Leidecker und die Ernst Tengelmann GmbH dürfen in Tegernsee bauen. Das Almdorf ist bald ein Planungsfossil aus einem anderen Jahrzehnt mit einer bewegten Geschichte. Wir haben den Rathaus-Chef von Tegernsee unter anderem gefragt, was passiert, wenn da oben doch nichts vorangeht?
Der Blick von dort oben ist grandios. Unten liegt der Hangort, davor der See in seiner ganzen Pracht. Im Rücken dann der Tegernseer Hausberg, die Neureuth. Schon schön da oben. Da will man doch als Gast gern sein. Deswegen beschäftigte das Almdorf 2012 erstmals den Stadtrat. Das alte Café Bergschwalbe der Familie Berghammer wurde abgerissen. Die Fläche musste aus dem Landschaftsschutzgebiet herausgenommen werden.
Seit 2016 hat die Ernst Tengelmann GmbH als „Vorhabenträger“, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt, die Baugenehmigung in der Tasche. Heißt: Rainer Leidecker und sein Geschäftspartner Ernst Tengelmann bekamen in Erbpacht das Grundstück und suchten fortan nach Investoren, die dort oben ein sogenanntes „Almdorf“ errichten und betreiben sollten. Es wurde ein langer Kampf um Abstandsflächen, Größen und Ausgestaltung. Immer wieder kamen und gingen zum Teil namhafte Investoren wie Michael Käfer. Zehn Alm-Gebäude, 64 Betten auf 45.000 Quadratmeter.
Was so lange dauerte, waren insgesamt vier Tekturen. Ein Wort, welches alle naselang in Ratssitzungen fällt, den meisten aber kein Begriff ist: Eine Tektur ist, grob gesagt, eine Änderung in einem ursprünglichen Bauplan. Oder wie es im Gesetz so hübsch heißt: “Mit dem Begriff der Tektur- oder Nachtragsgenehmigung bezeichnet die Baupraxis üblicherweise eine Genehmigung für geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens, die sich während des Genehmigungsverfahrens oder nach Erteilung der Genehmigung ergeben haben bzw. ergeben.”
Geändert wurde in den Jahren nach 2012 immer wieder. Mal ging es um Abstandsflächen, mal um Zimmerzahlen oder Anbauten. Zuletzt hatte der Stadtrat im Juni 2023 Änderungswünsche durchgewunken. Dann hatte das Landratsamt, als Genehmigungsbehörde, eingegriffen: Zu viele Änderungen – das gehe nicht. Jetzt also der vierte Tektur-Antrag, der nahezu dem Zustand vor der dritten Änderung entspricht. Letzten Dienstag winkte der Stadtrat Tegernsee mit drei Gegenstimmen (zwei Grüne, eine SPD) das Projekt endgültig durch. Es kann endlich dort oben gebaut werden.
Es handle sich bauplanungstechnisch um eine „Rolle rückwärts“ so der Bürgermeister der Stadt Tegernsee, Johannes Hagn. Ob und wann losgelegt werden kann, blieb in der Sitzung offen. Es gäbe eine Frist bis zum Sommer 2024, erklärte Baumamtsleiterin Bettina Koch, Detailfragen seien im Durchführungsvertrag zwischen Leidecker/Tengelmann und der Stadt vereinbart worden. Nichts für die Öffentlichkeit. Aber was, wenn da oben keiner mehr ein Hotel bauen will? Was passiert, wenn der Investor nicht loslegt? Wird dann renaturiert?
Wir haben Johannes Hagn zu den Hintergründen befragt:
TS: Johannes Hagn, Sie haben in der letzten Sitzung des Stadtrats betont, dass mit Ihnen eine Möglichkeit der Umwandlung der Hotelanlagen in Eigentumswohnungen nicht stattfinden wird. Wie wird das verwaltungs- oder vertragstechnisch garantiert?
Durch den Bebauungsplan wird die Nutzung öffentlich-rechtlich fixiert. Nur diese ist möglich. Im Durchführungsvertrag wird dies zusätzlich festgeschrieben.
TS: Kann ein zukünftiger Stadtrat so eine Blockierung wieder aufheben? Was bedarf es dazu? Kann das Landratsamt Sie bzw. den aktuellen Stadtrat zu dieser Frage überstimmen?
Ein zukünftiger Stadtrat könnte dies zwar ändern, müsste hierzu aber den B-Plan ändern. Dieses Verfahren wäre für die aktuellen Änderungen (3. Tektur) ebenfalls nötig gewesen, wurde aber als zu aufwändig abgelehnt. Im B-Planverfahren kann die Stadt im Rahmen der gesetzlichen Grenzen seinen Willen festschreiben. Das Landratsamt kann als Träger der öffentlichen Belange gehört werden, hat als Denkmal- und Naturschutzbehörde auch Einflussmöglichkeiten, letztlich kann man die Stadt nicht überstimmen.
TS: Noch ist dort oben nichts bewegt worden. Sie haben in der Stadtratssitzung von Vertragsdetails zum Baubeginn gesprochen. Dennoch stellt sich die Frage: Wie sieht das Prozedere bei einer Nicht-Einhaltung der Frist aus?
Wenn alle Fristen ablaufen, greifen die Verzugsstrafen. Diese werden im Durchführungsvertrag geregelt. Allerdings ist es in aller Interesse, dass frühzeitig eine Regelung zum weiteren Vorgehen getroffen wird.
TS: Wird das Gelände dann renaturiert? Wird einfach ein neuer Bauantrag eingereicht, bleibt das unbebaute Grundstück einfach als Asset liegen, bis sich eine bessere Zeit, ein besserer Investor findet?
Nachdem es sich um ein Grundstück im Außenbereich handelt, muss in jedem Fall ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden (siehe oben). Maßgeblich sind also die Fristen des Bebauungsplans, da dieser Grundlage des Baurechts darstellt.
TS: Schön ist das nicht für die Stadt?
Wir haben im Übrigen sehr viele Grundstücke in Tegernsee, die teils schon vor Jahrzehnten spekulativ gekauft wurden, ohne dass Baurecht für Wohnbebauung entstanden wäre. Ich sehe also keinen Grund, warum das dann bei diesem Grundstück anders sein sollte.
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