ist: „Wir haben eine weiße Weste.“

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Der Grund für die regen Bautätigkeiten, die so manchem Einheimischen missfallen, sei in der Vergangenheit zu suchen. Die Entwicklung der Bauordnung reicht weit zurück. Im Jahre 1960 trat das Bundesbaugesetz in Kraft.

Es enthält die Vorschriften des öffentlichen Baurechts, also Vorschriften zur städtebaulichen Regelung der Bodennutzung sowie Bestimmungen zur örtlichen Bauleitplanung und Erschließung. Die örtlich und sachlich zuständigen Behörden sind für die Überwachung, die Erlaubnis und die Einstellung der Maßnahmen verantwortlich.

Ein gewollter Bauboom in den 60ern

Als die damaligen Tal-Politiker 1957 die Ringkanalisation und 1968 der Rottacher Gemeinderat den Flächennutzungsplan mit insgesamt zehn Teilbebauungsplänen auf den Weg brachten, machten sie damit den Weg frei für einen regelrechten Bauboom.

Rottach-Egern nach dem Bauboom der 60er.

Laut Bauamtsleiter Walter Hübsch hatten die damaligen Entscheider in der Gemeinde großes Interesse am Wachstum ihrer Gemeinde. 1971 kam dann der erste Einbruch. Nur ein Baustopp könnte noch gewährleisten, dass die Kapazitäten der Kläranlage in Gmund an der Mangfall ausreichten, hieß es.

Bis zum Jahr 2000 herrschte dann eine recht ruhige Bautätigkeit vor. Nach der Sanierung der Kläranlage wurde jedoch festgestellt, dass rund um den See 6.000 neue Einwohnergleichwerte verbaut werden könnten. Fast gleichzeitig (1998) beschloss man einen neuen Flächennutzungsplan.

„Seitdem prüfen wir jedes Bauvorhaben individuell,“ berichtet Hübsch. Damit soll abgewendet werden, dass eine Spirale nach oben entsteht und ein weiterer großer Bauboom entsteht.

Denn daran hat die Gemeinde laut Hübsch heute kein Interesse mehr. Doch was gebaut wird und was nicht entscheidet letztendlich nicht der Bauausschuss oder der Gemeindrat allein. Den finalen Segen gibt es vom übergeordneten Landratsamt in Miesbach. „Wir geben nur eine Empfehlung ab.“

Und wo beginnt jetzt eine Bausünde? Der Baustil. Die Größe des Gebäudes. Der Zaun. Die Haustür. Das Dach. Der Wandanstrich. Die Geschmäcker sind verschieden. Ob und wie ein Bauprojekt durchgeht, obliegt dem sogenannten Einfügungsgebot in die Umgebung.

Fügt es sich in die Nachbarschaft ein oder nicht?. Soll heißen, es ist grundsätzlich gesetzlich geregelt. Und zwar im §34 Baugesetzbuch. Dort wird die „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ geregelt. Der Gemeinderat wägt dies ab, passt Anträge an und gibt dann seine Empfehlung nach Miesbach weiter.

Baumschutz, Werbeverordnung, Gestaltungssatzung

An weiteren gesetzlichen Grundlagen, neben dem Baugesetzbuch mangelt es in Rottach in jedem Fall nicht. Seit 1978 existiert eine Baumschutzverordnung – welcher Baum darf weichen? Seit 1981 hat die Gemeinde eine Werbeanlagenverordnung – wo darf welche Werbetafel angebracht werden? Und seit 1983 eine Gestaltungssatzung.

Viele dieser Regelungen gab es anderen Orts rund um den Tegernsee erst Jahre später. Die Praxis jedoch zeigt, dass zwar gesetzlich geregelt ist, was praktisch nicht sein sollte, dieses Konzept aber nicht immer aufgeht.

Das Einfügungsgebot ist eine "schwierige Sache"

Bei vielen Neubauten vermisst mancher nämlich ein stilvolles Ortsbild. Beispielsweise ist neben der alten Villa Svendsen in der Fürstenstraße ein „X-Spänner“ entstanden, der so gar nicht hineinpassen will. Einst war der Grund um die Villa mit altem Baumbestand bewachsen. Jedoch wurden jene Bäume als „nicht schützenswert“ eingestuft. Also mussten sie der neuen Bebauung weichen. Rein rechtlich ist das wasserdicht. Rein faktisch bedeutet es eine grüne Fläche weniger.

“Auch ich hänge an meiner Heimat”

„Außen grün und innen dicht.“ So sieht Rottachs Bauamtsleiter die Zukunft des Ortes. Noch dichter soll es bald auch um das Areal der Villa herum werden. Das Gelände ist öffentliche Gemeindebedarfsfläche. Hier sind bereits die Anfänge gemacht, um die Kindertagesstätte auf den Weg zu bringen.

Wenn man sich den Ortsplan von Rottach einmal von oben ansieht, wird man unschwer erkennen können, dass eine „Streusplitterbebauung“ vorherrscht. Es existiert zwar ein deutlicher Ortskern, aber um diesen herum sind etliche „Hotspots“ an Bebauungen zu erkennen, die nach außen hin dünner werden. Die Zwischenräume werden sich wohl mit der Zeit verdichten und eventuell ganz zusammenwachsen.

Wenn es nach Hübsch geht, soll Rottach außenherum relativ unverändert bleiben. Lediglich am Enterrottacher Gewerbehof könne er sich eine Erweiterung vorstellen. Grundsätzlich jedoch „tasten wir keine Außenbereichsflächen an,“ sagt er.

Nichtbauland solle dieses auch zukünftig bleiben. Werde Nichtbauland zu Bauland gemacht, würden ökologische Ausgleichsflächen geschaffen. Wie beispielsweise bei dem Bau des Feuerwehrgebäudes, das 2000 fertig gestellt wurde und 730 Quadratmeter ehemals grüne Wiese im Außenbereich verbaute.

Das Rottacher Feuerwehrhaus

Hübsch erinnert sich an das Verfahren: „Bereits Jahre zuvor zeichnete sich der Bedarf an dieser Stelle ab und wurde 1998 als Gemeinbedarf in den Flächennutzungsplan aufgenommen.“ Als Ausgleichsfläche ist ein Grünstreifen mit Büschen und Bäumen angelegt worden.

Die Verdichtung im Innenbereich sei laut Hübsch allerdings nicht vermeidbar. Der Bauamtsleiter sieht auf Rottach die Hauptlast liegen. Denn das dortige Bauland sei von allen Talgemeinden am beliebtesten, besonders bei Immobilieninvestoren und Bauträgern.

Er selbst will jedoch für jede grüne Wiese und ein ansehnliches Ortsbild kämpfen. Sich den häufig schwierigen Diskussionen mit Bauherren stellen. „Schließlich häng’ ich selbst auch an meiner Heimat.“

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