Den nächsten Winter im Blick

25 Grad im Schatten. Die Sonne brennt vom Himmel. Alle liegen in Badesachen am See. Der Sommer ist da.

Doch zumindest einer ist jetzt schon mit dem kommenden Winter beschäftigt: Marcus Grausam aus Enterbach in Kreuth. Der Rodelbauer bereitet sich für die anstehende weiße Jahreszeit vor.

Marcus Grausam mit seinen fertigen Rodeln.

Überall in der Werkstatt liegen Holzstapel. Es ist Eschenholz, das von den Waldbauern in der Region kommt. „Das ist elastischer als alle anderen Holzarten“, berichtet Marcus Grausam. Bis vor Kurzem war der 37-Jährige noch Rennrodler bei der Nationalmannschaft. Jetzt hat er seine Karriere beendet. Die Erfolgsliste ist lang.

Anzeige

27 Jahre lang fuhr er in einem Höllentempo den Berg hinunter für den RC Kreuth. Auf den Weltcupsieg im Einsitzer in Liechtenstein ist er besonders stolz. Eigentlich wäre er jung genug, um noch ein paar Jahre den Hochleistungssport zu betreiben. Die ältesten Kollegen sind über 40.

Doch er mag nicht mehr. „Man kommt sonst zu nichts mehr“, so seine Begründung. Die vielen Trainings, das dauernde Unterwegs-Sein – Grausam hat sich entschieden, einen Schlussstrich zu ziehen unter seine Sportlerkarriere. Er hat sich etwas anderes aufgebaut, das seine Leidenschaft genauso anheizt – ab jetzt ist er nur noch „Rodelmacher“.

Das Label „Luge“ ist geboren

Bereits seit dem Jahr 2003 hat sich der gelernte Schreiner die Handwerksnische aufgebaut. Die Frage nach einer Alternative stellte sich, als die Schreinerei, in der er beschäftigt war, den Betrieb aufgab. Der Entschluss war schnell gefasst, sich beruflich zu verändern. Ab da wurde getüftelt. Grausam schaffte Maschinen an und arbeitete an der Umsetzung seiner Rodel.

Weil Rodel auf französisch „Luge“ heißt, war auch bald das Label geboren. Zumindest am Anfang habe der Name allerdings zu Missverständnissen geführt. Da „Luge“ kaum jemand kennt, riefen Kunden an und fragten nach Herrn Luge. Doch das hat sich mittlerweile gelegt. Übrigens ist Rodel nicht gleich Schlitten, erfahren wir bei unserem Besuch beim Rodelmacher. Die Erklärung: Ein Schlitten ist der mit den typischen „Holzlatten“, wo es immer so staubt vor lauter Schnee beim Runterfahren. Wogegen ein Rodel – durch die Elastizität – überhaupt erst lenkbar wird. Die aufgesetzten Metallkufen sind in einem genau definierten Winkel angebracht. Diese Konstruktion ermöglicht die exakte Steuerung.

Dabei, so Grausam, sei das Lenken „sehr einfach“. Wenn man in eine Rechtskurve fahren möchte, so drückt man nur den rechten Fuß gegen den Holm des Rodels. Gleichzeitig zieht man mit der linken Hand an der festen Schlaufe und damit die Innenkufe nach oben. Eine perfekte Kurvenfahrt werde – gute Bahnbeschaffenheit vorausgesetzt – so zum Kinderspiel.

Einer von Marcus Grausams Rodel auf dem Wallberg.
Einer von Marcus Grausams Rodeln auf dem Wallberg.

Heute geht jeder Handgriff von Marcus Grausam quasi wie von selbst. Nachdem das Eschenholz zwei Jahre lang luftgetrocknet ist, wird es geschnitten oder ausgefräst. Für die Kufen macht Grausam geleimte „Päckchen“ und spannt diese in eine Presse, damit sie die typische Rundung bekommen. Spätestens ab da hat jeder verstanden, dass Eschenholz wirklich elastisch sein muss, sonst würde es brechen.

Schritt für Schritt zum fertigen Rodel

Zahlreiche Arbeitsschritte sind notwendig vom bloßen Holz bis zum fertigen Rodel. Grausam ist den ganzen Sommer damit beschäftigt, die Teile für die Lieferungen zum Winter vorzubereiten. Kommen dann die Bestellungen, so muss er nur noch die vorbereiteten Einzelbestandteile zum Schlitten zusammenmontieren.

Die meisten Rodel liefert er an sportbegeisterte „Leute wie du und ich“, die entweder zu ihm nach Enterbach kommen oder in den Sportgeschäften der Region einkaufen. Auch einen Onlineshop hat er. Der trägt ihm beispielsweise Kunden bis Moskau zu. Dort hat eine Werbeagentur siebzig Rodel für einen Event bestellt. Solche Großaufträge sind keine Seltenheit, aber Grausam hat auch schon größere Stückzahlen bereitgestellt.

Verschiedene Ausführungen hat er in seiner Palette: den Einsitzer, der etwa acht Kilogramm wiegt. Daneben die Doppelsitzer, Kinderrodel oder auch extra stabile Rodel für Leute mit mehr Gewicht. Dieser ist nochmal mit Eisenplatten verstärkt. Das Gute daran ist: Grausams Rodel sind quasi „unkaputtbar“. Geht wirklich einmal was kaputt, so kann man zu ihm kommen und er tauscht das defekte Teil aus.

Von guten Wintern, in denen er mehr als 300 Rodel verkauft hat, und von schlechten Wintern erzählt Grausam. Beim Reden bereitet er die vorderen und hinteren Sitzböcke vor und denkt bestimmt schon mal über die neuesten Trendfarben für die Sitzdecke nach, um gut vorbereitet zu sein für den kommenden Winter.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner