Peters Wecker klingelt um zwei Uhr. Die paar Kilometer von Scharling her sind gleich zurückgelegt. Um halb drei ist Schichtbeginn für das Trio.
Nur der Konditormeister hat noch Schonfrist. Er kommt „erst“ um fünf Uhr. „Aber heute ist er krank“, weiß Peter, der sich schon seine Schürze umgebunden und angefangen hat zu arbeiten. Am Arbeitstisch hat Chefin Traudl Eberwein auf einen Zettel geschrieben, was es heute zu backen gilt. Zuerst sind über 1.000 Semmeln dran. „Denn die müssen um sechs Uhr im Laden sein“, berichtet Peter.
Eine eingespielte Frühschicht
Genauer gesagt 1.150 Semmeln. Der Zettel verrät, dass heute mehr Semmeln gebraucht werden. „Jeden Tag wollen die Kunden was anderes“, sagt der Bäcker. Im Laden und am Telefon äußern sie ihre Wünsche. So kommt eine solche Wunschliste wie an der Wand zustande: Mischbrot, Steinmetz, Sportler, Schwaben, Finnen, Kastenweißbrot, Vinschgerl, Zöpfe, Stuten, Rohrnudeln – alles säuberlich mit Mengenangaben versehen. Nach den weißen Semmeln bereiten die drei nach und nach alle Wunschprodukte zu: Brezn, Croissants und Laugengebäck, dann den Teig für 20 „Wurzel“.
Schließlich die ganzen Brote. Sie machen alles gern, sagt Peter. „Naja – Plunder – geht so“, lacht Thomas. Die drei in der Stube stellen sich als Bäcker aus Leidenschaft heraus. Und als eingespieltes Team. Worte fallen kaum. Trotzdem weiß jeder genau, was zu tun ist. Norbert steht am Ofen, als ein Klingeln ihm signalisiert: eine weitere Fuhre Semmeln ist fertig.
Er greift seine Handschuhe, öffnet die Tür, zieht die Bleche heraus und stellt sie zum Abkühlen. Peter hat inzwischen einen wahren Teigberg für die „Finnen“ vorbereitet. „Zwölf Kilo“, schätzt er den Riesenballen, den er von einem Arbeitstisch auf den anderen wuchtet.
Da sitzt jeder Handgriff. Mit dem Abstecher greift er in die bräunliche Masse, wiegt exakte Haufen ab, greift kurz darauf mit jeder Hand einen Teighaufen, lässt die Handflächen kreisen und formt in Sekunden einen Brotballen. Aus 915 Gramm Teig wird nach dem Backen ein 750 Gramm schwerer Laib.
Tausende Kilo Mehl werden im Laufe der Zeit verarbeitet. Hauptsächlich Roggen- und Weizenmehl – angeliefert von der Leitzachmühle und der Aktienmühle Aichach. Auch Körnermischung und Gewürze sind selbst zusammengestellt.
Handarbeit, alte Tradition, ohne Zusätze
Hier entsteht alles in Handarbeit, ohne Zusätze, nach alter Tradition. Industrie-Backmischungen, die fast alle Bäcker heute verwenden, sind tabu für das Trio. Deshalb schwören auch viele Pensionen und Privatleute auf die Backwaren vom Eberwein. Ein paar können es gar nicht mehr erwarten, bis sie hineinbeißen können.
Kurz nach fünf Uhr kommt ein Taxifahrer zu der wohlweislich nur angelehnten Backstuben-Hintertür herein. Draußen hat es noch kühle 13 Grad. Drinnen duftet einem 30 Grad geschmacksgeschwängerte Luft entgegen, es riecht nach Süßem, nach Brotgewürz und Gemütlichkeit. Doch für die drei ist es mit der Ruhe vorbei. Einer stellt die Knetmaschine ein, der zweite portioniert Teig auf der Waage, der dritte holt Fertiges aus dem Backofen.
Aufstehen für das „täglich Brot“
Alle drei sehen beunruhigend wach aus. Während mein „Motor“ um 5.15 Uhr noch nicht so richtig läuft, sind sie schon richtig umtriebig. Das frühe Aufstehen mache ihm an und für sich nichts aus, sagt Peter. Nur samstags, da sei es schlimmer, ergänzt er. Für junge Leute muss es ein wenig ungut sein. Denn wenn andere noch feiern, müssen sie nach meist nur wenigen Stunden Schlaf schon wieder aus den Federn.
Oder gehen vielleicht gar nicht rein. „Der Körper gewöhnt sich dran“, bestätigt Peters Kommentar die frühe Weckzeit. Nachher, wenn die Schicht beendet ist – um zehn Uhr –, gibt’s eine Brotzeit und noch mal eine Runde Schlaf. Über dreißig Jahre macht er das schon. Kollege Thomas noch länger.
Jetzt kommt Chefin Traudl Eberwein. Sie sieht genauso aus wie eine Bäckerin aus dem Bilderbuch: freundliches Gesicht, rote Bäckchen, rundliche Figur. Heute macht sie die Lieferungen zur Chefsache. Weil der eine Kollege krank ist. „80 Semmeln, elf Körnersemmeln und 15 Laugenteile“, zählt sie ab. „Die sind fürs Tegernseer Gymnasium“, berichtet sie. Konzentriert füllt sie Träger um Träger, Sack um Sack. Damit die Lieferungen an die Stammkunden rausgehen können. Noch bevor der Laden aufmacht.
Dann bereitet sie den Verkaufsraum vor. Bäcker Norbert hat schon Vorarbeit geleistet. Sie räumt weiter in Theke und Regale ein. Um sechs Uhr schließt sie die Ladentür auf. Zwei hungrige Kunden stehen schon davor. Währenddessen legen die drei in der Backstube eine kurze Pause ein.
Es kommt auf die Kunden an
Wie ihre Vorfahren versorgt Traudl Eberwein mit ihrem Team die Hungrigen mit Brot, Semmeln und Kuchen. „Vinschgerl sind unsere Spezialität“, erzählt sie. Die Technik hat sich weiterentwickelt, doch der kleine Betrieb setzt weiterhin auf Handarbeit und auf eigene Rezepte. Wie lange sie dem Druck – gerade der günstigen Industriebäckereien ‒ noch standhalten kann, weiß sie nicht zu sagen.
Letztendlich kommt es auf die Käufer an. Sie entscheiden, ob sie billige Semmeln aus Rohlingen essen wollen, die um die halbe Welt gereist sind, oder handgemachte aus der Backstube.
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