Zoff um den Naturschutz im Landkreis

Einige bedrohte Tierarten sind aktuell in unseren Bergwäldern schwer auf der Balz aktiv. Nicht nur Menschen, auch Tiere sind beim Flirten und dem Paarungsakt lieber ungestört. Doch nach Meinung des Vereins „Wildes Bayern“ war das in diesem Jahr nicht möglich. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen den Forstbetrieb Schliersee.

Streitpunkt: Freiwillge Helfer des Bergwaldprojektes pflanzen neue Setzlinge der Weiß-Tanne dieser Tage im Wald bei Schliersee. / Bergweltprojekt

Der Mai ist bei Menschen und Tieren der Monat der großen Gefühle – der Liebe. Mit dem kleinen Unterschied, dass uns Zweibeinern die Fähigkeit verliehen wurde, unseren Nachwuchs ganzjährig zu erschaffen. Tieren bleibt da nur eine kurze Zeitspanne. Bei Vögeln nennt man das die Balz und direkt darauf folgt schnell die Brutzeit.

Für den Fortbestand der Arten ist es daher von besonderer Wichtigkeit, diese Zeit möglichst stressfrei und geschützt zu verbringen. Und um ein vielfaches wichtiger, wenn die betreffenden Tiere auf der Liste der bedrohten Arten stehen. So wie bei uns im Voralpenland die bedrohten Raufußhühner, wie Auer-, Birk- und Haselwild.

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Aktion des Rotary Clubs stört die Balz?

Daher lässt die Pressemeldung des Vereins „Wildes Bayern“ aufhorchen. Bei dem Verein sieht man diese Ruhe vor dem Menschen in der „sensiblen Phase der Brut- und Aufzuchtzeit“ durch eine Aktion in Bayrischzell akut bedroht. Dort haben Mitglieder des Rotary Clubs Oberbayern zusammen mit dem „Projekt Bergwald“ eine Aktion gestartet, bei der rund 100 Menschen in zwei Etappen etwa 3.300 Baumsetzlinge angepflanzt haben.

Auch wenn Dr. Christina Müller, Vorsitzende des Vereins „Wildes Bayern“, den Baumpflanzern grundsätzlich gute Absichten unterstellt, kritisiert sie die Aktion scharf, da sie die „wirklichen Bedürfnisse der Umwelt“ außer Acht lasse. Es greife empfindlich in den Brut- und Aufzuchtsprozess ein, wenn über 100 Personen in den Bereichen Traithen bei Bayrischzell und Wendelstein/Breitenstein Steige bauen, offene Flächen bepflanzen und Hochsitze aufstellen. Von Miller erklärt weiter:

Das klingt im ersten Moment vielleicht nach einem durchaus positiven Einsatz für die Umwelt und nennt sich auch so, nämlich „Bergwaldprojekt“ in Kooperation mit verschiedenen Rotary Clubs. […] Wer allerdings in dieser Zeit mit Menschengruppen in die Natur eingreift, macht eine Balz und Brut für die geschützten Arten unmöglich. Auch das Bepflanzen der Offenlandbiotope zerstört mehr, als es vielleicht scheint zu helfen, denn sie sind wichtig und besonders artenreich.

Bereits die erste Aktion dieser Art im April habe schon großen Schaden bei der Population angerichtet. Eine zweite, die aktuell vor Ort durchgeführt wird, werde irreparable Schäden für das Auerhuhn bedeuten, führt die Vorsitzende des Vereins aus.

Vorwürfe gegen Bayerische Staatsforsten

Verantwortlich für die Störung der bedrohten Tiere, so erklärt der Verein, sei in erster Linie der Bayerische Staatsforstbetrieb Schliersee, in dessen Zuständigkeitsbereich die Einsätze stattfinden. Dort scheine es „aber niemanden zu interessieren“. Das verurteilt der Verein „Wildes Bayern“, zumal das Naturschutzkonzept der Staatsforsten ausdrücklich vorschreibe, „Hiebs- beziehungsweise Durchforstungsmaßnahmen in der Brut- und Aufzuchtzeit des Auerwildes“ vermeiden.

Der Verein „Wildes Bayern“ stellt aber auch darüber hinaus die Gesamtaktion im Rahmen der Rettung der Bergwälder in Frage. Die Kritik des Vereins ist bei den Staatsforsten durchaus angekommen. Jörg Meyer, Leiter des Schlierseer Betriebes, bestätigt, in der vergangenen Woche eine Anfrage zu der Aktion in Bayrischzell erhalten zu haben. Allerdings weist Meyer die Vorwürfe zurück:

Wir kennen die sensiblen Bereiche, in denen das Auerhuhn brütet, sehr gut. Dabei hilft uns auch das regelmäßige Monitoring der Tiere.

