Aufs Dach steigt er weiterhin

„Aha, ein atmosphärischer Gasheizkessel.“ Wenn der Gmunder Helmut Jaki ein Haus zum ersten Mal betritt, könnten dies seine ersten Worte sein. Jetzt im Winter sind sie wieder vermehrt unterwegs: die Kaminkehrer. Nicht nur, um einen Kessel für eine Gasheizung zu überprüfen, sondern vor allem, um Kamine auszubrennen oder auszuschlagen.

Zwar heizen im Tegernseer Tal nur noch wenige Haushalte mit Kohle. Trotzdem wird man bei dieser Arbeit immer noch rußig.

Helmut Jaki bei der Arbeit
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6.30 Uhr: Für den Bezirkskaminkehrermeister Jaki beginnt ein neuer Arbeitstag. Wie immer packt er seine Arbeitsgeräte in seinem Koffer zusammen. Wenn alles im Firmenwagen verstaut ist, kann es losgehen. An einem Wintertag wie heute steht das Kaminausbrennen oder -ausschlagen auf dem Plan. Bei schönem Wetter werden eher Kamine gekehrt.

Viele unterschiedliche Aufgaben gehören zum Alltag: prüfen, kontrollieren, messen, kehren, reinigen, Kunden informieren und beraten, planen und organisieren, dokumentieren. Hauptaufgabe ist von jeher die Brandverhütung. Moderne Befeuerungsanlagen stellen zudem hohe Ansprüche an Messtechnik und Know How. Ein gut ausgebildeter Kaminkehrer beherrscht diese Aufgaben und sorgt so für den sicheren Betrieb.

Strenge Gesetzgebung für die Sicherheit von Leib und Leben

Eben diese Verantwortung für Leib und Leben der Bewohner ist der Grund dafür, dass das Kaminkehrerwesen an eine strenge Gesetzgebung geknüpft ist. Wenn man also ein Haus baut und dort eine Feuerstätte – wie einen Kachel- oder Kaminofen – errichtet, muss diese vor dem Betrieb von einem Kaminkehrer abgenommen werden. Er besichtigt das komplette Haus und stellt einen sogenannten Feuerstättenbescheid aus.

Dieses Dokument hält unter anderem fest, wann und wie oft ein Kaminkehrer die Anlagen überprüfen muss. „Manche Gebäude muss ich einmal, andere zwei-, drei- oder viermal im Jahr betreten“, erzählt Jaki. Wie oft das der Fall ist, kommt auf die Anlage und die Häufigkeit der Benutzung an.

Kaminkehrermonopol ist zum Jahreswechsel gefallen

Jeder Haushalt ist ganz klar einem bestimmten Kehrbezirk zugeordnet. Innerhalb des Gebietes war bisher keine Konkurrenz erlaubt. Helmut Jaki ist seit 1993 zuständig für den Kehrbezirk Waakirchen, zu dem neben Waakirchen, auch Schaftlach sowie Finsterwald und Moosrain gehören. Jürgen Neumann ist dagegen im Bereich Bad Wiessee und in Kreuth tätig. Roland Jäger arbeitet für die Bewohner von Rottach-Egern sowie die nördlichen Teile von Kreuth.

Zum Jahreswechsel hat das EU-Recht die Arbeiten neugeregelt und Zugeständnisse an die Niederlassungsfreiheit gemacht. Das Kaminkehrermonopol ist am 1. Januar 2013 endgültig gefallen. Zwar bleiben die Bezirke bestehen, jedoch dürfen Verbraucher für gewisse Tätigkeiten (kehren, messen, reinigen, überprüfen) einen anderen Kaminkehrer bestellen.

Auch Kaminkehrer aus dem EU-Ausland oder der Schweiz könnte man mit Aufgaben beauftragen. Lediglich die Feuerstättenbeschau, die alle dreieinhalb Jahre erfolgen muss, sowie die Abnahme bei einem Neubau bleiben weiterhin Sache des BKMs.

Wegfall bietet Chancen, aber auch Risiken

Hauseigentümer im Tal können durch die neue Konkurrenzsituation von Preisvergleichen profitieren. Kaminkehrer müssen sich dann auf einen bisher ungewohnten Wettbewerb einstellen. Eventuell ergeben sich dadurch auch kundenfreundlichere Termine, da anzunehmen ist, dass manche Kaminkehrer zukünftig auch abends oder samstags arbeiten werden, um wettbewerbsfähiger zu sein.

Allerdings ist ab 2013 auch eigenes Mitdenken gefordert, da Hauseigentümer im Schadensfall selbst in haftungs- und versicherungsrechtliche Pflicht genommen werden. Auch die Bürokratie ist sind nicht unerheblich. Nimmt sich jemand einen anderen eingetragenen Kaminkehrer, dann muss ein Formblatt über die geleistete Tätigkeit ausgefüllt und fristgerecht an “seinen” Bezirkskaminkehrermeister weitergeleitet werden. Ansonsten drohen Ersatzmaßnahmen und hohe Aufwendungen.

Für Bezirkskaminkehrer ist die Neuregelung unter Umständen eine Chance auf Erweiterung ihrer Nebentätigkeiten. Manche werden sich auf Energieberatung, andere auf Brennerkundendienst oder den Vertrieb von Öfen einstellen. Auch Jaki macht sich durch die Neuregelung nicht allzu große Sorgen. Denn er ist nicht nur gelernter Kaminkehrermeister, sondern auch geprüfter Energieberater des Handwerks (HWK) sowie zertifizierter Bauthermograf.

So hat sich der Gmunder intuitiv frühzeitig mehrere Standbeine geschaffen. Doch jetzt heißt es erstmal „Feierabend“ und ab unter die heiße Dusche. Denn auch wenn es fast keine Kohleheizungen mehr gibt, wird man als Kaminkehrer immer noch ein wenig dreckig bei der Arbeit.

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