Das gilt auch für das Tal. Ob randalierende Rasenmäher-Reaktionäre, zasterschwingende Zugroaste oder brutale Biker-Bienen: Unser Kolumnist nimmt sich der größer werdenden Gruppe der ICHlinge an.
Eine Polemik von Anton Jennerwein:
Überall da, wo es eng wird, brauchen die Menschen Regeln des Umgangs. Straßenverkehr, Büro und jetzt auch Wald. Wald, werden Sie sagen? Davon haben wir hier doch genug. Platz ist doch da. Kann doch nicht so schwer sein, da einen Platz für die eigene Verwirklichung zu finden.
Nun hat sich in den letzten Jahren eine neue soziale Gruppe herausgebildet. Es sind die Gläubigen des „Unter’m Strich zähl’ ich“-Mantras. Höflichkeit, Rücksichtnahme, Empathie – alles was es braucht, um eben nicht starre Regeln des Miteinanders aufzustellen, fehlt ihnen.
Raumnahme statt Rücksichtnahme
Eine ganz spezielle Form von Mountainbikern: Menschen, die ihren Körper als „Tempel“ bezeichnen, sich ohne Scham in grellbunte, körpernahe Pellen quetschen und sündteure Fahrräder besteigen, um steile, buckelige und bestimmt nicht für sie vorgesehene Wege in unserem Tal hinunter zu brettern. Meist fährt der drahtige Bernd mit stierem Blick vorneweg, bedrohlich mit den Bremsen quietschend, um auch wirklich jedes Wesen von seiner göttlichen Anwesenheit und Mission zu informieren.
Hintendran, mit ebenso verbissenem Gesichtsausdruck, aber schon leicht angsterfülltem Blick, die Corinna aus Freimann. Unter der Woche terrorisiert sie Kollegen in einem Großraumbüro, optimiert deren Arbeitswelt und trinkt gern Wasser, das mit Sauerstoff angereichert wurde.
Am Wochenende hat ihr Langzeitpartner schon früh die „Bikes“ an das Heck des SUV gepackt und gemeinsam jammern sie sich zwei Stunden durch den Stau auf der A8, ehe sie dann – mit schon erheblichem Aggressionsspiegel – hinauf auf die Holzeralm, Wolfsschlucht oder ähnliches hecheln. Gern schreien sie sich noch an, weil ER nicht den richtigen Weg gefunden hat, oder SIE schon wieder wunde Stellen hat.
Begegnet diesem Pedalpower-Paar eine Gruppe Kinder, ein freilaufender Hund oder ein Rentner, wird geflucht, gebrüllt, wild gebremst und wüste Beleidigungen ausgestoßen. Da tankt der Bernd sich durch die Weissach Richtung Achenpaß. „Raumnahme“ statt Rücksichtnahme als Freizeitspaß.
Mountainbiker gehören nicht in den Wald
Es fehlt das Verständnis für die eigene Größe und Geschwindigkeit und das sich Hineindenken in andere, schwächere Menschen. Jetzt bin ich dran, denkt sich Bernd, der Biker im Bienenkostüm. Ja, werden jetzt viele Radler sagen, das sind doch nur Ausnahmen. Aber genau darum geht es. Was einst eine Ausnahme wie ein kleiner Schwarm Mücken war, ist nun schon längst eine Masse von Fliegen geworden, die gern am Wochenende oder an Feiertagen über die Wälder herfallen.
Eine Gruppe, die völlig selbstverständlich glaubt, dass man ihr Platz zu machen habe. Nun mag so mancher Sturz mentale Limitationen hervorgerufen haben. Doch für einen Gedanken müsste es reichen: Mountainbiker gehören nicht in den Wald. Wie auch Autos dort nicht hingehören. Warum nicht? Es ist ganz schlicht: Weil Wald das Gegenteil von Geschwindigkeit ist. Wald bedeutet Entschleunigung. Alles, was dem zuwider läuft, sollte da nicht hin.
Nur weil technisch etwas möglich ist, weil jemand etwas hat, was er gern ausprobieren möchte, muss die Gesellschaft das nicht akzeptieren. Der Porschefahrer scheitert an der Geschwindigkeitsbeschränkung, der Waffennarr am Gesetz. Der Vergleich hinkt nicht einmal. Denn sowohl Auftritt, wie auch Geschwindigkeit als auch die Wucht des Werkzeugs „Mountainbike“ ähneln zunehmend der Handhabung einer Waffe.
Es gibt Versuche, Refugien für diese Art des Stressabbaus aufzubauen. Es wird nicht helfen. Menschen mit dem „Unter’m Strich zähl’ ich“-Mantra werden das nicht akzeptieren.
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