Die Aktionen des Bergwald-Projektes und der Rotary Clubs haben nicht in diesen Gebieten stattgefunden, versichert Meyer. Weiter informiert der Leiter des Forstbetriebs, dass die gesamte „Bergwald-Schutzaktion“, die so seit einigen Jahren mit dem „Bergwaldprojekt“ stattfinde, im Vorfeld sowohl mit der Forstbehörde als auch mit der unteren Naturschutzbehörde geplant und abgesprochen wurde. Denn auch für die Bayerischen Staatsforsten sei der Schutz der bedrohten Populationen in den Wäldern sehr wichtig. Eine Fehlverhalten sieht Meyer definitiv nicht.

“Wir verfolgen das gleiche Ziel”

Doch will der Schlierseer Betrieb zusammen mit dem Landratsamt und dem zuständigen Forstamt die Maßnahme untersuchen. „Uns ist es wichtig, klarzustellen, dass wir im Sinne der Tiere und Pflanzen in unserem Bergwald handeln“, erklärt Meyer die Überprüfung. Es sei seiner Meinung nach nicht fair, wenn der Verein diese Vorwürfe einfach in einer Meldung an die Presse weitergibt. Meyer ergänzt:

Wir werden auf die Anfrage des Vereins antworten. Wir verfolgen das gleiche Ziel: Den Lebensraum von Fauna und Flora nachhaltig zu verbessern. Es ist schade, wenn wir da gegeneinander arbeiten.

Neben der Zerstörung der Bruträume stellen die Mitglieder des Vereins „Wildes Bayern“ auch den Gesamtsinn der Bergwaldaktion in der Meldung in Zweifel – unter anderem auch die Pflanzaktionen. Diese neu gepflanzten Bäumchen werden nach Angaben des Vereins den heißen Sommer hierzulande wohl kaum überstehen. Auch gegen diesen Vorwurf wehrt sich Meyer vehement:

Meine Kollegen und ich verfügen über langjährige Erfahrung mit dem Bergwald. In vielen Bereichen wachsen die Pflanzen gut an. Auch wenn es durchaus vorkommen kann, dass einige Setzlinge nicht überleben. Das ist aber kaum zu verhindern.

Die Natur sei nur in Grenzen vollständig berechenbar. Der Leiter des Forstbetriebs will aber den versteckten Vorwurf des Aktionismus nicht auf sich sitzen lassen: „Wir sind sehr darauf bedacht, den Bergwald zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften“, führt er aus. In diesem Zusammenhang lege man besonderen Wert auf die Erhaltung und den Ausbau der Lebensräume der Tiere und Pflanzen, die dort heimisch seien.

Wildes Bayern erstattet Anzeige

Das scheint der Verein „Wildes Bayern“ jedoch ganz anders zu sehen. Neben der Kritik an der aktuellen Aktion in Bayrischzell sieht der Verein weiteren dringenden Handlungsbedarf. Denn in diesem Frühjahr komme es zu „teils massiven Eingriffen“ im Staatsforstengebiet. Als Beispiel wird eine Holzschlägerung mittels Seilzugbringung im FFH-Gebiet Flyschberge (oberhalb von Bad Wiessee) mit hoher Lärmbelastung genannt.

„Auch hier brütet das Auerwild – oder besser, brütete, denn in diesem Jahr dürfte ihm das unmöglich gemacht sein. Harvester, Bagger und Häcksler röhren im Bergwald, sogar am Wochenende und gegebenenfalls auch morgens oder abends“, heißt es seitens des Vereins.

Der Bergwald ist in unserem Landkreis ein wichtiger Lebensraum für Flora und Fauna. Nur wie man diesen am nachhaltigsten schützt, steht noch zur Diskussion. / Quelle Wildes Bayern e.V.

„Das deutsche Naturschutzgesetz untersagt selbst jedem Kleingärtner, nach dem 1. März noch Hecken oder Bäume zu schneiden“, beklagen die Naturschützer, doch die Verantwortlichen für den Wald hielten sich nicht daran. Deshalb habe der Verein nun rechtliche Schritte gegen den Bayerischen Staatsforstenbetrieb Schliersee eingeleitet. Die Bergündung lautet:

Nachdem Wildes Bayern den Forstbetrieb Schliersee schon seit 2017 jährlich auf Überschreitungen dieser Vorschriften aufmerksam macht, haben wir Anzeige erstattet. Und diesmal werden wir dafür kämpfen, dass der Schaden an der Natur auch wirklich eingestellt und geahndet wird – dauerhaft und nicht nur bis zum nächsten Jahr.

In Schliersee ist man zwar nicht begeistert von dem Vorgehen des Vereins, sieht aber der Sache relativ gelassen entgegen, wie Meyer anführt: „Es ist schade, dass es so weit kommen musste, aber wir sind uns wirklich keiner Schuld bewusst“

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