Rottach Egern:
Wenn Unternehmer baden gehen …

Ein 300 Quadratmeter großer Schwimmteich sorgt für Streit: Rottach-Egern will den Naturteich zurückbauen lassen. Aber der nötige Beseitigungsantrag muss vom Landratsamt kommen. Das zeigt mit dem Finger auf die Regierung von Oberbayern.

Hinter hohen Hecken und fein gesäuberter Straße liegt der geheimnisvolle Naturteich. Foto: Carl Obereisenbuchner.

Der Unternehmer Ulrich H. ist ein Macher. Was er anpackt, funktioniert. Im schwäbischen Gersthofen ist er der Anhänger-König. Er wirtschaftet mit seinen Angestellten hohe dreistellige Millionen Euro Umsatzzahlen, rettete vor vierzehn Jahren den Konkurrenten Kögel, sichert Arbeitsplätze. Das wird noch wichtig werden.

In Rottach-Egern wohnt der 62-Jährige im Bartlmäweg. Hier hauste schon Metro-Milliardär Otto Beisheim. Ein Leben hinter hohen Hecken; man will für sich sein. Ulrich H. hat sich im Zuge der Sanierung seines Hauses einen Schwimmteich anlegen lassen – 300 Quadratmeter. Fast so groß wie das Rottacher-Kinder-Warmbadbecken – eine Baugenehmigung für das Öko-Biotop gab es nie. H. baut einfach so.

Genese eines überdimensionierten Plantschbeckens

Das war 2019. Die mehrstufige Badeoase liegt im Außenbereich; so die Gemeinde. Hier gelten besondere Regeln und Zwänge, Stichwort: Wohnnutzung! Das heißt übersetzt: Gibt es eine Notwendigkeit für das überdimensionierte Plantschbecken? “Jedes Gartenhütterl muss sich bestimmten Vorgaben beugen, wenn es etwa die falschen Füße hat. Wie sollen die Leute dann verstehen, dass ein Schwimmteich einfach gebaut werden kann”, echauffiert sich Tanja Butz, Bauamtsleiterin. Die Gemeinde erwirkt also einen Baustopp. Den H. geflissentlich ignoriert. Er wendet sich stattdessen an das Landratsamt in Miesbach. Die “ersetzen das gemeindliche Einvernehmen”, H. darf also weitermachen. Erstmal nicht ungewöhnlich. Das Landratsamt ist die entscheidende Behörde; eben die Bauaufsichtsbehörde. Die Gemeinde kann im Rahmen ihrer Planungs- und Gestaltungshoheit Einfluss nehmen, ein “Einvernehmen” signalisieren oder halt nicht. Das Landratsamt habe dann die Regierung Oberbayern um eine Einschätzung gebeten, weil es ein “Grenzfall” sei. Die habe dann H. Bauvorhaben zugestimmt, weil sie zu der Einschätzung gelangt sei, dass der Teich dem Innenbereich zuzurechnen ist.

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Innen oder Außen? Egal!

Rottach-Egerns Gemeinderat mag sich das nicht gefallen lassen. Bürgermeister Christian Köck kann schon aufbrausen, wenn ein Gscheidhaferl munter gegen Gemeindesatzungen verstößt oder Bauvorhaben nicht so laufen, wie das örtliche Bauamt es vorgibt. Die Gemeinde klagt 2020 beim Verwaltungsgericht – und bekommt zwei Jahre später Recht: “Der Bescheid des Landratsamts Miesbach zur Genehmigung des Schwimmteichs wurde aufgehoben. Das Gericht kam nach mündlicher Verhandlung vor Ort zur gleichen rechtlichen Beurteilung wie die Gemeindeverwaltung. Der Schwimmteich befindet sich im Außenbereich.” 

Und H.? Der hat munter – in der Zeit bis zum Urteil – sein Schwimmerlebnis weiterbauen lassen, das müsste nun also weggerissen werden. H. legt Berufung ein, erfolglos. Am Zug ist jetzt das Landratsamt Miesbach, das einen Rückbau-Antrag zustellen und durchsetzen müsste. Aber – man ruft lieber bei der Staatsregierung an, die als obere Bauaufsichtsbehörde einschreiten soll. Die soll sich, wie wir hören; auf H. Seite gestellt haben, will das die Plantscherei dem Anhänger-König erlauben. Zwei Gerichtsurteile stehen gegen eine eher wackelige juristische Sicht der Regierung Oberbayern und des Landratsamts. Warum?

