Wie der Tourismus das Tal verändert

Der Tegernseer Tourismus befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Das haben wir in den beiden vergangenen Wochen festgestellt, als wir uns unter anderem mit den Veränderungen im Gastgewerbe beschäftigt haben.

Aber wie sehen die konkreten Herausforderungen der Zukunft aus? Bürger und Wirtschaft müssen sich auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen. Doch wer wird Nutznießer und wer Verlierer des „neuen Tourismus’“ am Tegernsee sein?

Wir wird der Tourismus das Tal verändern?
Wie wird der Tourismus das Tegernseer Tal verändern?

Wenn es um die möglichen Auswirkungen der geplanten Hotelprojekte auf das Tal geht, stellen sich viele Fragen: Wie wird das Gastgewerbe mit der neuen Konkurrenz umgehen müssen? Woher kommen all die Arbeitskräfte und wo sollen sie wohnen? Und: Wer profitiert eigentlich von all dem – und wer nicht?

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Keine Konkurrenz

Viele befürchten, dass sich die neuen großen Hotels gegenseitig die Gäste wegnehmen könnten. TTT-Geschäftsführer Georg Overs hält dagegen – alles eine Frage der Umsetzung: „Ein ‚ungesunder‘ Wettbewerb kann bei klarer Thematisierung beziehungsweise Spezialisierung von neuen Hotels weitestgehend ausgeschlossen werden. Im Gegenteil dazu ist eher eine wechselseitige ‚Befruchtung‘ denkbar und absehbar.“

SMG-Chef Alexander Schmid stimmt zu: „Niemand möchte in Hotels investieren, die nach dem Bau leer stehen. Viele der geplanten Hotels bedienen neue Zielgruppen, zum Beispiel das Aja-Hotel, das Almdorf oder das geplante Sporthotel in Bad Wiessee. In anderen Destinationen ist zu beobachten, dass sich auch bestehende Beherbergungsbetriebe positiv weiterentwickeln, wenn von außen neue Impulse gesetzt werden. Die Destination rückt insgesamt wieder in den Fokus der Erholungssuchenden.“

Für die großen, finanzstarken neuen Hotels mag das zutreffen – sie können ihren Schwerpunkt wählen, bevor es überhaupt losgeht. Wie die Konkurrenzsituation zwischen den Großen und den kleinen Privaten aussieht, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Zur Erinnerung: In den vergangenen drei Jahren haben Privatvermieter bei der Bettenzahl sowie bei der Anzahl der Betriebe rund ein Viertel verloren, während die großen Hotels nur einen leichten Rückgang beklagen. Vieles deutet darauf hin, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die Konkurrenzsituation ist für das Gastgewerbe also durchaus ein Thema.

Klar ist jetzt schon, dass das Gastgewerbe durch die neuen Hotels eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften entwickeln wird. Unklar ist dagegen, woher sie kommen und wo sie wohnen sollen. Standort-Experte Schmid warnt zunächst, den tatsächlichen Bedarf an Mitarbeitern auf keinen Fall zu unterschätzen: Durch den Strukturwandel fallen anderswo Stellen weg. Diese müsse man dann auffangen. „Ansonsten bestünde die Gefahr einer Abwärtsspirale, die durchaus auch in Bayern an anderen Tourismusstandorten festzustellen ist.“

Boarding-Häuser gegen Wohnungsnot

Die Touristiker hoffen natürlich, dass ein Großteil der Arbeitskräfte aus dem Tegernseer Tal und Umgebung kommen wird. Ob das reicht, darf jedoch bezweifelt werden. „Natürlich wird es auch einen Zuzug von außerhalb der Region geben.

Zur Unterbringung wäre beispielsweise die Errichtung von Boarding-Häusern denkbar, um den Arbeitskräften zumindest vorübergehend ein Zuhause bieten zu können. Hier sind einfach kreative Lösungen gefragt“, meint Schmid. Und auch bei der TTT schätzt man, dass das Thema Wohnraum(-mangel) im Zuge der Hotelgründungen eine neue Dimension bekommen könnte.

Denn günstiger Wohnraum ist im Tegernseer Tal schon heute Mangelware. Christina Paul betreibt Wohnraummanagement in München und im Tal. Die Konsequenzen der schwierigen Marktlage spürt sie schon jetzt. „Die Nachfrage ist extrem hoch. Inzwischen hat zum Beispiel die Überfahrt das Personalhaus zugemacht. Das Personal bekommt 150 Euro zum Wohnen – das reicht jetzt bei Weitem nicht mehr.“ Denn selbst bei kleinen Mieteinheiten sind die Preise bei neun bis zehn Euro pro Quadratmeter angekommen – für junge Leute von Außerhalb ist das schwer zu stemmen.

„Dabei steht bei uns ja im Prinzip genug leer. Ehemalige Hotels zum Beispiel eignen sich hervorragend dafür. Das Problem ist die Rechtslage: Vermieter sind bei uns rechtlich im Nachteil. Niemand will eine Wohnung vermieten, wenn er befürchten muss, dass er den Mieter nie wieder los wird”, so Paul. Sie schätzt, dass bei geänderter Rechtslage rund 20 Prozent mehr Wohnungen im Tal zur Verfügung stehen könnten.

Das ehemalige Hotel Lederer soll ein Personalhaus für die Überfahrt werden - das wollen zumindest die Eigentümer.
Im ehemaligen Hotel Lederer soll ein Personalhaus für die Überfahrt entstehen – das wollen zumindest die Eigentümer.

