Erinnerung hat kein Verfallsdatum

Morgen ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Zeit, sich zu erinnern und Verantwortung zu übernehmen.

Gepäck von ermordeten Juden in Auschwitz. / Quelle: Museum Auschwitz-Birkenau

In ihrer Rede zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus sprach sich Landtagspräsidentin Ilse Aigner gegen jede Form von Menschenverachtung, Muslimfeindlichkeit oder Antiziganismus aus. Aigner betonte eindringlich: “In einem ideologischen System kann jeder morgen der „andere“ sein – der „falsch“ aussieht, „falsch“ glaubt oder „falsch“ liebt. Demokraten müssen immer hinsehen, wenn Menschen verachtet werden. Da gibt es kein Zuwarten: Nie wieder ist jetzt!”

Vor 76 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Soldaten befreit. Der Horror, den sie dort vorfinden, raubt der Welt bis heute den Atem. Über eine Million Menschen wurden allein in Auschwitz zwischen 1942 und 1945 ermordet. Heute steht das Konzentrationslager als Mahnmal für den beispiellosen Vernichtungswillen der Nazis.

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern wir uns an die 5,6 bis 6,3 Millionen ermordeten Juden und Jüdinnen, an die Millionen verschleppten Slawen und Slawinnen, an die Zwangsarbeiter, die getöteten Homosexuellen und die vernichteten Kranken und Menschen mit Behinderung sowie an alle Menschen, die von der nationalsozialistischen Ideologie zu Feinden erklärt wurden. Sie dürfen niemals vergessen werden.

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Gleichzeitig denken wir an die mutigen Männer und Frauen, die Widerstand leisteten; Schutzsuchende versteckten und Hilfe gewährten. In Deutschland wurde der Gedenktag durch Bundespräsident Roman Herzog 1996 eingeführt. Bei der Kundgebung erklärte der CDU-Politiker: “Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“

Menschen, die gehört werden müssen

Jakow Wintschenko war einer der Soldaten der Roten Armee, die das Vernichtungslager am 27. Januar 1945 befreiten. Das Internationale Auschwitz Komitee zitiert ihn folgend: “Es war kein Wachtraum, ein lebender Toter stand mir gegenüber. Hinter ihm waren im nebligen Dunkel Dutzende anderer Schattenwesen zu erahnen, lebende Skelette. Die Luft roch unerträglich nach Exkrementen und verbranntem Fleisch. Ich bekam Angst, mich anzustecken, und war versucht wegzulaufen. Und ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ein Kamerad sagte mir, wir seien in Auschwitz. Es war uns klar, dass etwas Schreckliches über diesem Ort lag: Wir fragten uns, wozu all die Baracken, die Schornsteine und die Räume mit den Duschen gedient hatten, die einen seltsamen Geruch verströmten.”

Ich dachte an ein paar Tausend Tote – nicht an Zyklon B und das Ende der Menschlichkeit.

Noach Flug wurde 1944 in die Konzentrationslager Auschwitz, Groß-Rosen und Mauthausen deportiert. Flug überlebte; bevor er 2011 starb, war er Präsident des Internationalen Auschwitz Komitee. In seiner Rede aus dem Jahre 2010, zum zehnjährigen Bestehen der Stiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft”, sprach Flug: “Die Erinnerung ist wie das Wasser: Sie ist lebensnotwendig und sie sucht sich ihre eigenen Wege in neue Räume und zu anderen Menschen. Sie ist immer konkret: Sie hat Gesichter vor Augen, und Orte, Gerüche und Geräusche. Sie hat kein Verfallsdatum und sie ist nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet zu erklären.”

Auch deshalb wollen wir als Opfer und sollen wir als Opfer nicht vergessen werden. Auch die heutige und die zukünftige Welt müssen wissen, wie das Unrecht, die Sklaverei der Zwangsarbeit und der Massenmord organisiert wurden und wer die Verantwortlichen dafür waren.

“Dies soll immer wieder dokumentiert und den jungen Menschen erklärt werden: Zur Erinnerung an uns und unsere ermordeten Angehörigen und zu ihrem Schutz in ihrer Zukunft. Diese Erinnerung an unser Leid und an die Verbrechen der Nationalsozialisten soll deshalb auch zukünftig das wesentliche Anliegen der Stiftung sein und ein zentraler Aspekt der großen Menschenrechtsdebatte, die weltweit geführt wird.”

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