Im November vergangenen Jahres hatte der Busfahrer aus Waakirchen gerade nach abgeschlossener Tour eine kurze Pause, als er auf einen Ölfleck aufmerksam gemacht wurde. Tatsächlich lief aus seinem Bus reichlich Öl heraus. In Absprache mit der Feuerwehr und seinem Chef beim RVO (Regionalverkehr Oberbayern GmbH) wurde beschlossen, dass der Fahrer mit Unterstützung seines Kollegen und einer Autowerkstatt die Ölbeseitigung selbst vornehmen soll.
Daraufhin wurde eine Zufahrtstraße mit einem Kleintransporter abgesperrt. So sollte verhindert werden, dass durch die Ölspur fahrende Autos das Öl auf die Bundesstraße tragen. Eine Autowerkstatt rückte mit einem Spezialfahrzeug an, das das Öl aufnehmen sollte.
Dann tauchte an der Stelle plötzlich ein Mercedes SUV auf, am Steuer ein 77-jähriger Gmunder. Der Rentner wollte an diesem Morgen zur Post. Was dann geschah, beschäftigte das Amtsgericht gestern Nachmittag volle drei Stunden. Der Gmunder war angeklagt, den Busfahrer aus Waakirchen beleidigt und angefahren zu haben. Zusätzlich verlies er nach dem Unfall einfach den Unfallort.
Auf der Motorhaube gelandet
Durch seine Anwältin ließ der Mann erklären, was sich aus seiner Sicht abgespielt habe. Er sei am Ludwig-Erhard-Platz angekommen und habe die Absperrungen gleich bemerkt. Trotzdem habe er schnell zur Post fahren wollen und sei auch von dem Geschädigten durchgewunken worden. Nachdem er mit seinen Erledigungen fertig war, wollte der 77-Jährige das Gelände wieder verlassen. Der Busfahrer habe ihn aber daran gehindert und ihm die Durchfahrt verweigert.
Dabei sei er aufbrausend gewesen und habe aufgeregt gestikuliert. Worte seien nicht ausgetauscht worden. Um einen Streit zu vermeiden, habe er rückwärts von dem Gelände wegfahren wollen. Da an seinem Mercedes die Automatikschaltung am Lenkrad empfindlich sei, habe er versehentlich statt des Rückwärts- den Vorwärtsgang eingelegt. Die Notstopp-Funktion des Fahrzeugs habe den PKW aber sofort abgebremst. Er habe dann den Rückwärtsgang eingelegt und sei weggefahren.
Richter Walter Leitner wollte von dem Rentner wissen, ob er dabei nicht wieder nach vorn gesehen habe. Der Angeklagte verneinte das, auch gehört habe er nichts. In der Anklageschrift wurde jedoch verlesen, dass er den Geschädigten von hinten so angefahren habe, dass dieser auf der Motorhaube landete. Der Angeklagte erklärte:
Das habe ich so nicht mitbekommen. Erst als die Polizei bei mir vorbeikam und mir das erzählte, habe ich von dem Vorfall erfahren.
Der Rentner machte vor Gericht allerdings einen sehr wachen und aufmerksamen Eindruck und wirkte nicht durch sein Alter eingeschränkt. Auch zeigte er sich seiner Schuld bewusst und einsichtig. So ließ er dem Rechtsanwalt des Geschädigten, der auch als Nebenkläger auftrat, sofort 500 Euro in Bar aushändigen. Aber beleidigt, so erklärte der Mann, habe er den Geschädigten nie.
Dem Busfahrer ist der Gmunder als ein durchaus agiler Autofahrer in Erinnerung geblieben. Er erinnerte sich von dem Rentner als „Arschloch“ beschimpft worden zu sein. Er sei von ihm verbal angegriffen worden, nachdem der Waakirchner ihn habe stoppen wollen.
Verschaltet oder mit Absicht angefahren
Der Busfahrer habe ihm erklärt, warum er ihn nicht habe passieren lassen können. Der Gmundner habe ihn aber sofort beleidigt. Der Geschädigte habe sich dann umgedreht und von dem PKW weg gehen wollen. Der sei ihm aber hinter gerollt. Dann habe der Wagen einen Satz gemacht, wäre ihm in die Kniekehle gefahren, so dass der Geschädigte sich auf der Motorhaube sitzend wiederfand:
Da habe ich ihm gesagt, dass er das mit Absicht gemacht hat und dass ich jetzt die Polizei rufe.
Der Mercedes-Fahrer habe ihm „Mach doch, du Arschloch!“ zugerufen und sei rückwärts weggefahren. Der Waakirchner habe daraufhin seinen Kollegen gebeten, das Nummernschild zu fotografieren. Dass er stärker verletzt sei, habe er erst später bemerkt.
Tatsächlich wurde der Mann in der Folge von einigen Ärzten untersucht. Vom Allgemeinmediziner über Orthopäden, Radiologen, Fachleuten in einer Spezialklinik für Knieverletzungen bis hin zum Schmerztherapeuten war alles dabei. Sechs Wochen sei er krank geschrieben gewesen, jetzt, fast ein Jahr später könne er immer noch nur eingeschränkten Dienst versehen. “Ich mache Schulbusfahrten”, so der Waakirchner, “Acht Stunden Dienst geht einfach nicht.”
Ein weiterer Zeuge, ein Kollege des Geschädigten, brachte ebenfalls wenig Neues zum Verfahren bei. Allerdings weckte er in seiner Aussage Zweifel daran, dass der Busfahrer die vollständige Wahrheit gesagt hatte. Trotzdem zeigten sich Richter wie auch der Staatsanwalt mit dem Aussageverhalten des Zeugen sehr unzufrieden:
Jetzt geben Sie sich doch etwas Mühe. Wir sind doch nicht zum Spaß hier.
Doch alle Mahnungen halfen nichts. Der Zeuge konnte den Ablauf des Vorfalls nicht mehr überzeugend wiedergeben. Richter Leitner empfahl ein Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Letztendlich wurde das Verfahren am Dienstagnachmittag nach drei Stunden vorläufig eingestellt. Der Beschuldigte erhielt die Auflage weitere 300 Euro an den Nebenkläger zu zahlen. Zusätzlich muss er die Übernahme der Kosten für den Anwalt des Nebenklägers sowie 1.000 Euro an das BRK Miesbach überweisen.
SOCIAL MEDIA SEITEN