86-Jähriger rast über Gehweg

Etwas schwerhörig, dafür aber auf einer etwas anderen Überholspur in Rottach-Egern unterwegs. Dabei wollte ein 86-jähriger Rentner aus Tegernsee doch einfach nur schnell was essen …

Obacht – auch andere ältere Modelle können den Gehweg kreuzen.

 

Am 2. Dezember vergangenen Jahres gegen 13.20 Uhr passierte es. Auf der südlichen Hauptstraße in Rottach-Egern musste eine Frau mit ihrem alten Mercedes kurz vor einer Ampel stoppen, weil ihr Fahrzeug eine Panne hatte. Hinter ihr hielten zwei weitere Fahrzeuge.

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Weil ein 86-jähriger Tegernseer den Stau umgehen wollte, fuhr er rechts auf den Gehweg, an den Fahrzeugen vorbei und drängte sich in die freie Lücke zwischen den ersten beiden Autos. Dabei streifte er das kaputte Auto der Frau und beschädigte deren Gummileiste an der Stoßstange. Er selbst verlor eine Radkappe und ging ins Restaurant Malerwinkel zum Essen. Dort fand ihn die Polizei.

Angeklagter hört schlecht

Weil er sich als Unfallbeteiligter unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte, stand der 86-Jährige heute vor Gericht. „Es tut mir leid, aber ich kann Sie akustisch ganz schlecht verstehen“, wiederholte er einige Male. „Entweder ist der Raum ungeeignet oder aber meine Ohren sind schlecht.“

Richter Walter Leitner fragte etwas lauter: „Wie lange wollen Sie denn noch Auto fahren? Bis Sie 100 Jahre alt sind?“ Der Angeklagte antwortete, er brauche seinen Führerschein beruflich und sei nicht gewillt, diesen abzugeben. Zumindest nicht, solange er noch seine eigene Firma hätte.

Rechtsanwalt stellt Befangenheitsantrag

Indes zweifelte Rechtsanwalt Max-Josef Hösl das Sachverständigen-Gutachten an. Es habe Mängel, weil es nicht den genauen Schaden des Autos darlege. Außerdem seien die „kollisionsbedingten Daten“ nicht ausgewertet, und der Unfallort nicht aufgesucht worden.

Er warf dem im Gerichtssaal anwesenden Sachverständigen vor, sich mit der Staatsanwaltschaft zu identifizieren und deren „Verurteilungsgehilfe“ zu sein. Das sei definitiv falsch, so der Gutachter. „Wir ermitteln in beide Richtungen und sehen nicht, dass die Staatsanwaltschaft jemanden verurteilen will – und wir ihr dabei helfen.“ Vielmehr beruhe sein Gutachten auf Crashversuchen sowie aus Videoaufnahmen und akustischen Auswertungen.

Verdacht auf Befangenheit abgelehnt

Leitner wies den Antrag auf „Verdacht der Befangenheit“ mit der Begründung ab, dass eine Parteilichkeit seitens des Sachverständigen nicht erkennbar sei. Auf den Vorschlag von Rechtsanwalt Hösl, den entstandenen Schaden in Höhe von 341,47 Euro an die Geschädigte sowie einen weiteren Betrag in die Staatskasse zu zahlen, machte die Staatsanwaltschaft einen Gegenvorschlag: 2.000 Euro plus Ausgleich an die Geschädigte.

Leitner wies darauf hin, dass der Angeklagte bereits einen Eintrag im Bundeszentralregister wegen „Unerlaubten Entfernens vom Unfallort“ habe und schon einmal zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Einvernehmlich einigte man sich schließlich darauf, das Verfahren vorläufig einzustellen und den Angeklagten zur Zahlung von 2.000 Euro innerhalb eines Monats zu verpflichten. Damit es zu keiner Doppelzahlung durch die Versicherung komme, wurde auf die Zahlung an die Geschädigte verzichtet.

“Was flüstern Sie denn so?” fragte der Angeklagte. “Was Sie als Flüstern interpretieren ist normales Sprechen”, entgegnete der Richter noch, bevor sich die Tür zum Gerichtssaal wieder schloss.

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