Zeuge wollte Schläger-Duo schützen

Eine Reinigungskraft wird am Holzkirchner Bahnhof schwer zusammengeschlagen. Ein 37-Jähriger beobachtet die Tat. Statt aber der Polizei die Wahrheit zu sagen, hielt er lieber zu den Schlägern. Jetzt sollte geklärt werden, warum.

An der Unterführung wurde im Juli eine reinigungskraft brutal zusammengeschlagen. Die Täter wurden mittlerweile verurteilt. Vor Gericht stand heute ein Zeuge, der bei der Polizei in der Sache gelogen hatte. / Archivbild

Im Juli vergangenen Jahres wurde eine Reinigungskraft am Holzkirchner Bahnhof brutal zusammengeschlagen. Er hatte ein paar Männer aufgefordert ihre leeren Flaschen wegzuräumen. Zwei von ihnen, mittlerweile verurteilte Brüder , rasteten daraufhin aus.

Die Folgen: Eine Platzwunde am Kopf, Blutergüsse und ein Bruch am Fuß, der mit insgesamt sieben Schrauben behandelt wurde. „Eine ist immer noch drin, eventuell muss ich noch einmal operiert werden“, sagte das Opfer bei der Verhandlung gegen die Brüder im Januar. „Bis heute kann ich nicht richtig arbeiten und bin immer wieder krankgeschrieben.“

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Hat der Zeuge gelogen?

Das Amtsgericht musste auf Videoaufzeichnungen von Sicherheitskameras und Zeugen, die über einen Aufruf in den Medien gefunden worden waren, zurückgreifen. Die Brüder wurden letztendlich zu elf Monaten Freiheitsstrafe bei dreijähriger Bewährungszeit verurteilt. Außerdem sollte der Geschädigte von jedem der Brüder 1.500 Euro Schmerzensgeld erhalten.

Heute nun waren alle Zeugen – insgesamt sieben – erneut geladen, auch der Geschädigte, der schon bei der vorherigen Verhandlung mit den Tränen gerungen hatte. Dem Holzkirchner sollte nachgewiesen werden, dass er bei der Polizei gelogen hatte und damit verhindern wollte, dass die beiden Brüder verurteilt wurden.

Verhandlung hinter geschlossenen Türen

Der Verteidiger des Angeklagten erbat jedoch gleich zu Beginn der Verhandlung ein Rechtsgespräch. So verließen alle bis auf Richter, Staatsanwalt und Verteidiger den Sitzungssaal. Nach gut 10-minütiger Pause wurde das Ergebnis verkündet.

Das Gericht hatte sich darauf geeinigt, bei einem Geständnis eine hohe Geldstrafe zu erteilen, aber von einer Freiheitsstrafe abzusehen. 160 bis 200 Tagessätze stellte Richter Walter Leitner in den Raum. „durch seine Vorgeschichte sieht mein Mandant die Polizei nicht unbedingt als Freund und Helfer“, erklärte der Verteidiger daraufhin im Einvernehmen mit seinem Mandanten. „Er hat aus missverstandener Loyalität die Schläger schützen wollen.“

Dann begann er den Auszug aus dem zentralen Bundesregister bezüglich des Beschuldigten Holzkirchners zu verlesen. 18 vorherige Verurteilungen, die zum Teil auch mehrere Straftaten abhandelten, fanden sich darin: Urkundenfälschung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Betrug und eine nahezu unzählbare Anzahl an Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Nur versuchte Strafvereitelung dank „glaubwürdigerer Zeugen“

Zeugen mussten dank des Geständnisses nicht mehr gehört werden, sodass der Staatsanwalt sein kurzes Plädoyer schnell halten konnte:

Ihr Geständnis ist mir viel wert. So haben sie nicht nur das Verfahren verkürzt, weil wir die Zeugen nicht befragen mussten. Sie haben auch dem Opfer eine erneute Aussage erspart.

Er forderte eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Euro. Der Verteidiger berief sich ebenfalls auf das vorhergegangene Rechtsgespräch und bat um eine milde Strafe. Richter Leitner folgte der Strafforderung der Staatsanwaltschaft. In seiner Urteilsbegründung erklärte er:

Ihr Glück ist, dass es bei einer versuchten Strafvereitelung geblieben ist. Die Brüder wurden verurteilt, weil es eine Videoaufzeichnung und ohnehin -mit Verlaub- glaubwürdigere Zeugen als sie selbst gab.

Zudem sei dem Angeklagten keinerlei Nutzen entstanden. Außerdem lobte Leitner, dass der Holzkirchner so vernünftig gewesen war, sich aus der Schlägerei herauszuhalten. Wie der Mann seine Strafe zahlen wird, ist allerdings ungewiss. Zurzeit wickelt er noch eine Privatinsolvenz ab.

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