54 Covid-Patienten sorgen für extreme Überlastung

Die Lage in Agatharied ist angespannt wie noch nie. Intensivbetten werden knapp und das Personal ist am Ende der Kräfte. Wer jetzt einen Notfall hat, kann gegebenenfalls nicht behandelt werden. Was können wir jetzt noch tun?

Es müssen mehr Kapazitäten geschaffen werden, um Intensivpatienten behandeln zu können.

Immer kritischer wird die Lage in bayerischen Krankenhäusern. Auch bei uns im Krankenhaus Agatharied leiden Ärzte wie Pfleger unter der extremen Situation. Julia Jäckel, Mitarbeiterin in der Unternehmenskommunikation, hat uns im Namen des Krankenhauses Auskunft gegeben – über die aktuelle Situation, die Patienten und die Lage der Angestellten.

Wie ist die Situation aktuell allgemein, gerade in Bezug auf die Bettenauslastung auf Intensiv- und Normalstation?

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Julia Jäckel: Die Situation ist extrem belastend. Die Intensivstation ist aktuell mit drei Covid-19-Patienten belegt (Anmerkung der Redaktion: Kurze Zeit vorher waren es fünf Patienten, dies ändert sich stündlich). Wie viele es morgen sein werden, ist nicht absehbar. Das ändert sich gerade von Tag zu Tag. Planbare stationäre Leistungen wurden bereits in den letzten Wochen gezielt zurückgefahren, weil die mit SARS-CoV2 infizierten Patienten immer mehr Kapazitäten gebunden haben.

So werden im Krankenhaus Agatharied inzwischen drei sogenannte Normalstationen ausschließlich für Covid-19-Patienten vorgehalten. Heute werden dort 46 Covid-19-Patienten behandelt.

Was passiert mit Unfallopfern, die akut intensivmedizinische Behandlung brauchen, wenn kein Bett mehr frei ist?

Jäckel: Die Notärzte versuchen, jeweils das Krankenhaus anzufahren, das noch über intensivmedizinische Kapazitäten verfügt. Sofern intensivpflichtige Patienten in unserem Krankenhaus angeliefert werden, obwohl kein Intensivbett verfügbar ist, werden diese Patienten so lange im Schockraum versorgt, bis ein Intensivplatz gefunden ist. Im besten Falle kann ein Intensivbett in unserem Haus, zum Beispiel durch Verlegung eines Patienten auf Normalstation, frei gemacht werden.

Jedoch müssen wir uns darauf gefasst machen, dass sich solche Situationen häufen werden. Deshalb stocken wir in unserem Krankenhaus gerade die Intensiv- und Beatmungskapazitäten auf. Dies geht jedoch zu Lasten des Betriebs der Operationssäle. Von den sieben OP-Sälen im Krankenhaus Agatharied betreiben wir aktuell noch fünf Säle, weitere Einschränkungen sind ab nächster Woche geplant, da das Personal dringend für den Einsatz an den Beatmungsbetten benötigt wird.

Wie groß ist der Anteil an Corona-Patienten, der die Überbelastung ausmacht?

Jäckel: Wir mussten unsere Gesamtkapazität massiv zurückfahren und haben alle stationären Leistungen, die sich medizinisch vertretbar verschieben lassen, hinten angestellt. Das bedeutet dann auch, dass andere Patienten, die einer stationären Behandlung bedürfen würden, keinen Platz im Krankenhaus finden und vertröstet werden müssen.

Neben der physischen Belastung durch das ständige Tragen von Schutzausrüstung und der Einhaltung besonderer Hygieneregeln bedeutet dies für die Mitarbeiter des Krankenhauses eine enorme psychische Belastung. Dies umso mehr, als ein großer Anteil der Corona- Patienten, die derzeit im Krankenhaus behandelt werden müssen, diese Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten verhindern können.

Jeder dieser Covid-Patienten trägt zu 100 Prozent zur Überbelastung des medizinischen Personals bei.

Wie viele dieser Patienten sind geimpft beziehungsweise ungeimpft?

Jäckel: In der Mehrzahl sind die Covid-19-Patienten, die zu uns kommen, ungeimpft. Heute waren es zum Beispiel 47 ungeimpfte von insgesamt 54 Covid-19-Patienten. Das sind immerhin 87 Prozent. Grundsätzlich sind diese Zahlen aber sehr dynamisch und auch das Verhältnis von ungeimpft versus geimpft ändert sich täglich. Die Frage nach der Impfung oder nicht muss immer differenziert betrachtet werden.

So wissen wir mittlerweile, dass eine Zweifach-Impfung, die über ein halbes Jahr her ist, keinen ausreichenden Immunschutz mehr bietet. Trotzdem gelten diese Patienten als geimpft. Vor allem, wenn es sich um ältere Personen handelt oder um Menschen mit Grunderkrankungen, ist die Gefahr für einen schweren Verlauf deutlich erhöht.

Wie oft konnten bisher Patienten aus Kapazitäten-Mangel nicht aufgenommen werden?

Jäckel: Leider passiert das immer wieder. Wir mussten sogar schon bis nach Karlsruhe verlegen, dabei handelte es sich zwar um eine besondere medizinische Indikation, wir rechnen aber damit, dass wir Patienten für eine lange Zeit nicht die medizinische Versorgung anbieten können, die sie eigentlich brauchen und damit die Patienten aus Kapazitätsgründen weiterschicken müssen. Dabei geht es im Übrigen selten um die Notfallversorgung, sondern vor allem um die stationäre Weiterbehandlung.

Wie extrem ist die Belastung aktuell für das Personal?

Jäckel: Die Situation ist für das Personal, insbesondere für das Pflegepersonal, extrem belastend. Das Klinikpersonal hat oft einen hohen ethischen Anspruch an die eigene Arbeit. Doch jetzt geht es im Vordergrund darum, überhaupt Patienten versorgen zu können. So bleibt die Zuwendung oft auf der Strecke.

Immer öfter ist zu hören, dass Patienten sich teils undankbar und misstrauisch gegenüber dem Personal verhalten – ist dies auch in Agatharied zu beobachten?

Jäckel: Leider beobachten auch wir, dass Gerüchte oder Fake-News in Bezug auf die Corona-Impfung oder etwa die Lage auf den Intensivstationen kursieren. Gerade für das medizinische Personal, das sich für das Überleben von Patienten einsetzt und täglich über seine Grenzen geht, egal ob es um Covid-19 oder einen anderen Notfall geht, ist das schwer zu ertragen.

Was möchten Sie den Bürgerinnern und Bürgern angesichts der Situation gerne mitgeben?

Jäckel: Jeder kann etwas dazu beitragen, diese Pandemie wieder in den Griff zu bekommen. Wir haben mit der Impfung ein gutes Mittel, die Pandemie zurückzudrängen. Wer bereits zweifach geimpft ist, sollte unbedingt über einen Booster, eine dritte Impfung nachdenken. Noch wichtiger sind natürlich diejenigen, die keine Erstimpfung haben. Nur, wenn wir die Impflücken schließen, haben wir überhaupt eine Chance, diese Pandemie zurückzudrängen.

Dahinter steht die einfache Logik, dass die zwischen Impfen oder nicht Impfen im schlimmsten Fall gleichbedeutend ist mit der Wahl, sich mit oder ohne Schutz zu infizieren.

Auch wenn die Impfung nicht sicher vor einer Infektion schützen kann, so schützt sie zu einem hohen Prozentsatz vor schweren Krankheitsverläufen und sie hilft auch dabei, Infektionen zu reduzieren.

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