Wo Chefsache noch Männersache ist

Der Landkreis Miesbach sucht nach neuen Mitarbeiterinnen. Dazu veröffentlicht er eine unterhaltsame Stellenanzeige auf Instagram, die vorgestern sicher prima gepasst hätte. Eine Zeitreise:

“Herzlich willkommen zu unserem heiteren Rückblick, „als Mutti noch wusste, wo die Küche ist und sich dort rund um die Uhr aufgehalten hat”. Heute also Werbefotos aus Deutschlands Verwaltung.

Was haben wir denn hier? Ah, eine Stellenanzeige für eine Position beim Landrat. Zeitlich würde sich die gut in die frühen Achtziger, für einige Regionen auch in die frühen Neunziger Jahre einordnen lassen; rein von der Bildsprache her, versteht sich. Auf jeden Fall letztes Jahrhundert. Schön, schön. Klare Positionierung. Gibt es ja nicht allzu häufig.

Anzeige

Einer sitzt, vier stehen. Fast wie bei einer Baustelle beim Straßenbauamt Rosenheim: Einer arbeitet, vier schauen zu. Hier ist es andersherum. Die Mädels sollen dann bitte arbeiten, der Chef möchte regieren. Der lacht auch fein dazu. Ein lachender Mensch – immer gut! Auch die Frauen lächeln.

In der Mitte der dienstbaren Geister der wohlmeinende Patriarch, einer, der auch mal auf Abteilungsfeiern “eine flotte Sohle aufs Parkett” legt. Der in trauter Runde Antworten auf Fragen gibt, die nie gestellt wurden. Wunderbar die Erzählung, die hier im Bild zu sehen ist: Man hört förmlich, was die Madeln sagen: “Schauen Sie, Herr Landrat, mit diesem neuen EDV-Gerät vor Ihnen, da müssen wir die Nachrichten nicht mehr ausdrucken. Die sind da drin.” Oder wie die Dame rechts zum äußersten Mittel einer Assistentin greift – zum Telefonhörer.

Auch das Wording der Anzeige (toll, in bunt) ist exzellent: ‘Chef-Sache’: Der Trennungsstrich soll die Botschaft verdeutlichen. Sie arbeiten dann ganz, ganz oben, beim Boss nämlich. Danach kommt nichts mehr. Endstation Teamassistentin.

Dafür am Puls der Zeit (vor der Wende) und der Macht (CSU bei 70 Prozent). Sie dürfen Unterschriftenmappen präsentieren, Kaffee (‘mit einem Sprutz Milch, bittschee”) bringen, und als Dank ein wohlwollendes Lächeln ernten; vom Chef höchstpersönlich. Zum 40-jährigen Dienstjubiläum gibt es einen Blumenstrauß und eine Chronik von Hausham. Wer konnte im letzten Jahrhundert so ein liebes Job-Angebot abschlagen?

Auch fein, und aus heutiger Sicht natürlich verstörend: die klare Konzentration auf ein Geschlecht, nämlich Frauen – im Subtext übrigens: junge Damen. Was wollte ein Landrat, irgendwo zwischen 1985 und 1989, auch mit einem Mann als Assistenten? Hätte sich bei seinen CSU-Spezis nur lächerlich gemacht. Oder schlimmer … gar … ein diverser Teamassistent*. Ja, wo kommen wir denn hin? Am Ende ins 21. Jahrhundert?!

Der Schreibtisch gefällt trotzdem, auch wenn das Wappen des Landkreises nicht mehr ganz zu erkennen ist. Schade. Schleiflack könnte helfen? Wird nicht günstig gewesen sein. Insgesamt ein schönes Zeitdokument aus einer vergangenen Zeit, das zum Träumen anregt. Schon schön, dass es so etwas noch gibt. Klare Geschlechterrollen, klare Arbeitsverteilung. Beruhigt einfach.

Und was kommt als Nächstes? Uiiii, …

2000 Fotos vom Bürgermeister auf einer Bank, vor Kindern, im Pool, ebenfalls mit Unterschriftmappen….? Im Hintergrund leuchtet sanft ein Regenbogen. Vielleicht das nächste Mal mit Heiligenschein für den Protagonisten? So, ganz zaghaft? Könnte doch hier funktonieren …

Die Kommentare auf Instagram hat der Landkreis Miesbach dann einschränken müssen. Fanden nicht alle so unterhaltsam. Wir schon.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Kolumne

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner