Denn er ist davon überzeugt, dass Holzkirchen vor intellektuell spannenden Aufgaben steht und ist nicht in die Politik gegangen, um zu schweigen. Wir haben ihn getroffen und gehört, was er zu sagen hat.
Holzkirchner Stimme: Sie sind neu im Holzkirchner Gemeinderat. Schon gespannt auf die Aufgabe?
Karl Bär: Ich freue mich drauf, dass es bald richtig losgeht. Ich stecke mitten in den Vorbereitungen und spreche mit meinen Kollegen aus der Fraktion ab, wer was macht. Ich mache Verkehrspolitik und freu mich drüber. Ich war auch in der Schulzeit schon dafür bekannt, dass ich von den Partys in Rottach mit dem Fahrrad heimgefahren bin.
Holzkirchner Stimme: Was sind die größten Herausforderungen für den Markt in der neuen Legislaturperiode?
Karl Bär: Eine der größten Sachen wird die Geothermie sein, weil es dabei einfach um eine Investitionssumme von über 70 Millionen Euro geht. Das stemmt auch eine relativ reiche Gemeinde wie Holzkirchen nicht einfach so aus der Westentasche, das wäre auch völlig vermessen. Es ist spannend, wie das weitergeht. Ich glaube jedenfalls, dass das ein lohnendes Projekt ist. Sofern das irgendwie machbar ist, sollte man es versuchen. Die Möglichkeit, dass man hier unter Umständen auf Dauer kommunal produzierten, sauberen Strom hat, ist genial.
Holzkirchner Stimme: Wie stehen Sie dazu, dass Holzkirchen immer größer wird?
Karl Bär: Mir stellt sich da die Frage, wie man es hinkriegt, dass Holzkirchen nicht immer weiter wächst, nur weil der Ort in der Vergangenheit ständig gewachsen ist. Mit Wachstum sind neue Ansprüche verbunden: Man braucht zum Beispiel bessere Infrastruktur, mehr Kindergärten, mehr Wohnungen. Ich sehe den Wachstum kritisch. Nicht nur aus einer ökologischen Perspektive: Wie kann man in einer endlichen Welt immer weiter wachsen? Sondern auch im Hinblick auf die einzelne Gemeinde: Wie nachhaltig ist das Wachstum? Ein neues Gewerbegebiet klingt für mich nicht nachhaltig. Letztlich müssen wir uns die Frage stellen: Wo wollen wir denn hin?
Holzkirchner Stimme: Wie sieht Ihre Lösung aus?
Karl Bär: Ich habe dafür noch keine Lösung parat. Deswegen sage ich: Es ist eine intellektuell spannende Aufgabe.
“Ich liebe die Moderne”
Holzkirchner Stimme: Aber warum genau klingt ein Gewerbegebiet für Sie nicht nachhaltig? Es hängen ja auch Arbeitsplätze dran, die Leute können also davon leben.
Karl Bär: Klar hängt am Gewerbe auch viel Wohlstand, deshalb klingt allein die Frage, wohin es gehen soll, für manche ketzerisch. Aber wollen wir noch ein Gewerbegebiet und dann noch eins und noch eins? Dann haben wir irgendwann alles zugebaut und versinken total im Verkehr. Denjenigen, der die Frage stellt anzugreifen ist vielleicht bequemer, als nach Antworten zu suchen, aber nachhaltig ist es nicht.
Holzkirchner Stimme: Sie sagen, wo wollen wir denn hin? Aber ist das nicht eine sehr regressive Haltung? Wohin wollen wir denn zurück?
Karl Bär: Ich will nicht zurück. Früher sind die Leute an den Masern gestorben und mussten den Beruf des Vaters lernen. Ich liebe die Moderne. Aber ich kann mir eine noch bessere Zukunft vorstellen. Wir könnten statt auf Wachstum auf Resilienz setzen. Das ist die Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren. Zur Zeit wechseln sich Boom und Krise immer wieder ab. Darauf gut vorbereitet zu sein könnte bald wertvoller werden als besonders groß zu sein. Es ist ja nicht einfach so, dass die Wirtschaft so brummt, weil wir wachsen, sondern auch umgekehrt: Wir können nur wachsen, weil die Wirtschaft brummt. Was passiert, wenn in Holzkirchen innerhalb von zwei Jahren ein großer Gewerbesteuerzahler weg bricht und die Grundstückspreise fallen, will sich momentan niemand vorstellen.