Unternehmerliebe

Machen wir einen gedanklichen Ausflug nach Westen. Gersthofen bei Augsburg – Heimat einiger “Hidden Champions”, Unternehmen, die zwar nur Spezialisten kennen, die aber europa- und manche weltweit in der höchsten Liga spielen, tausenden Menschen Arbeit geben und Millionen-Umsätze erwirtschaften. Einer von ihnen ist Ulrich H. Allein mit seiner Anhänger-Firma erwirtschaftet er über 250 Millionen Euro. 1000 Anhänger sollen pro Woche vom Band laufen. 2009 “rettet” er einen Konkurrenten, die Firma Kögel, sichert einen Großteil der Belegschaft. Doch H. ist einer, der Gewerkschaften nicht so mag, bestimmt lieber allein, was in seinem Unternehmen so läuft. H., so hören wir von Kollegen in Augsburg, ist hier eine große Nummer. “Ruft der in der Staatskanzlei in München an, wird der Hörer abgenommen.” Man kennt sich, man schätzt sich. Ist da ein Schwimmteich eine Petitesse?   

Ein Ex-Justizminister an der Seite

Ulrich H. nimmt sich für die gerichtliche Auseinandersetzung keinen unbekannten Wald- und Wiesenanwalt, er entscheidet sich für – Alfred Sauter. Der CSU-Landtagsabgeordneter und Ex-Justizminister, fiel über Jahre durch diverse Skandale auf: ob LWS-Affäre, Nebeneinkünfte oder jüngst sein Auftreten in der Maskenaffäre. Sauter war dennoch nicht erfolgreich für seinen Klienten H. – zumindest nicht vor Gericht. Bürgermeister Köck hat vor einigen Wochen mit einem Juristen des Landratsamts über den Teich gesprochen und die Standpunkte der Gemeinde klar vertreten und eindringlich darum gebeten, dass die Anordnung zur Beseitigung vom Landratsamt veranlasst wird (aktualisierte Passage, Do 22. Juni, 15:46). Das sonderbare Verhalten des Unternehmers, der trotz Baustopp einfach munter weiterbaute, stößt in Miesbach anscheinend keinem auf. Irgendwie kennt man das vom Westufer des Sees mit einem anderen Unternehmer auch …

Der Gemeinderat steht auf

Am Dienstag sind Köcks Ratskollegen sauer: Gabrielle Schultes-Jaskolla von der Freien Wähler Gemeinschaft Rottach-Egern ist entrüstet: “Wenn man mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass sich eine Behörde weigert, zwei rechtsfähigen Urteilen umzusetzen, dann hätte ich das nicht für möglich gehalten (…) da zieht jemand zu uns und kaum ist er da, glaubt er sich nicht an unsere Regeln halten zu müssen.” Thomas Tomaschek von den Grünen: “Mit Geld kann man sich viel kaufen, aber eben nicht das Recht.” Auch Bürgermeister Christian Köck ist ungehalten. “Mich interessieren große Namen nicht. Es geht um den Gleichbehandlungsgrundsatz.” Und auch um die Glaubwürdigkeit von kommunaler Politik; da sind sich alle einig. Am Ende stimmt der Rat gesammelt für eine Verpflichtungsklage gegen den Freistaaat Bayern, ein weiteres Gerichtsurteil soll Bewegung in die Sache bringen. Zurück bleibt ein trauriges Bild: Hier versuchen kommunale Politiker wie Christian Köck und seine Rätinnen und Räte mit aller Macht Reiche wie Normalsterbliche mit gleichem Maß zu messen; über die Parteigrenzen hinweg. Die Gemeinde bekommt vor Gericht zweimal ihre Sicht bestätigt: Dennoch darf der Anhänger-König in seinen 300 Quadratmetern untertauchen.

[aktualisiert am 17.07 | 2023].

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