Tauschen statt blechen

Eine pfiffige Idee geht bereits ins 15. Jahr: Hemden-Bügeln gegen Lampe montieren, Computerhilfe gegen Gartenarbeit, Fahrdienste gegen Rentenberatung. Die Tauschzeit Holzkirchen ist eine Form der Nachbarschaftshilfe, die auf ein wertvolles Gut setzt, nämlich Zeit. Fast alles ist möglich und kostet keinen Cent.

Geleistete Arbeitsstunden - hier Schreinerarbeit - ist die anerkannte Währung bei der Tauschzeit
Geleistete Arbeitsstunden – hier Schreinerarbeit – ist die anerkannte Währung bei der Tauschzeit

Heidi und Rainer Marquart sind seit 30 Jahren engagierte Holzkirchner, bekannt vom Bund Naturschutz oder vom Weltladen. Alternative Ideen haben es Ihnen offensichtlich angetan. So zündete bei ihnen auch die Idee der Tauschringe, die im Jahr 2000 von einer benachbarten Tölzer Initiative in der örtlichen Volkshochschule vorgestellt wurde.

Die Marquardts waren Gründungsmitglieder in Holzkirchen. Bis heute ist man mit den Tölzern und dem Tauschring Schlierachtal/Leitzachtal so gut verbandelt, dass die interne „Währung“ – geleistete Arbeitsstunden – problemlos anerkannt wird.

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Mitgliederzahl stagniert

Das Bestechende an der Tauschzeit ist, dass jeder Teilnehmer seine persönlichen Fähigkeiten einbringen und dafür Leistungen eines anderen Teilnehmers in Anspruch nehmen kann. Das funktioniert so: „Die Verrechnungseinheit ist die geleistete Zeit. Jede Tätigkeit wird gleich bewertet. Da man nicht vom jeweiligen Tauschpartner eine Gegenleistung erhält, sondern eine Gutschrift über die erbrachte Zeit bekommt, finden Tauschpartner leichter zusammen.“

Je mehr Teilnehmer es gibt, um so vielfältiger das Angebot. Das kann zur Krux werden. Denn derzeit gibt es in Holzkirchen zwar 90 Teilnehmer, davon allerdings lediglich 40 aktive. „Die Mitgliederzahlen stagnieren seit zwei, drei Jahren“, berichtet Heidi Marquardt: „Wir waren schon mal 120.“ Außerdem hätten viele Tauschpartner über Jahre mit ihren angebotenen Leistungen relativ fix zusammengefunden: „Wir lassen uns beispielsweise immer wieder mal bekochen!“ Man weiß halt, was funktioniert und bleibt dabei.

Die Sache mit dem Vertrauen

Dann ist der Drang zum Kennenlernen anderer Tauschpartner nicht so groß. Dennoch ist das persönliche Gegenüber wichtig: „Denn jeder Tausch basiert auf gegenseitigem Vertrauen.“ Für die Mitgründerin der Tauschzeit ist das kein Problem. Sie kennt bis auf zwei alle Teilnehmer persönlich:

Die meisten haben Plusstunden, ruhen sich also nicht im System aus.

Wer sich persönlich überzeugen möchte; die Tauschtreffen – an jedem zweiten Donnerstag im Monat, 19 Uhr, im Haus der Generationen – sind zum Netzwerken hervorragend geeignet.

Pflanzen sind jetzt im Frühling immer gern genommen
Pflanzen sind jetzt im Frühling immer gern genommen

Am stärksten nachgefragt sind „jede Art von Haushaltshilfe oder ganz gezielte Computer-Unterstützung“, weiß Heidi Marquardt. Aber auch kleinere Schreinerarbeiten, oder ein Informationsgespräch in Sachen Rente sind wertvolle Angebote. Exotischer ist dagegen „Kroatisch für Anfänger“, „Kleintierbetreuung“ oder „Begleitung in die Oper“.

Es können auch Gegenstände getauscht werden, deren Wert in Zeit verhandelt wird: „Jetzt im Frühjahr sind insbesondere Pflanzen beliebt.“ Im Herbst ist es Obst, im Winter könnten es Daxen oder ein Christbaum sein. Die Altersstruktur der Teilnehmer liegt bei „55 plus“, erläutert die Frau der ersten Stunde, wehrt sich aber gegen das Etikett: „Seniorentauschkreis“.

„Ich sehe die Zielgruppe eher bei Singles – einem Mann, der Umzugshilfe gegen Hemden-Bügeln tauscht, oder einer Frau, die Bürodienstleistung gegen Umzugshilfe anbietet.“ Denn auch die Teilnehmerstruktur ist im Fluss. „Erst waren es Frauen um die 50, dann junge Familien, jetzt kommen die Männer.“ Kinderbetreuung werde beispielweise seit dem gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz kaum mehr nachgefragt.

Kampf der Unverbindlichkeit

Wie auch viele andere Institutionen kämpfe die Initiative mit der zunehmenden Unverbindlichkeit von Zusagen. Heidi Marquart hatte erst kürzlich wieder eine Interessentin, die sich umfassend informiert und engagiert gezeigt hatte: „Und dann habe ich nichts mehr von ihr gehört.“ Man sollte sich schon klar werden, was man in so eine Initiative investieren möchte. Ein Extra Fragebogen auf der Website hilft dabei.

Wer im Winter einen Christbaum anzubieten hat, hat gute Chancen auf einen attraktiven Tausch
Wer im Winter einen Christbaum anzubieten hat, hat gute Chancen auf einen attraktiven Tausch

Wenn es losgehen soll: Teilnahmebogen ausfüllen und unterschreiben. Dann kann mit dem „Tauschheft“ als Kontobuch, den Angeboten aus der „tauschZEITung“ – oder dem Internet – kräftig losgetauscht werden. Kommt ein „Geschäft“ zustande, wird in den beiden Heften die Zeit eingetragen und durch Unterschrift gegenseitig bestätigt.

Eine pfiffige Idee, die jährlich lediglich eine Stunde Zeit kostet. Wer mäkelt da noch über sechs Euro Unkostenbeitrag.

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