Holzkirchner Stimme: Was heißt das in der Konsequenz?
Karl Bär: Wir sollten versuchen, unseren Wohlstand besser zu nutzen. Früher ist mit Wirtschaftswachstum für viele Leute die Lebensqualität gestiegen. Zur Zeit stöhnen alle unter immer mehr Druck, von den Schülern bis ins Management. Ich habe mir nach dem Studium mit Absicht einen Beruf gesucht, in dem ich nur 32 Stunden arbeiten muss. So bleibt mehr Zeit für Ehrenämter und Politik. Und ich kenne sehr viele in meinem Alter, die das so machen.
“Holzkirchen hat eine geile Lage”
Holzkirchner Stimme: Ihre Zeit für politisches Engagement werden Sie viel in Holzkirchen verbringen. Was ist für Sie das Besondere an diesem Ort?
Karl Bär: Ich bin in Holzkirchen aufgewachsen, ich sehe sehr viel Bekanntes hier und treffe immer Leute, die ich kenne. Außerdem hat Holzkirchen eine geile Lage. Ein Durchfahrtsort zu sein ist nichts schlechtes – man muss es nur bewusst sein. In den letzten Jahren hat sich hier auch viel getan. Hier geht langsam mehr. Viele pendeln inzwischen nach Holzkirchen ein, das war früher nicht so. Da ist auf jeden Fall was passiert.
Holzkirchner Stimme: Sie sind also mit dem Markt heimatlich verbunden. Was liegt Ihnen hier besonders am Herzen?
Karl Bär: Mir liegen viele Kleinigkeiten am Herzen. Wie gesagt, ich kann mich gerade sehr für Verkehrspolitik begeistern. Wie lässt sich der Ort für Fahrradfahrer verbessern? Im Hinblick auf die Holzkirchner Jugend ließe sich auch einiges verbessern: Holzkirchen muss einen Ort für Jugendliche finden, und damit meine ich wirklich junge Leute, die sich in einer typischen Jugendsituation befinden. Die nicht mobil sind, nicht viel Geld haben und nicht mit der Perspektive leben, dauerhaft hier zu bleiben. „Nach dem Abi bin ich hier weg“, das denken sich doch viele junge Menschen.
Holzkirchner Stimme: Da wir gerade bei den guten Dingen sind: Worin sehen Sie das größte Potential für den Ort?
Karl Bär: Was mir hier sehr gefällt, ist, dass es hier eine recht aktive Bürgergesellschaft gibt. Die Leute beschäftigen sich ernsthaft mit politischen Themen, bringen sich ein. Hier herrscht ein großer Zusammenhalt auch über Parteigrenzen hinweg. Auch die Kultur im Oberbräu läuft sehr gut, was mich freut.
“Ich habe nicht vor, nichts zu sagen”
Holzkirchner Stimme: Sie sind einer der jüngsten Gemeinderäte und der Jüngste im Kreisrat. Wie wollen Sie frischen Wind in die Kommunalpolitik bringen?
Karl Bär: So jung bin ich auch wieder nicht mehr. Aber ich werde lieber als der junge Wilde bezeichnet als als total spießig durchzugehen. Ich habe auch nicht vor im Gemeinderat oder Kreistag zu sitzen und nichts zu sagen. Das gibt es ja auch. Aber wenn ich daran interessiert bin, etwas umzuwerfen, dann nur, weil ich das Alte für verbesserungswürdig halte.
Holzkirchner Stimme: Trotzdem, Sie senken den Altersdurchschnitt. Was kann denn nun die politische Jugend besser als die etablierten älteren Gemeinderäte?
Karl Bär: Man muss erstmal ganz viele Fragen stellen und das ist etwas sehr Produktives. Man lernt dadurch dazu. Wenn man nicht fragt, bleibt alles statisch. Und man sieht die Sachen anders, man weiß auch noch nicht, was alles unmöglich ist. Man kann also über das Unmögliche nachdenken. Außerdem ist meine Gesamtlebenssituation einfach anders. Es ist zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass man verheiratet ist. Selbst wenn man nicht in der Lebenssituation der Mehrheit ist, ist es auch wertvoll, diese andere Lebenssituation zu repräsentieren.
Holzkirchner Stimme: Was hat Sie ganz persönlich zur Politik gebracht?
