Wie ein 70 jähriger-Rock´n´Roller das Wiesseer Kurorchester vermarktet

30 Jahre Konzertmeisterin beim Orchester Bad Wiessee: Sventha Danneberg wurde während eines Konzerts für ihre Arbeit geehrt. Für die Vermarktung ist seit kurzem Dr. Krahl-Urban zuständig.

Da treffen zwei Welten aufeinander, die verschiedener fast nicht sein könnten: Physik meets klassische Musik – oder der rheinländischer Karnevalist trifft auf urbayerische Traditionsmentalität.

Im Oktober 2010 übernahm Dr. Bernhard Krahl-Urban, der bis zu seiner Rente forschender Atomphysiker war, mit seiner Agentur “Events am Tegernsee” die Vermarktung des seit über 30 Jahren existierenden Kurorchesters Bad Wiessee. Seitdem ist gerade einmal ein halbes Jahr vergangen. Und schon heute tragen Dr. Krahl-Urbans neuen Denkansätze und kreative Ideen durchaus Früchte.

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Die Besucherzahlen konnten mehr als verdreifacht werden, die Gemeinde Bad Wiessee, als Auftraggeber, spart ein drittel der Kosten und in Zukunft sollen nicht mehr „nur“ Touristen dem „moderne Repertoire“ der Wiesseer Jazz Combo, des Salonquartetts und des Salonorchesters lauschen.

Wir trafen Dr. Bernhard Krahl-Urban zu einem Interview, in dem er nicht nur über das Orchester, sondern unter anderem auch über sein Verhältnis zu Wiessees Bürgermeister Peter Höß spricht und sich zu der Thematik Seepromenade äußert.

Tegernseer Stimme: Herr Dr. Krahl-Urban. Was verschlägt Sie an den Tegernsee?
Dr. Krahl-Urban: Schon meine Eltern hatten am Tegernsee eine Wohnung. Ursprünglich komme ich aus Köln. Vor acht Jahren bin ich an den Tegernsee nach Bad Wiessee gezogen.

Tegernseer Stimme: Welchen Bezug haben Sie zu Jazz bzw. zur klassischen Musik.
Krahl-Urban: Eigentlich nur einen rein privaten. Vor meiner Rente arbeitete ich als Physiker in einem Forschungszentrum. Dort war ich mit verschiedenen Projekten, beispielsweise mit der Forschung an erneuerbare Energien, betraut und kümmerte mich unter anderem 20 Jahre lang um die Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums.

Tegernseer Stimme: Und wie genau kommen Sie zu dem Vermarktungsengagement des Wiesseer Orchesters?
Krahl-Urban: Zusammen mit meiner Frau Ildikó, die Geige spielt und unterrichtet, besuchte ich ein Konzert des Kurorchesters, in dessen Anschluss mir einige Missstände und Probleme mitgeteilt wurden.

Tegernseer Stimme: Welche Probleme genau wurden dort an Sie herangetragen?
Krahl-Urban: Beispielsweise gab es keinen echten Ansprechpartner für die Musiker, obwohl schon vor meinem Engagement eine Agentur für die Vermarktung zuständig war.

Tegernseer Stimme: Ab Ende 2010 übertrug Ihnen dann die Gemeinde Bad Wiessee – auch mit Unterstützung der Musiker – die Vermarktungsaufgabe des Orchesters. Was waren Ihre ersten Maßnahmen. Wie packten Sie die Aufgabe an?
Krahl-Urban: Ich packte verschiedenste Dinge an. Zum Einen die Kommunikation mit den Musikern. Ab sofort wurden Informationen per Email ausgetauscht. Zum Anderen änderten wir den Namen von Kurorchester zu Salonorchester, was ein moderneres Image generiert und für höhere Attraktivität in der Wahrnehmung sorgt.

Außerdem musste ich feststellen, dass es bei Konzerten oft terminliche Überschneidungen mit dem örtlichen Spielmannszug und der Blasmusik oder anderen kulturelle Veranstaltungen im Tal gab. Bedenken Sie, dass dies auch eine Budgetfrage ist, denn jedes Konzert kostet Bad Wiessee als Auftraggeber des Orchesters Geld.

