Während der Trauung verhaftet

Vor dem Amtsgericht Miesbach wurde am gestrigen Morgen ein ungewöhnlicher Fall verhandelt. Die 60-jährige Brigitta K. aus Holzkirchen war wegen mehrfachen Betrugs angeklagt. Der Richter bezeichnete die Frau als „leichtgläubig“ und „naiv“, glaubte ihr aber ihre teils abenteuerliche Story.

Im Sitzungssaal 2 des Amtsgerichts Miesbach fand am gestrigen Morgen die Verhandlung gegen Brigitta K. statt.
Im Sitzungssaal 2 des Amtsgerichts Miesbach fand am gestrigen Morgen die Verhandlung gegen Brigitta K. statt.

Brigitta K. wird am 02.07.2015 verhaftet – im Standesamt, während der Trauung. Bevor sie ihrem Lebensgefährten das Ja-Wort geben kann, nimmt die Polizei sie in Gewahrsam. Der Haftbefehl geht unter anderem vom Amtsgericht Miesbach aus. Vorgeworfen wird der 60-Jährigen: Betrug in 15 Fällen. Verteidigt wird sie von Rechtsanwalt Martin Walch.

Die Angeklagte habe wiederholt Zahlungsfähigkeit vorgetäuscht und daraus auch einen gewerblichen Vorteil gezogen, so die Staatsanwältin bei der Hauptverhandlung am Dienstagmorgen. Relevant ist für die Anklage der Zeitraum von einem Jahr ab Januar 2012. Innerhalb weniger Monate habe sich die finanzielle Situation der selbstständigen Fotografin kontinuierlich verschlechtert.

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Trotz leerem Konto: Fotoausrüstung für 17.000 Euro

Mit wenigen Aufträgen hält sie sich eine Weile über Wasser. Doch oft sind ihre Konten nicht gedeckt, wenn sie einkauft oder etwas bestellt. Die Folge: Nicht eingelöste Lastschriften, Schulden bei der Bank und zahlreiche Mahnungen. Nach und nach häufen sich die Verbindlichkeiten: Zwei unbeglichene Rechnungen bei der Tankstelle, einige Bestellungen von Fotoabzügen, Heizöllieferungen und mehr.

Im Sommer 2012 dann scheinbar neue Hoffnung: Ein Münchner Innenarchitekturbüro bietet Brigitta K. einen größeren Auftrag an, für den sie aber neues Equipment benötigt. Auch ihr Lebensgefährte ist Architekt und bestärkt sie in ihrem Vorhaben. Zudem versichert er seiner Partnerin, dass er auf einem Konto in Italien rund 500.000 Euro habe. Damit könne man die Kosten für die neue Fotoausrüstung problemlos begleichen.

Also lässt sich Brigitta K. bei einem Fotogeschäft Equipment für über 17.000 Euro zusammenstellen, welches sie dann auch abholt. Bezahlt werden die Waren allerdings nie. Denn an die angeblichen Reichtümer auf dem italienischen Konto kommt das Paar offenbar nicht heran. Noch im September 2012 wird dann das Hauptkonto der Angeklagten von der Bank gekündigt, sie steht plötzlich vor dem Nichts:

Ich habe mich immer in Grund und Boden geschämt, wenn ich Rechnungen nicht begleichen konnte. Und dann war mit einem Schlag alles vorbei.

Das Haus der Mutter soll verkauft werden, Strom und Wasser werden nicht mehr bezahlt. Brigitta K. kommt in der Zwischenzeit bei Freunden unter, die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten bleibt bestehen. Doch Aufträge als Fotografin bekommt sie seit September 2012 nicht mehr. Bei den als Zeugen vorgeladenen Gläubigern und Vertretern der geschädigten Unternehmen entschuldigt sie sich persönlich. Sie habe nie die Absicht gehabt, jemandem mit ihrem Verhalten zu schaden, so die 60-Jährige.

Richter Walter Leitner und die beiden Schöffen stimmen ihr darin nur teilweise zu. Zwar sei sie erkennbar „naiv“ und „leichtgläubig“ gewesen, gerade, was die Finanzen ihres Lebensgefährten anginge. Die gravierende finanzielle Schieflage habe sich jedoch schon länger angebahnt, so der Richter. Daher sei der Vorwurf des bedingten Vorsatzes berechtigt, in allen 15 Fällen liege Betrug vor.

Angeklagte bleibt trotz Bewährung in Haft

Als Urteil halte man daher eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung für angemessen. Zudem soll die Angeklagte 200 Sozialstunden leisten, da sie den Schaden nicht anders begleichen kann. Frei kommt die 60-Jährige allerdings nicht. Denn in München ermittelt die Staatsanwaltschaft offenbar noch in einer anderen Sache gegen die Fotografin, es liegt ein weiterer Haftbefehl vor.

Auch ihr Lebensgefährte ist angeklagt, es könnte zu einer deutlich längeren Haftstrafe kommen. Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Miesbach sei sicher „der kleinere Teil“ gewesen, so Richter Leitner.

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