Speerspitze für den Klimaschutz

Die Sensation von Paris ist perfekt: Ein neuer, verbindlicher Klimavertrag wurde von den Vertretern von 195 Ländern angenommen. Zeitgleich wächst auch im Tegernseer Tal ein neuer Hoffnungsträger für den Klimaschutz heran. Der „ATTEK“ kann auf die Unterstützung der Talbürgermeister bauen, sieht aber noch viel Arbeit vor sich. Die TS hat mit vier Experten hinter die Kulissen der Initiative geschaut.

v.l.n.r.: Der Wiesseer Bürgermeister Peter Höß, Gemeinderat Rolf Neresheimer, Bauamtsleiter Thomas Holzapfel und die neue ATTEK-Hoffnung Karl Schönbauer im Exklusiv-Gespräch mit der TS.
v.l.n.r.: Der Wiesseer Bürgermeister Peter Höß, Gemeinderat Rolf Neresheimer, Bauamtsleiter Thomas Holzapfel und die neue ATTEK-Hoffnung Karl Schönbauer im Exklusiv-Gespräch mit der TS.

Unter dem Namen „Arbeitskreis Tegernseer Tal, Energie und Klimaschutz“ (ATTEK) vereinen sich neuerdings die Ambitionen der Talgemeinden, langfristig von fossilen Energien Abstand zu gewinnen. Jede Kommune soll künftig Ideen und Projekte beisteuern. Dabei steht der ATTEK noch ganz am Anfang, erklärt der Wiesseer Gemeinderat Rolf Neresheimer (ranBW) im Gespräch mit der TS: „Viele Menschen haben sich mit dem Thema noch nicht befasst.“ Der studierte Wirtschaftsingenieur fungiert als Schnittstelle zwischen Gemeinderat und Arbeitskreis – so soll es in allen Talgemeinden sein.

Seit Jahren ist die Energiewende nun schon Thema in der regionalen Politik des Oberlands. Als Antreiber tritt vielerorts die Bürgerstiftung „Energiewende Oberland“ (EWO) auf, doch bislang reichte das nicht, um den Stein im Tegernseer Tal wirklich ins Rollen zu bringen. Für Aufbruchsstimmung sorgt nun endlich das ehrenamtliche Engagement von Karl Schönbauer (Wiesseer Block): „Das hat richtig Schwung reingebracht“, findet der Wiesseer Bürgermeister Peter Höß.

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Schönbauer lebt seit acht Jahren in Bad Wiessee und sagt: „Wir wollen das Rad nicht neu erfinden.“ Wichtig sei aber, das Vertrauen der Bürger in die kommunalen Verbände herzustellen, um sie so zur Mitarbeit zu bewegen. Häufig auftretende Missverständnisse müssten ausgeräumt werden. Zum Beispiel, dass durch die Abkehr von fossilen Trägern nicht die Gefahr bestehe, dass plötzlich nicht mehr genug Energie da ist, so Schönbauer.

Schritt eins: Daten sammeln für das “grüne Gewissen”

Mithilfe moderner Technologien soll die Energiewende nicht zur Belastung werden, sondern das „grüne Gewissen“ stärken. Statt einem unangenehmen Umbruch soll der Bürger Freude an der Energieeffizienz finden. Von diesem Ziel ist der ATTEK freilich noch weit entfernt. Als erstes müssen die Verantwortlichen einen Überblick gewinnen, wie die Talbürger energietechnisch ausgestattet sind und wo eventuell Potenzial für Auf- und Umrüstungen besteht. Dazu sollen bis Mitte des nächsten Jahres umfangreiche Energienutzungspläne erstellt werden. Ein Schülerprojekt soll bei der Datensammlung helfen.

Grundlage ist ein Fragebogen, den die Otterfinger Initiative „Agenda 21“ erstellt hat. Ein Treffen mit der Gruppe zum Austausch von Erfahrungen ist für Ende Januar geplant. In Bad Wiessee treibt unterdessen Bauamtsleiter Thomas Holzapfel den Wandel mit voran. Bauleit- und Flächennutzungspläne werden auf Energieeffizienz getrimmt, und auch im Rathaus läuft seit September eine neue, „zeitgemäße“ Anlage mit Gasheizung. Bürgermeister Höß stellt klar: „Wir sind noch nicht weg von fossilen Energien, aber haben sie schon deutlich reduziert.“ Schönbauer betont, dass die Alpenregion in puncto Energiebedarf ein Spezialfall ist:

Bei uns werden ganze Einfahrten mit Heizschläuchen unterlegt.

Gerade bei Neubauten sei es daher wichtig, auf Faktoren wie die Ausrichtung der Dächer zu achten, um Photovoltaik-Potenziale auszuschöpfen. Bei dichter Bebauung können zudem Hackschnitzelanlagen zur gemeinsamen Nutzung mehr Effizienz bringen. Höß pocht derweil darauf, die Wälder im Tal stärker in die Energiekonzepte einzubeziehen: „Gott sei Dank haben wir eine waldreiche Gegend, und dieser Rohstoff wächst nach.“ Doch bei der heimischen Wertschöpfung sieht der Bürgermeister Optimierungsbedarf: „Zu viel Holz wird nach Tirol gefahren.“

Bezahlt werden soll der energetische Wandel in Bad Wiessee vor allem aus Mitteln, die anderswo durch mehr Effizienz eingespart werden – auch finanziell ein nachhaltiges Konzept. Doch der ATTEK ist vor allem auf eines angewiesen: Engagement und Offenheit der Bevölkerung.

Daher werden die Strukturen nach dem Motto „flache Hierarchien“ und „bottom-up“ aufgebaut. Nach und nach soll der ATTEK sich etablieren, in stetiger Zusammenarbeit mit der EWO. Als Starthilfe geben Tegernsee, Rottach-Egern, Gmund und Bad Wiessee je 1.000 Euro für die Organisation des ATTEK, Kreuth will sich finanziell nur an gemeindeübergreifenden Aktivitäten beteiligen.

Solarenergie ist im Tegernseer Tal noch ausbaufähig.
Solarenergie ist im Tegernseer Tal noch ausbaufähig.

Die Talinitiative baut auch auf die Abstimmung mit dem Landratsamt und seiner Vertreterin in Umwelt- und Naturschutzfragen, Veronika Weber. Schönbauer sieht sie als zentrale Figur beim Aufbau des ATTEK – Weber ist auch Klimaschutzmanagerin von Gmund. Der Grundstein ist seit dem ersten ATTEK-Treffen vom 16.11. gelegt. Konkrete Maßnahmen und Projekte sind zu diesem Zeitpunkt von ATTEK aber noch nicht zu erwarten. Höß ist dennoch optimistisch:

Unter Umständen ergeben sich Synergien, von denen wir noch gar nichts wissen.

Auf den Klimagipfel in Paris angesprochen beweisen die vier Experten im Gespräch mit der TS ihre Fähigkeit zur Abstraktion: „Die Politik muss Richtlinien vorgeben und sauberer arbeiten, dann glaubt der Bürger auch daran“, findet Schönbauer. „Es gibt immer einen Spagat zwischen Arbeitsplätzen und Energie“, erinnert Neresheimer: „Unsere Generation ist nur ein kleiner Baustein in der Halbwertszeit.“ Im Erfolgsfall könne der am Samstag vorgestellte Klimavertrag eine „Signalwirkung in einer aufgerüttelten Welt“ haben.

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