Karl Bär: Da laufen zwei Stränge zusammen, die schließlich bei den Grünen münden. Zum einen bin ich ein ziemlicher Öko: Ich fahre mit dem Rad, gehe im Bioladen einkaufen und würde nie auf die Idee kommen, nach Berlin zu fliegen, ich nehme immer den Zug. Da ist also der Wunsch, die Natur zu verstehen und zu erhalten. Zum anderen habe ich schon in der Schulzeit eine ziemliche Außenseiterposition eingenommen. Ich habe mich nie als Teil der Mehrheit gefühlt. Du musst nur ein bisschen unkonventionell sein, schon hast du ein Problem. Mir sind also Minderheitenrechte sehr wichtig, die Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen.
Holzkirchner Stimme: Sie wollten eigentlich nach Berlin in die Bundespolitik. Traurig, dass es nicht geklappt hat?
Karl Bär: Klar hätte ich mich gefreut, wenn es geklappt hätte. Außerdem bin ich mit der Bundesregierung unzufrieden. Zum Beispiel kriegen die es nicht hin, zur Gentechnik ein klares Nein zu sagen. Aber ich hatte immer ausreichend viele Pläne B, C oder sogar D.
Holzkirchner Stimme: Während die Grünen auf Bundes- und Landesebene relativ blass bleiben, feiert die Partei auf Kreisebene große Erfolge. Miesbach stellt einen der beiden ersten grünen Landräte Deutschlands. Was läuft auf dem Land besser als im Bund?
Karl Bär: Das läuft hier total super grade. Der Miesbacher Kreisverband der Grünen ist sehr interessant: Wir schaffen es seit langer Zeit, unterschiedliche Leute zusammenzubringen und produktiv miteinander zu arbeiten. Wir führen keine parteiinternen Ideologiekämpfe. Auf Bundeseben gibt es das schon, die ständigen Flügelkämpfe.
Holzkirchner Stimme: Der Landkreis ist politisch weitestgehend schwarz. Auch Wolfgang Rzehak gilt als „dunkelgrün“ und sagt von sich selbst, er sei „kein Hardcore-Grüner“.
Karl Bär: Ich selber bin kein Dunkelgrüner, aber ich verspreche mir, dass es total genial wird. Ich will keinen linksradikalen Landrat haben. Es geht schon damit los, dass er nicht größenwahnsinnig wird, dass er einfach seinen Job gut machen will. Das will ich selber auch, meinen Job im Gemeinderat gut machen.
Holzkirchner Stimme: Und was versprechen Sie sich von seiner Amtszeit?
Karl Bär: Von Rzehak erhoffe ich mir beispielsweise, dass er die Interessen der Bio-Bauern stärker vertritt oder dass nicht ständig Gebiete aus dem Landschaftsschutzgebiet genommen werden. Bislang ging das sehr einfach und das kann es halt einfach nicht sein. Und mit einer neuen Person an der Spitze ändert sich auch Stimmung und die Art, wie man mit den Leuten umgeht.
Holzkirchner Stimme: Sie hoffen, dass mit dem neuen Landrat alles total genial wird. Aber ist so eine Verklärung nicht automatisch zur Enttäuschung verurteilt? Die Fallhöhe ist dann ja sehr groß.
Karl Bär: Momentan bin ich noch sehr begeistert davon, dass Miesbach jetzt einen Grünen Landrat hat und das darf ich auch sein. Es ist jetzt nicht mehr selbstverständlich, dass die CSU im Landkreis Miesbach bekommt, was sie will. Das verändert das Außen- und das Selbstbild des Landkreises und auch ganz konkret Kommunikationswege. Dafür muss und kann der neue Landrat nicht viel tun. Und wenn ich sage, dass er vor allem seinen Job gut machen wird, dann ist das noch keine Verklärung. Wir haben hier mehr als einen Ex-Landrat mit dem Ruf, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Da muss erst wieder ein Boden geschaffen werden, auf den der Beppo fallen könnte.
Holzkirchner Stimme: Die politische Zukunft liegt noch vor Ihnen. Wohin streben Sie?
Karl Bär: Ich habe mich jetzt erst einmal hier niedergelassen. Wenn mich meine Parteifreunde nochmal haben wollen, würde ich auch nochmal für den Bundestag kandidieren.
Holzkirchner Stimme: Herr Bär, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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