Dürfen die unser Wasser wegnehmen, die Münchner? Die Debatte gehört zur hiesigen Folklore wie die Hagelfliegerei. Viel Gefühl, wenig Kenntnis. In Bad Wiessee wollte man es gestern genau wissen …
Rainer List steht wenige Monate vor seiner Rente. Aber das Thema Wasserversorgung ist dem Ingenieur aus Weyarn immer noch eine Herzensangelegenheit. Aber warum ist der Mann an diesem Abend anwesend? Vor anderthalb Jahren tingelte, Andreas Hallmannsecker, Vorsitzender des Vereins “Unser Wasser” durch die Gemeinde und warb für seine Sache.
Die Stadtwerke München bedrohen unsere Zukunft, nehmen uns das Wasser und bedrängen örtliche Bauern mit ihren Restriktionen. Damals entschied der Wiesseer Gemeinderat und Bürgermeister Robert Kühn nach Hallmannseckers Vortrag, auch der Gegenseite Gehör zu verschaffen. Man wolle sich ein umfängliches Bild machen”, so Robert Kühn auch gestern zu Beginn des Vortrags von Rainer List in der Gemeinderatssitzung in Bad Wiessee.
Wasser für die Metropole aus dem Mangfall-Tal
List ist für die Wasserversorgung der Stadt München verantwortlich. Und die Metropole braucht das Wasser aus dem Mangfall-Tal. Sonst wird es für mehr als 1,6 Millionen Menschen eng mit der lebenswichtigen Ressource. Seit 1883 verbinden kilometerlange Leitungen aus Thalham die Landeshauptstadt. Seit jeher werden Flächen im Trinkwassereinzugsgebiet von der SWM aufgekauft und verpachtet.
Die Landwirte dort, erklärte List, verpflichten sich, die Flächen nach ökologischen Richtlinien zu bewirtschaften. Durch die Wasserschutzinitiative der SWM ist dort das größte zusammenhängende ökologisch bewirtschaftete Gebiet der Bundesrepublik entstanden. Im Ergebnis ist das Münchner Trinkwasser von gleichbleibend guter Qualität.
List ging bewusst nicht auf die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Landkreis Miesbach und der SWM um die Altrechte ein, sondern beschrieb die Gewinnungsformen und die damit verbundenen Auflagen sowohl für die SWM als auch für die Anwohner. List bestritt gar nicht, dass München durstig ist: “Eine Person verbraucht
in München durchschnittlich rund 127 Liter Wasser am Tag – jeden Tag, Jahr für Jahr.” Und natürlich wird der Bedarf durch die Bevölkerungszunahme steigen. “Bis 2040 sind wir sicher”, sagt List. Danach müssten zusätzliche Gewinnungsgebiete gefunden, jenseits des Landkreis Miesbach.
Fragen, Fragen, Fragen
Schon während des Vortrags tauchten im Gremium Fragen auf. Alois Fichtner, Landwirt aus Holz, wies auf die Einschränkungen für die Bauernkollegen hin. “Wie ist es mit dem Bauen von Ställen und Anbauten?“, wollte er wissen. Der SWM-Vertreter wich dem indirekten Vorwurf nicht aus. Die SWM fördere rund 170 Ökobauern in der Region jedes Jahr mit 1,2 Millionen Euro – seit Jahrzehnten. Er verzichtete allerdings auch auf die nicht unwichtige Tatsache, dass die Landwirte, die sich gegen die Ausweisung des Wasserschutzgebiets stemmen, weiterhin diese Förderung beziehen.
Von diesen 170 Ökobauern gehen aktuell überhaupt nur zwei gegen die SWM vor. List wies auch den Vorwurf zurück, er wolle mit der zusätzlichen Ausweisung der Schutzgebiete nicht nur die Qualität des Wassers sichern, sondern mehr Wasser fördern und mehr Geld somit verdienen. “Seit über 150 Jahren fließt aus den Hängen die immer gleiche Menge”, da hat sich nie etwas geändert, wir saugen auch da nichts heraus. Das läuft uns entgegen.
Geo-Risiken
Dr. Isabell Dörder von der SPD wollte wissen, ob sich durch die Entnahme Geo-Risiken ergäbe. List verneinte das und verwies auf eine Vielzahl von Untersuchungen im Gelände der Gewinnung. “Wir haben das mit allen uns technisch zur Verfügung gestellten Möglichkeiten untersucht. Da bricht nichts ein, rutscht oder fällt zusammen.“, betonte er. Mit einer betont sachlichen Art ging er auch immer wieder auf die Sorgen der anwesenden Landwirte ein. Einschränkungen haben vor allem ökologisch wirtschaftende Landwirte (Aktualisierung, 25.03.24). Sie sind aufgrund ihres Ökovertrages an Auflagen gebunden. Konventionelle wirtschaftende Landwirte haben diese Auflagen nicht. Einige Beispiele:
- In den Wassergewinnungsgebieten dürfen z.B. keinerlei chemisch-synthetische Dünge- oder Pflanzenschutzmittel verwendet werden.
- Ausschließlich betriebseigene Naturdünger, boden- und pflanzenverträglich aufbereitet, dürfen genutzt werden. Gülle aus konventioneller Tierhaltung ist verboten. Düngehöchstmengen sind flächenbezogen festgelegt.
- Durch ein Limit für den Futtermittelzukauf wird der Viehbesatz auf 1,4 bis 2,0 GV/ha reduziert, Massentierhaltung mit der Folge eines übermäßigen Anfalls an Gewässer gefährdenden Exkrementen ist damit ausgeschlossen, alle Tiere werden artgerecht gehalten.
- Darüber hinaus wurden die Standorte aller Gewinnungsanlagen als Wasserschutzgebiete ausgewiesen. Der Wald wie der auf dem Taubenberg bei Warngau liegt z. B. in den Gewinnungsgebieten und wird von der städtischen Forstverwaltung im Auftrag der SWM bewirtschaftet. Mehr als 1.500 ha neue Waldflächen sollten zu einem ausgewogenen Wasserhaushalt im Trinkwassereinzugsgebiet beitragen.
- Dafür ist dieses Gebiet eben auch Deutschland größtes, zusammenhängendes Gebiet mit ökologischer Landwirtschaft – finanziert von Münchens nach Wasser gierenden Menschen. Rainer List hat einer unnötig emotionalen und polarisierten Debatte mit seinem Vortrag schlichte Fakten hinzugefügt. Auch List gibt zu, dass sich durch Klimawandel und Bevölkerungszuwachs Rahmenbedingungen ändern werden. Aber mit einem ‘Hier wir – und ihr dort’-Kirchturmdenken werden wir solche Zukunftsaufgaben nicht lösen. Nicht nur beim Wasser sitzen wir in unserer Heimat in einem Boot.
Wer sich ein Gesamtbild machen will, hier die Links zum Verein “Mein Wasser” und der SWM.
Korrektur 25.03.24 (16.00 Uhr)
In einer ersten Fassung haben wir die Auflagen allen Landwirten zugeschrieben. Die genannten Punkte betreffen aber nur ökologisch wirtschaftende Bauern und Bäuerinnen.
SOCIAL MEDIA SEITEN