Im Gegenzug kommt – neben Arbeitsplätzen – vor allem eines in die Region: nämlich Geld. Doch da fragen sich viele, ob tatsächlich die lokale Wirtschaft oder letztlich doch nur die Investoren von den neuen Hotels profitieren. Georg Overs sieht es so:

Nach unseren Untersuchungen bleibt ein großer Teil des Geldes, das die Gäste im Tal ausgeben, der Region erhalten. Wir versuchen, diesen Effekt zu sichern und auszubauen, indem wir die Vermarktung regionaler Produkte unterstützen, z.B. Tegernseer Brauerei, Werteproduzenten, Tegernseer Punsch, Verwendung von GMUND-Papier, Verkauf regionaler Produkte in den Tourist-Informationen und im SERVUS.“

Alexander Schmid erinnert an dieser Stelle dennoch an das Interesse der Investoren: „Natürlich profitieren die Investoren – sonst würden sie nicht investieren. Aber auch das Tal im Allgemeinen wird profitieren. Nicht zuletzt bringen mehr Gäste auch den Gemeinden zusätzliche Einnahmen über Kurbeiträge und höhere Steuereinnahmen.“

Auswirkungen auf die Wirtschaft?

Bleibt die Frage, welche Folgeerscheinungen für die lokale Wirtschaft abzusehen sind: „Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden durch das DWIF München immer wieder für die Branche ermittelt. So gibt beispielsweise ein Hotelgast im Tegernseer Tal zirka 120 Euro pro Tag aus. Hiervon profitiert dann neben der Gastronomie und dem Einzelhandel letztlich auch das Handwerk, wenn die Aufträge in der Region bleiben“, erläutert TTT-Chef Overs.

Schmid ergänzt: „Mit den neuen Hotels wird auch die Zahl der Übernachtungen wieder steigen. Neue Zielgruppen werden angesprochen und über die Vermarktungskanäle der Hotels neue Gäste akquiriert. Deswegen werden Einzelhandel und Gastronomie ohne Zweifel von der Entwicklung profitieren. Natürlich steht es jedem Investor frei, welche Handwerker er für seine Aufträge einsetzt, aber auch hier werden sicherlich viele Aufträge in der Region bleiben.“

Die Realität sieht teilweise anders aus

So viel zur Theorie, denn hundertprozentig deckt sich die These mit den realen Erfahrungen der Handwerks- und Hotelbetriebe nicht. Tatsächlich werden Aufträge mal an Lokale, mal an Externe vergeben, wobei die Hotelbetreiber bemüht sind, regionalen Anbietern den Vorzug zu geben, wie Sven Scheerbarth erklärt. „Natürlich ist das unser Ansatz – wohlgemerkt gilt das genauso für Produkte und Dienstleistungen“, so der Direktor des Hotels Das Tegernsee.

Wie in allen Branchen üblich, vergeben auch Hotels ihre Aufträge per Ausschreibung, an der sich Lokale wie Externe gleichermaßen beteiligen können. Das Hotel sucht sich dann das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis heraus, wie Scheerbarth erklärt:

An erster Stelle unserer Auswahlkriterien steht, welche Firma unseren Leistungsanspruch am besten abbilden kann. Zweitens geht es uns um die Sicherheit, also zum Beispiel die Einhaltung von Terminen. Erst viel später kommt dann irgendwann das Thema Geld. Die Zeiten von Preis-Dumping nach dem Motto ‚Geiz ist geil‘ sind vorbei. Wir machen das mit Bedacht.

So habe Das Tegernsee etwa die Bauleitung zuletzt immer an einen lokalen Anbieter vergeben und damit „sehr gute Erfahrungen“ gemacht. Ähnlich setzt auch das Seehotel Überfahrt auf Regionalität – neben den Produkten für die Küche kommen auch Dienstleistungen aus dem Tal. „Vor allem bei Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten sind Unternehmen des Tegernseer Tals und der Umgebung ein unabdingbarer Partner“, berichtet der technische Leiter, Michael Bichler.

Das Problem: Die hiesigen Handwerksbetriebe sind alle gut mit Aufträgen versorgt, wie Sven Scheerbarth erklärt. „Da gibt es dann schon häufiger mal Kapazitätsengpässe.“ Da geht es der Überfahrt nicht anders: „Wie alle anderen Hotels haben wir bei Großprojekten Schwierigkeiten, die gesamte Nachfrage aufgrund von niedrigen Kapazitäten zu decken und sind daher gezwungen, auch außerhalb des Landkreises Unternehmen zu akquirieren.“

Große Bauvorhaben wie der Bau des Lanserhofs können nicht von lokalen Dienstleistern gebaut werden.
Große Bauvorhaben wie der Bau des Lanserhofs können nicht von lokalen Dienstleistern gebaut werden.

Grundsätzlich profitiert das Handwerk zwar immer von Neuerungen im Tal, besonders dann, wenn hochwertige Produkte gefragt sind, so der stellvertretende Kreishandwerksmeister Martin Heimgreiter. Doch je größer der Auftrag, desto unwahrscheinlicher ist es, dass lokale Betreiber ihn ausführen können. „Große Aufträge scheitern oft an der Kapazität der örtlichen Betriebe. In manchen Fällen erledigen die Betriebe einen Auftrag gemeinschaftlich. Das ist aber eher die Ausnahme“, erklärt Heimgreiter.

Für die Handwerksbetriebe ist vor allem die Dauer ein entscheidender Faktor. „Wir haben alle viel zu tun, das Geschäft vor Ort floriert. Wir wären blöd, wenn wir so einen großen Auftrag annehmen und dadurch unsere Stammkunden für ein halbes Jahr verprellen. Danach haben wir dann keine Arbeit mehr, das ist das Problem.“ Unterm Strich heißt das: nicht alle Betriebe wollen die großen Aufträge der Hotels. Und nicht alle, die wollen, haben genug Kapazität, um solche Aufträge zu erfüllen.

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