Tegernseer Stimme: Noch vor Jahren umfasste das Orchester 30 Musiker, die echte Angestellte der Gemeinde waren. Heute müssen die elf „Übriggebliebenen“ oft Nebenberufen nachgehen und werden rein nach der Anzahl der gespielten Konzerte bezahlt. Wie hoch ist denn die Gage je Auftritt?
Krahl-Urban: Alle Mitglieder des Salonorchesters und auch der Jazz Combo, die ursprünglich teilweise aus Ungarn, Polen, Schottland und Russland kommen, sind an ihren Instrumenten Profimusiker. Umgerechnet verdient jeder Musiker pro Konzert in etwa nur einen Euro pro Minute. Für das dargebotene Repertoire und das musikalische Können jedes Einzelnen steht diese Gage in keinem Verhältnis zu dem was hier geleistet wird.

Tegernseer Stimme: Bad Wiessees Bürgermeister Herr Peter Höß bezeichnete Sie persönlich zuletzt als Glücksfall für die Gemeinde und lobte die jüngsten Entwicklungen des Orchesters. Der Ort habe hier ein echtes Alleinstellungsmerkmal, ein drittel weniger Kosten und die Konzerte haben wieder deutlich mehr Zuhörer. Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Herrn Höß?
Krahl-Urban (lacht): Der eine oder andere kann sich vielleicht noch an die Bürgerversammlung im Gasthof zur Post erinnern, bei der das Orchester plötzlich hinter dem Vorhang erschien und Herrn Höß ins Wort spielte. Dass diese Aktion mit ihm abgesprochen war, glaubte damals und teilweise bis heute noch niemand. Nicht nur deswegen und aufgrund seiner Aufgeschlossenheit unseren Ideen gegenüber würde ich sagen ein gutes und freundschaftliches Verhältnis.

Tegernseer Stimme: Die Konzertsaison begann Anfang Mai und geht bis Ende September. Bei schönem Wetter finden die Auftritte am Pavillon an der Seepromenade statt, ansonsten im Haus des Gastes. Zwei heiße Pflaster in der Gemeindepolitik des Orts Bad Wiessee…
Krahl-Urban: Klar gibt es an der Seepromenade Verbesserungspotenzial. In Bezug auf Konzerte des Orchesters ist beispielsweise die Atmosphäre ganz und gar nicht ideal. Die Musiker spielen aus dem Pavillon heraus in den Rücken der Zuhörer, da diese in der Regel in Richtung des Sees sitzen und blicken.

Dort ist in naher Zukunft eine Lösung angedacht, die die Situation deutlich verbessert und nicht zuviel Geld kostet wird. Als Vision stelle ich mir eine echte Konzertmuschel vor, wo auch immer diese dann stehen würde. Auch fehlt meiner Meinung nach speziell für solche oder ähnliche Anlässe an der Seepromenade eine flexible Bewirtung.

Tegernseer Stimme: Wie sehen denn Ihre weiteren und zukünftigen Vermarktungsplanungen und –ziele für das Orchester aus?
Krahl-Urban: Das Ziel ist ganz klar: Das Orchester muss wieder mehr die Einheimischen ansprechen und diese für Orchestermusik begeistern – ohne natürlich die touristischen Gäste zu vernachlässigen. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Hierfür soll noch mehr moderne und neue Filmmusik mit in das Repertoire aufgenommen werden. Auch wollen wir die Konzerte in Zukunft moderieren, um so – neben der musikalischen Unterhaltung – einen Mehrwert für den Zuhörer zu schafften.

Zum Beispiel durch Geschichten rund um den See oder die Musiker. Nicht vergessen darf man die 2004 gegründete Jazz Combo, die tollen Swing und Latin spielt. Ab Juni immer montags begleitet die Combo die Gäste der Schifffahrt bei einer „Musikalische Willkommensfahrt auf dem Tegernsee“. Die Jazz Combo hat auch einen besonderen Auftritt in Kooperation mit einem Wiesseer Gästehaus geplant. Und sonst. Lassen Sie sich überraschen.

Herr Dr. Krahl-Urban. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die Zukunft.

Ein kleiner Überblick der Sommerkonzerte des Orchesters

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