„Der Wald zeigt an, dass die Jagd stimmt.“ Mit diesem Ergebnis könnte man nach der Präsentation der Zahlen aus dem forstlichen Gutachten zufrieden sein. Viele Diagramme wurden gezeigt. Diskutiert wurde wenig an diesem Mittwochvormittag im Gasthof Neuwirt. Vordergründig herrschte Harmonie. Doch der „alte Konflikt“ zwischen Forst, Jagd und Waldbesitzern war trotzdem spürbar: Wie hoch muss man die Abschusszahlen ansetzen, damit sich der Wald verjüngen kann?
Aufklärung soll seit 1986 ein forstliches Gutachten bringen. Zum elften Mal wird es erstellt. Alle drei Jahre. Und für jede der rund 750 Hegegemeinschaften in Bayern. Die Zahlen des Forstes sehen gut aus. Insgesamt geht der Wildverbiss zurück. Verschiedene Baumarten entwickeln sich positiv. Das zeigen auch die Grafiken von Sebastian Schlenz, Koordinator der Forst-Revierleiter, und Martin Fritzenwenger, Revierleiter im Tegernseer Tal.
Die Zahlen sind gut
Das Gutachten betrachtet unter anderem, welche Baumarten in den Wäldern gedeihen. Zuvor hatte eine Waldverjüngungsinventur mit akribischer Erfassung und Auswertung statistischer Daten sowie eine Beurteilung der örtlichen Situation stattgefunden. Insgesamt zeigt sich, dass der Fichtenbestand seit 1991 bis 2012 abgenommen hat und gezielt durch Laubbäume und Tannen ersetzt wird. Bei der Mischung des Waldbestands mit Tannen besteht jedoch noch Nachholbedarf. Obwohl diese leicht zugelegt hatte, liegt ihr Anteil in den bayerischen Wäldern gerade mal bei vier Prozent.
Die Tanne gilt als sogenannte „Zeigerpflanze“, wie es dem Wald geht. Nicht nur, dass sie von hoher ökologischer Bedeutung ist – sie stabilisiert als Tiefwurzler den Boden und wird vom Waldschädling Borkenkäfer nicht befallen. Sie wächst aber langsam. Und steht dadurch buchstäblich im Schatten von schnellwachsenden Fichten und Buchen. Eine Tatsache, die nahelegt, dass man im Gutachten die Verbisszahlen auch im Kontext verschiedener Baumarten untereinander ansehen muss.
Von Wald und Wild in Bayern und im Landkreis
Positiv ist, dass sich der „Verbiss“ – wie man das als Förster nennt – positiv entwickelt hat. Gemeinhin gilt, was auch im Bayerischen Waldgesetz und Bayerischen Jagdgesetz steht: „Wald vor Wild“. Was heißt, dass der Wildverbiss niedrig sein sollte, die Abschusszahlen der Jäger dagegen möglichst hoch. So rechnet man sich aus, dass sich Jungpflanzen gut entwickeln und – ohne verbissen zu werden – groß werden können. So hatte sich nun auch die Eiche bayernweit wieder erholen können.
Im Landkreis Miesbach sieht es laut AELF-Zahlen ähnlich gut aus für den jungen Wald. „Die Tanne ist grün dargestellt“, so Martin Fritzenwenger. Soll heißen, dass Grün ein gutes Zeichen ist: Bayernweit ist der Verbiss von 35 auf 15 Prozent zurückgegangen.
Doch während der Wildverbiss insgesamt zurückgeht, gibt es auch Problemflächen. Gerade im Bergwald entwickeln sich die Zahlen des jungen Waldes nicht so, wie man dies gern sähe. Aus der Entwicklung der Baumarten und der des Wildverbisses ziehen die Forstverantwortlichen ihre Schlüsse. „Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt“, so formuliert es Michael Lechner, der Vorsitzende der Waldbesitzervereinigung Holzkirchen. Und meint damit, dass die Bäumchen sich gut entwickeln können, wenn die Jäger genug Wild geschossen haben.
Dazu entwickelt man regelmäßig Abschusspläne, die als Empfehlung an die Jäger geht, wie viele Tiere sie schießen sollten. Stimmen die Abschusszahlen, so zeigt sich das daran, dass die Jungpflanzen im Wald gut gedeihen. Im Gutachten kann das jeweilige regionale Gebiet also als „tragbar“ eingestuft werden.
In Zahlen gepackt und auf die regionalen Hegegemeinschaften heruntergebrochen, ist die Tendenz positiv. 48 Prozent der Regionalgemeinschaften werden als „tragbar“ eingestuft. In 43 Prozent ist der Verbiss jedoch noch zu hoch. Die positive Tendenz zeigt den Verantwortlichen an: Wir haben die Abschusszahlen richtig bemessen.
„Wald vor Wild“ oder „Wald mit Wild“?
Genau diese stellen sich immer wieder als „Zankäpfel“ heraus. Zwar kam es bei der Präsentation nicht zur öffentlichen Diskussion. Wer Anstöße suchte, musste schon genau hinhören. Michael Lechner als Waldbauernvertreter stellt sich klar hinter die Prämisse „Wald vor Wild“:
Die Jagd muss sich am Wald orientieren.
Mit dieser Meinung ist offenbar nicht jedermann einverstanden. Kam man mit anwesenden Jägern ins Gespräch, so erfuhr man deren Ansicht, ihr Berufsstand dürfe nicht derart missbraucht werden. „Wir sind nicht die Gehilfen und Dienstleister von Forst- und Waldbesitzern“, so drückte es Wolfgang Mayr aus, der Mitglied in der Kreisgruppe Miesbach im Landesjagdverband Bayern ist.
Zwar möchten auch die Jäger Wald und Wild in Gleichklang bringen. Jedoch unter der Prämisse: „Wald mit Wild“. Die derzeit gültige Vorgabe „Wald vor Wild“ sehe man nicht als ausgewogen an. Damit habe Bayern mal wieder einen Alleingang getan. In Deutschland sei das einmalig, wie Mayr meint.
Das Fazit
„Es gibt Reviere, die sind hinten dran.“ Und das sind fast die Hälfte bayernweit. Damit will sich Waldbauer Michael Lechner nicht zufrieden geben. Für das Tegernseer Tal fällt ihm dazu konkret das Gebiet „Bauer in der Au“ ein. Auch Mangfall-Ost weist einen hohen Verbiss auf. Dort könnten die Abschusszahlen höher sein. Lechner fehlt die Konsequenz, wie man mit solchen Revieren umgeht.
Christian Pölt, Leiter der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt Miesbach sieht den Handlungsbedarf dagegen nicht so dringend wie Lechner. Er findet, die jagdliche Seite wird ausreichend in die Verantwortung genommen. Im übrigen sei die Abschussplanung ein komplexes Verfahren, das mit allen Beteiligten abgestimmt werden müsse. „Bei den aktuellen Zahlen ist das Jammern auf hohem Niveau.“
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