Holzkirchen: 25.000 Jahre alter Zahn entdeckt
Was treibt ein Mammut in den Teufelsgraben?

Man stelle sich vor, zwischen Kühen und Ziegen würden sich Elefanten auf den Almen im Tal tummeln. Vor zigtausend Jahren durchaus denkbar. Ein Backenzahn-Fossil beweist, was Forscher bisher ausgeschlossen hatten.

Willibald Braun präsentiert stolz seinen Fund an der Tafel N6 des Geo-Lehrpfads / Quelle: Norbert Strauß

Mammuts kennen wir heute nur aus Filmen. Ihr Ebenbild wurde künstlich geschaffen aus der Rekonstruktion von Knochenfunden und alten Höhlenmalereien. Und zum Glück sind einige der entdeckten Exemplare im Eis konserviert worden – inklusive Fell, Stoßzähnen und genetischem Erbmaterial. Dieses genetische Material ordnet die Mammuts der Familie der Elephantidae zu. In unseren Breiten in Europa hatte das spät eiszeitliche Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius) sein Zuhause. Bis die Tiere, die mit den heute in Asien und Indien lebenden Elefanten weitläufig verwandt sind, vor 11.500 Jahren ausstarben.

Eigentlich gilt das Oberland nicht als Lebensraum der Dickhäuter, deren Bullen bis zu 4 Meter groß werden konnten. Die Wissenschaft hielt bis jetzt die Region, in der wir heute leben, nicht als geeignetes Lebensareal des Wollhaarmammuts. Zu nah am Gletscherrand der ehemaligen Eisflächen gelegen, sei das Nahrungsangebot für die Tiere in der Späteiszeit nicht ausreichend gewesen. Doch wie ein Fund des gebürtigen Holzkirchners Willibald Braun im Jahr 2020 zeigt, lagen die Forscher damit nicht so ganz richtig.

Am Rande des Gletschers endete das Leben des vorzeitlichen Säugetiers / Quelle: L. Feldmann und N. Strauß, GLH

Vor über zwei Jahren hat Braun nahe dem Teufelsgraben in Holzkirchen ein inzwischen als Mammut-Backenzahn bestätigtes Fossil gefunden. Eigentlich war der Hobbygeologe auf der Suche nach besonderen Steinen im Bereich des westlichen Teufelsgrabens. Die Fundstelle lag etwa 2,5 km westlich der Teufelsgraben-Querung an der Staatsstraße 2073 zwischen Holzkirchen und Dietramszell.

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Zuerst war sich Braun gar nicht bewusst, bei seiner Steinsuche auf eine bedeutende Entdeckung gestoßen zu sein. Erst eine zufällige Begegnung mit Norbert Strauß, Mitglied und Autor in der Projektgruppe Geo-Lehrpfad Holzkirchen, machte Braun im letzten Sommer auf den bedeutsamen Fossilienfund aufmerksam.

Rekonstruktion eines Wollhaarmammuts. / Quelle: Zeichnung Udo Scholz

Strauß identifizierte den Fund als Backenzahn eines Mammuts – eines Mammuthus primigenius. Der Autor war es auch, der es durch seine Kontakte ermöglichte, für Braun eine fachgerechte zeitliche Zuordnung des Zahns sowie die notwendige Fund-Dokumentation zu realisieren.

Nach Art und Größe des Zahnes (Länge 121 mm, Breite 63 mm, Höhe 95 mm), Anzahl der Lamellen und der geringen Abnutzung der Kaufläche stammt der Molar (Backenzahn) von einem jungadulten, vermutlich weiblichen Mammuthus primigenius (Wollhaarmammut) Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München

Das Alter der Elephantidae lässt sich an den Zähnen hervorragend feststellen. Die Tiere bekommen in ihrem Leben sechsmal Zähne. Von denen ist aber immer nur einer als Kaufläche verfügbar. Nach Abnutzung des sechsten Zahnsatzes verhungern die Tiere.

Wollhaarmammut wahrscheinlich Jagdopfer

Die Mitarbeiter der Bayerischen Staatssammlung schätzen das Alter des Zahns auf 25.000 Jahre und ordnen ihn einem weiblichen Jungtier zu. Die Fundstelle war damals der Nordhang der sogenannten Würm-Endmoräne des Wolfratshausener Lobus (= Lappen) des Isar-Loisach-Gletschers. Warum allerdings sich das Mammut in dieser Gegend aufhielt, bleibt ein Rätsel.

Denn Nahrung fanden die großen Säugetiere in diesem Gebiet eigentlich nicht vor. Eine mögliche Erklärung der Wissenschaftler ist, dass das Tier gejagt wurde. Das Wollhaarmammut sei wahrscheinlich in den steilen Hang gejagt und vor dem oben anstehenden und begrenzenden Gletscher in die Enge getrieben worden, um es zu erlegen.

Der Mammutzahn samt Riesenwurzel nach der aufwendigen Konservierung / Quelle: © Norbert Strauß

Um den Zahn fachgerecht konservieren zu lassen, war Einfallsreichtum nötig. Da bei der Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie das Personal fehlt und ein privates Labor 500 Euro für die Konservierung verlangt, wurde Strauß selbst aktiv. Dank der guten Vernetzung der Projektgruppe-Geo-Lehrpfad Holzkirchen zum Leiter des Naturkunde- und Mammut-Museums in Siegsdorf, Dr. Robert Darga, erhielt Strauß eine detaillierte Anleitung für die dauerhafte Konservierung des Zahns, um ihn für die Nachwelt zu erhalten.

Sechs Wochen lang dauerte die aufwendige Prozedur. Tauchbäder in stark riechenden Lösungsmitteln, mit Kunstharzen und langsamen Trocknungsphasen stabilisierten den 25.000 Jahre alten Zahn des Jungtieres. Es gelang Strauß am Ende, den Zahn in kleinteiliger Puzzlearbeit nahezu in den Originalzustand zu versetzen.

Wer nun von euch neugierig geworden ist, kann den Backenzahn des einst bei uns heimischen Wollhaarmammut ab Dienstag, den 10. Januar, im Foyer des Rathauses in Holzkirchen besichtigen. Ab Februar wird Braun seinen Fund dem Naturkunde- und Mammut-Museum in Siegsdorf übergeben. Dort wird das Zahnungetüm in der Zahnvitrine zu bestaunen sein. Ganz in der Nähe eines mit 45.000 Jahren weitaus älterem Verwandten. Das Siegsdorfer Mammut gilt als das besterhaltene Skelett Europas.

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