Bis 2023 solle Bayern barrierefrei sein, hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer Ende 2013 angekündigt und entsprechende Investitionen versprochen. Um ihn daran zu erinnern, demonstrierten heute Vormittag im Vorfeld der jährlichen Haushaltsklausur in St. Quirin die Behindertenbeauftragten der Landkreise – und stießen auf Gesprächsbereitschaft bei den Ministern.
Die jährliche Haushaltsklausur der Bayerischen Staatsregierung in Gmund nahmen die Behindertenbeauftragten zum Anlass, um mit einer friedlichen Demonstration vor dem Tagungsort die Bedeutung des Projekts „Bayern barrierefrei 2023“ zu unterstreichen. Zugleich wollten sie Ministerpräsident Horst Seehofer an die Einhaltung seines Versprechens erinnern.
Den Politikern „den Marsch geblasen“
„Wir wollen auch ein Stück vom Kuchen“, so ihr Motto, das eine große Papiertorte symbolisierte. Einige Unterstützer waren zu diesem Zweck eigens aus Weilheim, Fürstenfeldbruck und dem Raum Rosenheim gekommen. Die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Irmgard Badura, war aus Nürnberg angereist.
Obwohl die Minister mit über einer Stunde Verspätung eintrafen, war die Stimmung unter den Demonstranten gut. Mit Bannern und Bayern-Fähnchen warteten sie geduldig auf die Regierungsvertreter. Es waren in etwa so viele Pressevertreter vor Ort wie Demonstranten, darunter zahlreiche Körperbehinderte, also selbst Betroffene. Die Gmunder Blaskapelle spielte, um den Teilnehmern an der Klausur im positiven Sinne „den Marsch zu blasen“, was bei denen, die anhielten und ausstiegen, gut ankam.
Auch Emilia Müller, Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, schüttelte zahlreiche Hände und versicherte, sich in der Sitzung für Behindertenprojekte stark machen zu wollen. In Bayern sei man in puncto Barrierefreiheit gut aufgestellt, so Müller: „Wir fangen ja nicht bei null an. Weit über 90 Prozent der neu errichteten Gebäude sind bereits barrierefrei. Aber es gibt noch einiges zu tun und darum kümmern wir uns.“
Als Letzter traf Ministerpräsident Horst Seehofer ein. Auch er nahm sich Zeit, um die Anwesenden zu begrüßen und einige Worte zu wechseln. Zu Versprechungen wollte er sich aber offenbar nicht hinreißen lassen. „Jetzt schauen wir mal, was wir zusammenbringen“, wiegelte Seehofer ab. Auch zur Höhe des geplanten Investitionsvolumens für Behindertenprojekte wollte er sich nicht äußern:
Mir wäre es lieber, zunächst einmal zu schauen, wo wir Dinge anschieben müssen, und dann über Finanzen zu reden.
Anton Grafwallner, der Behindertenbeauftragte des Landkreises Miesbach, überreichte ihm und auch Ministerin Müller eine Schriftrolle mit der „Wolnzacher Erklärung“, die die Behindertenbeauftragte Irmgard Badura gemeinsam mit ihren Kollegen auf Kommunalebene anlässlich ihres Jahrestreffens 2014 verfasst hatte.
Diese sieht neben einer umfassenden Bestandsaufnahme auch echte Bürgerbeteiligung von Behinderten als „Experten“ vor. Außerdem wird gefordert, dass der Aktionsplan im Hinblick auf „Bayern barrierefrei 2023“ konkretisiert wird. Beim Einsatz von Haushaltsmitteln sollen zudem Inklusion und Barrierefreiheit vorrangig behandelt werden.
Initiatoren sind zufrieden
Nach ihren kurzen Gesprächen mit Horst Seehofer und Emilia Müller zog Badura ein positives Fazit: Seehofer habe ihrer Meinung nach sehr zuversichtlich geklungen, dass das Konzept in der Sitzung durchgehe. Auch ein Gespräch nach der Sommerpause sei angedacht. Doch Behindertenarbeit müsse nicht immer Geld kosten, erklärte sie, ebenso wichtig wie Investitionen in Projekte seien Information und Aufklärung:
Wie der Ministerpräsident es ja schon angedeutet hat, geht es hier nicht nur um finanzielle Aspekte, sondern auch um Bewusstseinsbildung.
Am Ende waren die Initiatoren der Demonstration zufrieden mit dem Verlauf ihrer Aktion. Herbert Sedlmeier, Landesvorsitzender der Vereinigung Kommunaler Interessenvertreter von Menschen mit Behinderungen in Bayern (VKIB), begrüßte besonders die Unterstützung durch die Medien vor Ort: „Dass Sie alle heute hier sind, zeigt auch, dass das Thema angenommen wird.“
Er hoffe, dass die Mittel für die angepeilte Barrierefreiheit eingeplant würden. Und wenn Bayern 2023 noch immer nicht barrierefrei ist? „Dann setzen wir eben auf 2033“, entgegnete Sedlmeier gelassen, der sich seit 35 Jahren in der Behindertenarbeit engagiert. „Hauptsache, das Thema geht nicht unter.“
Tal-Politiker bleiben fern
Doch einen Wermutstropfen gab es bei dieser Veranstaltung: Die politischen Vertreter im Tegernseer Tal glänzten durch Abwesenheit. Einzig der Wiesseer Gemeinderat Rolf Neresheimer (ranBW) war erschienen, um die Sache zu unterstützen. „Weil diese Menschen zu wenig Lobby haben“, so Neresheimer, „ist es wichtig, mehr Bewusstsein für die Belange behinderter Menschen zu schaffen.“
Bleibt zu hoffen, dass in dieser Sitzung tatsächlich Investitionen in sinnvolle Behindertenprojekte beschlossen werden und es nicht bei leeren Versprechungen bleibt.
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