“Freiheit ist das absolut Wichtigste”

Sieben-Tage-Woche, frühes Aufstehen, harte Arbeit, kaum Urlaub. Das arbeitsreiche Leben der Bauern möchte nicht jeder führen. Das zeigt sich am „Höfesterben“ – es hat Höchstwerte erreicht. Erstmals fiel die Zahl der in Bayern landwirtschaftlich bewirtschafteten Anwesen unter die 100.000er-Marke.

Durchschnittlich 29 Hektar Fläche bewirtschaftet ein Bauer im Landkreis Miesbach. Eine davon ist Kreisbäuerin Katharina Klaus aus Schmidham. Gemeinsam mit dem Kreuther Naturkäserei-Chef Hans Leo erklärt sie, warum ihr die viele Arbeit auf dem Hof nichts ausmacht.

50 Kühe, 60 Jahre alt, 4 Kinder – die persönlichen Daten von Kreisbäuerin Katharina Klaus.
50 Kühe, 60 Jahre alt, 4 Kinder – die persönlichen Daten von Kreisbäuerin Katharina Klaus.

Als Vollblutbauern gehen die beiden mit ihren Familien meist voll auf in ihrer täglichen Arbeit. Kreisbäuerin Katharina Klaus vermisst nichts in dem Leben, das sie führt. „Du musst einen Idealismus haben, weil du ein ganz anderes Leben führst als alle anderen“, sagt sie.

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Der jahreszeitliche Lauf, die Freiheitsgefühle, die einen erfassen, wenn man über sein eigenes Land geht, das Leuchten in den Augen, wenn der Herbst seine letzten sonnigen Fetzen übers eigene Feld jagt: mehr braucht Leo nicht, um glücklich zu sein. Wenn da nicht die staatliche Abhängigkeit wäre.

Tegernseer Stimme: Die viele Arbeit auf dem Hof – warum tut man sich das an?

Katharina Klaus: Der Hof, den man von seinen Eltern bekommt, sehe ich als ein Geschenk an. Sie vertrauen ihn dem an, von dem sie meinen, dass er ihn am besten weiterführen kann. Andererseits ist auch viel Pflichtbewusstsein dabei, dass man das macht. Es ist einfach was zum Reinwachsen. Die Bereitschaft muss aber da sein, ein solches Leben zu führen, bei dem das Vieh denselben Stellenwert genießt wie der Mensch. Zuerst kommen meistens die Tiere, denn sie können sich ja selbst nicht versorgen.

Tegernseer Stimme: Wie muss man sich den Tagesablauf auf einem Hof vorstellen?

Klaus: Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr, dann gehen mein Mann und ich in den Stall – melken, füttern, Kälber versorgen, einstreuen und das Melkzeug waschen. Gegen 8.30 Uhr gibt es Frühstück, danach geht mein Mann zu seinen Außenarbeiten – Maschinen waschen, mähen, was so ansteht. Ich selbst mache Haushalt, kümmere mich um meinen Enkel, gehe Einkaufen oder arbeite im Garten und bereite das Mittagessen vor, das es zwischen 12 und 13 Uhr gibt.

Tegernseer Stimme: Ein relativ voller Vormittag, der eigentlich für einen ganzen Arbeitstag reichen könnte.

Klaus: Ja, aber am Nachmittag stehen weitere Arbeiten an. Jetzt zum Beispiel Grabpflege, flicken, putzen oder Gartenarbeit, das meiste ist saisonal und wetterabhängig, man sieht aber auch mal im Stall nach, ob alles in Ordnung ist. Und dann haben wir auch noch eine pflegebedürftige Oma. Von 16:30 Uhr bis 18:45 Uhr sind wir dann wieder mit Stallarbeit beschäftigt, danach gibt es Abendessen, und man bereitet noch was für den nächsten Tag vor.

Tegernseer Stimme: Sehen Sie sich – und den Bauernstand – als Idealisten?

Klaus: Du musst einen Idealismus haben, weil du ein bisschen ein anderes Leben führst als alle anderen. Einer hat mal zu mir gesagt, als Bauer ist man angehängt wie ein Hofhund. Das stimmt schon irgendwie, aber das ist halt so, dass der Hof das Wichtigste ist. Schließlich ist er unsere Lebensgrundlage. Und eine Rente in dem Sinn gibt es ja auch nicht, weil man ja auf dem Hof weiterarbeitet, solange man noch kann.

Hans Leo, Chef der Kreuther Naturkäserei – sein Herz schlägt für Heimat und Landwirtschaft.
Hans Leo, Chef der Kreuther Naturkäserei – sein Herz schlägt für Heimat und Landwirtschaft.

Tegernseer Stimme: Hat Idealismus also auch ganz viel mit Tradition zu tun?

Klaus: Schon auch. Man ist viel in Traditionen eingebunden – in den Trachtenverein, die Kirche, den Betrieb selbst. Im Dorf kennt man die Leute ja oft nicht mehr so. Der Bauer aber ist keine anonyme Person. Häufig steht der Hof wie ein Monument in exponierter Lage, auf einem Hügel oder so.

Tegernseer Stimme: Lohnt sich die Landwirtschaft überhaupt noch?

Klaus: Das kommt immer auf den jeweiligen Hof an. Viele Landwirte haben inzwischen ein zweites Standbein, etwa Energiewirtschaft, Tourismus oder Einkommen aus der Waldwirtschaft. Wir verkaufen zum Beispiel Brennholz. Und wenn man gut wirtschaftet, bleibt auch was übrig. Allerdings wird das meiste nicht für sich selbst verbraucht, sondern wieder in den Hof investiert. Der Bauer denkt ja in Generationen. Und das Schönste ist, wenn man dann wieder ein Grundstück kaufen kann oder eine Alm erwerben oder Ähnliches.

Hans Leo: Was ganz wichtig ist, dass wir mit einem angemessenen Milchpreis den Bauern das Gefühl vermitteln, dass wir ihre Arbeit wertschätzen. Ein guter Milchpreis als Einkommen ist der Garant für die Bauern, dass sie ihre Höfe bewirtschaften und ihre Nutztiere weiter halten können. Dass sie auch, wenn nötig, Investitionen in ihre Anwesen vornehmen. Können sie das nicht mehr – mit Freude und Liebe –, dann hat das Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion, auf die Tiere und auf die Flächen.

Tegernseer Stimme: Wie hoch ist der Milchpreis zurzeit?

Klaus: Der Preis für konventionell erwirtschaftete Milch liegt zurzeit bei 37,9 Cent pro Liter netto. Wir bekommen als Naturland-Betrieb für unsere Bio-Milch 7 Cent mehr. Wobei es bei unserer Stamm-Molkerei Berchtesgadener Land einen Sommer- und einen Winterpreis gibt. Im Winter bekommt man ein paar Cent mehr, weil es dann insgesamt weniger Milch gibt.

Leo: Der Milchpreis definiert sich ja ausschließlich aus dem Markt. Bei der Naturkäserei haben wir aber ein wenig mehr Einfluss: Je besser wir arbeiten, desto besser wird langfristig auch der Milchpreis. Das ist einerseits eine Frage der Qualität, andererseits eine des Vertriebs.

Tegernseer Stimme: Mal abgesehen vom Einkommen – was gibt Ihnen die Arbeit auf Ihrem Hof in persönlicher Sicht?

Klaus: Für mich ist es alles in einem: Beruf, Berufung, Freizeitgestaltung, Versorgung.

Leo: Für mich ist Freiheit das absolut Wichtigste. Aber in der täglichen Arbeit ist man oft nicht frei. Die strengen Auflagen, die Abhängigkeit von der staatlichen Förderung – da hängst du wie an einem Tropf, und das schränkt die Freiheit ein. Wir leben ja in einem der freiesten Staaten. Und wenn ich so an dem Hag da vorn (deutet in Richtung Westen) nach Hause laufe, dann denke ich, da sind schon viele entlanggegangen. Und ich bin immer noch da und darf über mein eigenes Land gehen.

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Tegernseer Stimme: Wie könnten denn Ihrer Meinung nach die Rahmenbedingungen für Bauern verbessert werden?

Klaus: Politisch könnte einiges geändert werden. Zum Beispiel, dass Verbraucher- und Landwirtschaft in einem Ministerium vereint sind, das passt für mich nicht. Der Bauer haut den Verbraucher bestimmt nicht übers Ohr. Die haben die Rechnung ohne den Lebensmittelhandel gemacht.

Leo: Oder die Umweltpolitik, die die Landwirtschaft als Stachel im Herz der Umwelt sieht. Da wirst du oft angesprochen von Leuten, warum du die Gülle aufs eigene Feld fährst. Da fühlt man sich von der Gesellschaft in die Enge getrieben. Wir sind nicht gegen die Umwelt, sondern wir arbeiten für sie.

Tegernseer Stimme: Wenn Sie beide eine Prognose wagen: Wie wird sich die Landwirtschaft im Oberland entwickeln?

Klaus: Es werden noch einige aufhören, weil sie eben sagen: „Ich plage mich nicht für die paar Kühe.“ Aber ich glaube, in unserer Gegend sind die Aussichten insgesamt gut, weil man sich mehrere Standbeine schaffen kann – Tourismus, Energiebereich oder Waldwirtschaft.

Leo: Früher hatte noch jeder Zweite oder Dritte Verwandte in der Landwirtschaft, jetzt ist es vielleicht jeder Zwanzigste. Das darf nicht so weitergehen. Der Flächenverbrauch im Tal erschreckt mich. Und je weniger wir werden, desto schwieriger wird es, zu vermitteln, was das Schöne am Bauernstand ist.

Tegernseer Stimme: Vielen Dank für das Interview.

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