Die Geschichte ist nicht neu – tausendfach wird in ganz Deutschland irgendwo irgendjemandem Unrecht getan. Ebenfalls nicht neu, ist die traurige Tatsache, dass bei bedrohlichen Situationen in der Öffentlichkeit die wenigsten helfen und die Mehrheit zuschaut. Neu ist jedoch, dass dies in der 17.000-Seelen-Gemeinde Holzkirchen passiert.
Laut Johann Brandhuber, Dienststellenleiter der Polizei Holzkirchen seien “Intoleranzen, gleich welcher Coleur”, wie er es vorsichtig nennt, in der Marktgemeinde “sehr selten” und begrenze sich meist auf einen bestimmten Personenkreis, der bereits polizeilich bekannt sei.
“Zwei von zehn sollten den Mund aufmachen”
Als die 17-jährige Somalierin gestern Mittag mit ihrem Baby im Lidl in Holzkirchen einkaufen war, ereignete sich auf dem gut gefüllten Parkplatz eine unschöne Szene: eine Kundin umkreiste die junge Mutter und den Kinderwagen mit dem Auto, beschimpfte sie aus dem Fahrzeug heraus und fuhr sie beinahe an. Die 17-Jährige musste immer wieder ausweichen, um nicht überfahren zu werden. Ein Kunde, der den Vorfall beobachtete, mischte sich ein und sprach die Kundin im Auto auf ihr Verhalten an. Die Autofahrerin fuhr daraufhin davon.
Ein Kunde von vielen – Die anderen schauten lieber weg. Ein allgemeines Problem, dass in unserer heutigen Gesellschaft immer wieder vorkomme, meint Claudia Mathà, Trägerin und Leitung der privaten Jugendhilfe-Einrichtung “Egalia” in Holzkirchen, in der die junge Somalierin mit ihrem Kind wohnt. Egalia bietet im Zentrum von Holzkirchen jungen Müttern ab 16 Jahren teilzeitbetreutes Wohnen in Wohngemeinschaften. Mathà macht klar:
Die junge Mutter hat mir den Vorfall gestern gleich erzählt. Der Lidl-Parkplatz war zur Mittagszeit wohl gut besucht. Viele Leute konnten die Szene beobachten. Einer, nur ein einziger hat geholfen. Ich kann schon verstehen, dass man beim einkaufen natürlich nicht plötzlich mit einer bedrohlichen Situation rechnet. Trotzdem sollten zumindest zwei von zehn Personen den Mund aufmachen. Aber genau das ist das Problem unserer Gesellschaft.
Laut Mathà haben die Anfeindungen wohl schon im Vorfeld, während dem Einkauf im Laden begonnen. So soll besagte Kundin die junge Mutter immer wieder beschimpft haben und mit dem Einkaufswagen gegen den Kinderwagen gefahren sein. Aus Sicht der Betreuerin habe die junge Mutter genau richtig reagiert, indem sie Eigeninitiative zeigte und den Vorfall sofort zur Anzeige brachte. “Jetzt müssen wir abwarten, ob besagte Kundin von der Polizei gefunden wird”, so Mathà.
Das ist wohl ziemlich bald der Fall. Wie Dienststellenleiter Brandhuber bestätigt, sei man auf einem “sehr guten Ermittlungsweg”. Finde man die Frau, so müssten die Beamten erst einmal deren konkreten Aussagen überprüfen, um entscheiden zu können, um welche Straftat es sich bei dem gestrigen Vorfall handelte. Brandhuber erklärt:
Allgemein gesprochen, geht es in solchen Fällen meist um Nötigung oder Beleidigung. Fallen jedoch konkrete Aussagen zur Hautfarbe oder ähnlichem, spricht man von fremdenfeindlicher Beleidigung/Nötigung. Und das wird wiederum ganz anders bewertet und gewichtet.
Dass es sich bei dem gestrigen Vorfall tatsächlich um Fremdenfeindlichkeit handelte wäre laut Brandhuber zwar wahrscheinlich, müsse jedoch erst konkret überprüft werden.
Laut Mathà gehe es der jungen Mutter gut. Auch die Betreuerin kann bestätigen, dass rassistische Angriffe in der Marktgemeinde bisher eher selten waren. Junge Frauen zu schützen sei in solchen Fällen nicht einfach, meint sie. Sie ist um mehr Aufklärung und Achtsamkeit bemüht und rät allen Frauen, bei derartigen Vorfällen sofort zu handeln und zur Polizei zu gehen.
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