Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Wir blicken zurück auf die meistgelesenen Artikel der vergangenen zwölf Monate. Heute Platz Nummer 1: Dabei geht es um 20 Asylbewerber, die unter der Waakirchner Turnhalle untergebracht waren. Der Bürgermeister schwärmte von den Männern – der Wirt des Kegelstüberls klagte: Mehrere Kegelgruppen sagten wegen der Flüchtlinge ab. Das Thema schlug große Wellen und der Artikel wurde zum meistgelesenen des Jahres.

Wer hat Angst vom schwarzen Mann - der meistgelesenen Artikel 2015
Wer hat Angst vom schwarzen Mann – der meistgelesenen Artikel 2015

Der ursprüngliche Artikel erschien am 18. Mai:

„Sie kann es ihren Keglern nicht erklären, dass sie neben dem Asylbewerberheim kegeln sollen.“ Das sei die krasseste Absage gewesen, die Kegelstüberl-Wirt Stefan Heufelder gehört habe – von einer Frau aus dem Tegernseer Tal. Bei einigen Kugelwerfern geht die Angst vorm schwarzen Mann um. Es sprießen die „Märchen“ rund um die Flüchtlinge und die Kegler in die Höhe. Der Wirt spricht gar von „Hysterie“: „Es heißt, die Kegler müssten auf die gleiche Toilette gehen wie die Asylbewerber“, berichtet er. Schulter an Schulter mit dem Afrikaner am Pissoir.

Aber die Angst vor dem internationalen Zipferlvergleich ist unbegründet. Denn das Kegelstüberl und die Asylbewerberunterkunft in Waakirchen haben nur eines gemeinsam: Beide sind unter der Turnhalle untergebracht. Ansonsten haben sie jeweils einen eigenen Eingang und eigene Toiletten. Doch seit die 20 Männer dort eingezogen sind, läuft das Geschäft im Kegelstüberl schlecht. Acht Gruppen haben in den vergangenen zwei Wochen abgesagt, sagt Heufelder gegenüber der Tegernseer Stimme. Jede Woche sind es zwei Gruppen mehr.

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„Sie können die Flüchtlinge sehen“

Rudi Reber, Gemeinderat und 3. Bürgermeister sprach das Problem in der letzten Gemeinderatssitzung an: „Die Leute sagen, sie wollen das nicht mehr haben“, so Reber auf Nachfrage. Denn trotz der räumlichen Trennung seien die Männer aus Syrien, Mali, Eritrea und dem Senegal nicht unsichtbar: „Sie stehen vor dem Haus und telefonieren, weil dort der Handy-Empfang besser ist. Und wenn die Kegler rauchen, sehen sie auf den Container, in dem die Flüchtlinge kochen“, schildert er die Situation. Und zum Kegelvergnügen gehört eben für manchen Sportfreund ein schöner Ausblick.

Dass Kegelgruppen jetzt das Stüberl meiden, kann er nicht nachvollziehen. Für den Wirt könnte die Situation existenzgefährdend sein: „Ich appelliere, dass die Leute wieder dahin gehen“, betont Reber. Die Kegelgruppen, die Heufelder treu geblieben seien, seien positiv überrascht, berichtet der Wirt.

„Die tun einem nix“

Kopfschütteln auch im Rathaus. „Das sind alles sehr anständige junge Männer“, sagt Bürgermeister Josef Hartl. Sicherlich sei die dunkle Hautfarbe ungewohnt und er könne sich vorstellen, dass Frauen im ersten Moment ängstlich würden. Aber das sei unbegründet: „Die tun einem nix.“

Auch in der direkten Nachbarschaft haben die Menschen keine Angst vor den Flüchtlingen. „Wenn man da vorbeigeht und die grüßen einen, grüße ich halt zurück“, sagt eine Anwohnerin. An die dunkle Hautfarbe werde man sich gewöhnen. Eine andere Anwohnerin erklärt, sie sehe die Männer kaum draußen: „Die gehen mal zum Einkaufen und wieder zurück. Sonst sind sie recht unauffällig.“ Die Hautfarbe sei zwar ungewöhnlich, aber Angst habe sie deshalb nicht.

„Haben die Leute denn überhaupt kein Hirn?“, echauffiert sich eine andere Anwohnerin über die Nachricht, dass Kegelgruppen dem Wirt abgesagt hätten. Das sei unverschämt, sagt die knapp 80-jährige Dame. Auch sie habe keine Angst, sich in ihrer Nachbarschaft zu bewegen: „Das ist so klasse: Wenn man sich draußen sieht, sagen die ‚Servus’.“ Sie gehe seit Jahrzehnten mit ihrer Gruppe im Kegelstüberl kegeln und werde das auch weiterhin tun.

Information gegen Gerüchte

Nur drei Monate lang sollen die Asylbewerber im Tischtennisraum unter der Turnhalle untergebracht sein. Danach sollen sie in die Container umziehen, die am Michael-Schreiber-Weg aufgestellt werden. Bis zu 56 Personen werden dort unterkommen können. Die Halle werde dann nicht mehr als Unterkunft genutzt, betont Josef Hartl: „Das habe ich mir schriftlich geben lassen.“

Ob dann auch die Kegelgruppen wieder zu Stefan Heufelder zurückkommen, da ist der Wirt skeptisch: „Das wird schwierig.“ Weil er durch den Ausfall der Kegler an Umsatz einbüßt, hat er bei der Gemeinde Hilfe beantragt, indem seine Pacht für die Zeit der Asylunterkunft halbiert wird. Das hat die Gemeinde abgelehnt. Bürgermeister Hartl setzt dagegen auf Information gegen die Gerüchte. So findet am kommenden Donnerstag um 19:30 Uhr eine Informationsveranstaltung im Feuerwehrhaus Schaftlach statt. Schwerpunkt: Wie schaffe ich alle Neune mit dem Flüchtling im Rücken?

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