Wie attraktiv ist das Tal für junge Leute

Das Tegernseer Tal gilt vielerorts als Anziehungspunkt für Senioren. Demografische Entwicklungen bleiben aktuell. Ist das Tal tatsächlich nur Heimat und Urlaubsort für die ältere Generation oder auch reizvoll für junge Leute? Redakteurin Nina Häußinger (24) hat sich aktuell informiert.

Hier haben die Schüler des Gymnasium Tegernsee die Möglichkeit gehabt, sich über regionale Unternehmen zu informieren
Hier hatten die Schüler des Gymnasiums Tegernsee die Möglichkeit, sich über regionale Unternehmen zu informieren.

Statistiken über die Altersverteilung am Tegernsee sollten Aufschluss darüber geben, wie es hier tatsächlich um den Jugendanteil bestellt ist. In Rottach-Egern lebten im Jahr 2011 genau 539 Personen zwischen 18 und 30 Jahren. Dagegen waren 3.075 Bürger über 50 Jahre alt. In Kreuth waren es 533 zwischen 18 und 30 Jahren und 1.714 „Ü50“.

Früher hingegen war diese Kluft bei weitem nicht so groß. So war das Verhältnis im Jahre 1970 in Rottach-Egern noch 888 zu 1.907 und im Jahr 1987 immerhin 929 zu 2.380. In Kreuth zeigt sich ein ähnliches Bild. Vor mehr als 40 Jahren lebten dort 572 junge Bürger gegenüber von 968 älteren Menschen. Im Jahr 1987 war das Verhältnis sogar 704 zu 1.164. Die demografische Entwicklung entwickelte sich im Tegernseer Tal also eindeutig in Richtung einer Abnahme an 18- bis 30-Jährigen.

Steht mit dieser „Stichprobe“ schon fest, dass die über 50-Jährigen die Orte rund um den See dominieren? Ob die Verteilung ungewöhnlich ist, lässt sich mit einem Vergleich zu einer anderen ländlichen Region belegen. Im Ort Altenkunstadt in Oberfranken sind im Jahr 2011 beispielsweise 709 Personen zwischen 18 und 30 und 3.195 Personen über 50 Jahren erfasst. Bei einer vergleichbaren Einwohnerzahl wie Rottach-Egern leben dort also rund 200 Jugendliche mehr als hierzulande. Auch der Vergleich mit anderen Regionen zeigt ein ähnliches Bild: Die Menschen im Tal sind älter.

Handwerker werden gesucht

Die Chancen, im Tal einen Job zu bekommen, sind trotzdem nicht schlecht. Im Tourismus werden immer Arbeitnehmer gesucht. Und auch für diejenigen, die einen Handwerksberuf ausüben möchten, eignet sich das Tegernseer Tal durchaus. Nach der Schule bietet sich eine Lehre an. Handwerker gibt es hier zahlreich und die Chance, eine Ausbildung zu machen, ergibt sich ebenso. Trotzdem suchen viele Betriebe in den letzten Jahren verzweifelt und umsonst nach Lehrlingen. Immer öfter bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt.

Wenn man jedoch studieren möchte oder in einem größeren Unternehmen mit Aufstiegschancen arbeiten will, verringern sich die Möglichkeiten am Tegernsee erwartungsgemäß deutlich. Und so ziehen junge Leute für ein Studium in die Stadt und bleiben auch in den darauffolgenden Jahren erst einmal dort, um die Chancen am Arbeitsmarkt zu nutzen und Berufserfahrung zu sammeln. „Landflucht“ nennt man dieses Problem.

Dabei braucht aber das Tegernseer Tal Akademiker. Arztpraxen, Lehrerstellen oder Architekturbüros wollen auch hier besetzt werden. Die große Masse kann dies jedoch nicht bedienen. Es fehlen in der Region große Arbeitgeber, die höherrangige und – hoffentlich auch – gut bezahlte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen könnten.

Finanzierbarkeit und Freizeitgestaltung

Gerade der finanzielle Aspekt ist in vielen Fällen ausschlaggebend dafür, dass junge Leute dem Tal den Rücken kehren. Wohnungen am Tegernsee sind nicht gerade günstig. Junge Leute und Familien, die auf eigenen Beinen stehen möchten, haben es nicht leicht, für die hohen Mietpreise aufzukommen. Kirchen und Gemeinden versuchen zwar schon seit Längerem, Einheimischenprogramme auf den Weg zu bringen, um dem Problem entgegenzuwirken. Bisher jedoch nur mit mäßigem Erfolg.

club rottach
Ausgehen im Tal – Möglichkeiten gibt es, vorausgesetzt, das nötige “Kleingeld” ist vorhanden.

Beim Thema Freizeitgestaltung scheiden sich die Geister. Trotzdem muss man sagen, dass es sicherlich Regionen gibt, in denen weniger geboten wird als im Tegernseer Tal. Die abendlichen „Ausgehmöglichkeiten“ beschränken sich zwar auf einige wenige Bars und Diskotheken, doch es gibt viele Restaurants, die man auch als junger Mensch besuchen kann. Zwar spielt auch hier die Kostenfrage ein große Rolle. An Freizeitaktivitäten wie Kino, Fitness oder Skifahren mangelt es im Großen und Ganzen aber nicht.

Was muss sich verändern?

Was ist also der Grund dafür, dass es offensichtlich immer weniger junge Leute hier am See hält? Ein Problem sind sicherlich die hohen Kosten in allen Lebensbereichen. Hier besteht, wenn man sich umhört, wahrscheinlich auch der größte Handlungsbedarf. Luxuswohnungen und Zweitwohnsitze sind gut für den Geldbeutel von Verkäufern und Maklern. Doch ohne Wohnraum für Durchschnittsverdiener, die sich ein Leben am Tegernsee leisten können, stirbt das Tal langsam aus.

Organisationen wie die Standortmarketinggesellschaft (SMG) aus Miesbach versuchen zwar, in ihren Förderprogrammen auch die Jugend vermehrt mit einzubeziehen. Im Sommer soll beispielsweise unter dem Motto “Ausbildungstour” wieder ein Bus eingesetzt werden, der es Haupt- und Realschülern ermöglicht, vier ausgewählte Unternehmen zu besuchen und so einen Einblick in verschiedene Branchen zu bekommen.

„Das soll den Übergang von Schule zu Wirtschaft erleichtern“, erklärt Regionalmanager Florian Brunner. Auch Ausbildungstage an verschiedenen Schulen sollen den Schulabgängern möglichst früh verschiedene Berufsmodelle nahebringen. So will man Möglichkeiten aufzeigen und die jungen Erwachsenen auch nachhaltig an die Region binden. Ob solche Maßnahmen allein jedoch die Trendwende bringen, darf bezweifelt werden.

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