Weiden, Wasser und Willkür?

Es betrifft nicht das Tal. Aber dennoch wird der Streit um die Schutzzonen für das Trinkwasser der Münchner mit zunehmender Härte geführt. Warum ist das so? Wir haben einmal nachgehakt.

Das Wasser im Mangfalltal sorgt jetzt für große Diskussionen / Martin Calsow

Wasser ist Emotion. Neben sauberer Luft gibt es wenig, was für uns ebenso existenziell ist. Wenn also die fernen Münchner unser Wasser unter unseren Füßen nehmen, dann kann man eine wunderbare Geschichte daraus stricken. Und so gehen die Stories:

Als dieses Land noch von einem König regiert wurde, suchte die Stadt München saubere Wasserquellen, fand sie im Mangfalltal. Sie kaufte das Land, damit auf dem Boden keine Verschmutzungsrisiken für das Wasser entstehen konnten und baute Leitungen. Bis heute nimmt sie das Wasser für ihre stetig wachsende Bevölkerung. Zahlt nichts. Nimmt. Und das für immer. Das ist doch ungerecht. Sagen die einen.

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Das ist Recht. Sagen die anderen. Wir haben das Land gekauft. Wir hatten das Recht, das Wasser zu entnehmen. Es ist auf bzw. unter unserem Grund. Recht. Nutzung, nur weil sie vor über 110 Jahren abgeschlossen wurde, gilt eben. Mehr noch: Das gilt für immer. Auch das aktuelle Wassergesetz hält die Altrechte aufrecht. Sagen die anderen.

Seit Jahrzehnten läuft die Story so

Die einen meinen: Wenn Bauern nicht mehr auf ihrem Land Mist und Gülle ausfahren dürfen, sinkt der Wert ihrer Grundstücke, ist ihre Existenz bedroht. Und München? Wird größer, verbraucht mehr und nimmt mehr. Und irgendwann ist nichts mehr da.

Die bekommen Geld und Flächen. Und nur sehr wenige beklagen sich. Sagen die aus der Stadt.
Seit Jahrzehnten läuft die Story so. Seit Jahrzehnten zucken die Münchener die Schultern und verweisen auf ihr Recht. Seit Jahrzehnten verstehen einige Oberlandler nicht, warum sich weder die Regierung noch ihre Landräte gegen diese Regelung aus der Zeit der Monarchie einsetzen. Warum nicht neue Verträge aufgesetzt werden.

Dann ist da die andere Erzählung: Wir sind die Guten, weil wir das Wasser schützen. Die tumben Oberlandler wollen mit ihrer Jauche unser Wasser verdrecken. Wir sind die Guten, weil wir Schutzzonen ausweisen. Wie oft wollt ihr noch abgekochtes Wasser trinken, weil eure Quellen verdrecken?

Schauen wir uns einige Vorwürfe einmal genauer an:

Die Stadtwerke München (SWM) erweitern ihre Schutzzonen. Klar, die Stadt wächst ja rasant. Machen die nur, um mehr Wasser aus den unseren Böden zu ziehen?

Stimmt nicht, sagt die SWM. Und selbst der Gegner glaubt das nicht. Der Verein „Unser Wasser“ führt aber Gefahren für die Gesamtwasserqualität und Menge durch den Klimawandel an: „Wenn Gletscher abgeschmolzen sind und ihr Schmelzwasser nicht mehr regelmäßig dem Grundwasserfluss zugeführt wird, wenn Starkregenereignisse zunehmen und der Niederschlag nicht mehr langsam und kontinuierlich zum Grundwasser absickert sondern oberflächig abfließt, und wenn Überschwemmungsereignisse viel häufiger als bisher die Schützbarkeit der Münchner Trinkwasserfassungen in unserem Landkreis durch Verkeimung oberflächennaher Sammelstollen in Frage stellt, dann müssen Regelungen für die Ableitung von Wasser nach München getroffen werden, die auch die Interessen des Landkreises Miesbach und seiner Bewohner berücksichtigen.“ Das hat aber mit der Menge erst einmal nichts zu tun, ist nur eine Vermutung und Prophezeiung.

München entnimmt, zahlt uns aber nichts.

Stimmt. In Bayern ist das so üblich. Die Entnahme von Wasser ist immer kostenfrei. Ist aber kein gottgegebenes Urteil und politisch änderbar.

München nimmt unser Wasser und verdient daran.

Die SWM entnimmt und verkauft kostendeckend. Zumindest sagen sie das. Sollte jemand (Brüssel, neue Regierung etc.) auf die Idee kommen, die Stadtwerke zu privatisieren, hat das Landratsamt in diesem Jahr mit einem Bescheid klargestellt, „dass eine Entnahme zu kommerziellen Zwecken nicht von den Altrechten gedeckt“ sei.

Fraglich ist, ob so ein Bescheid aus dem Landratsamt Miesbach gegen Forderungen von deutlich höheren Stellen in der Zukunft wirksam bleibt. Wie schnell kommunaler und staatlicher Besitz verkauft werden kann, sieht man beim Verkauf der GBW-Wohnungsbaugesellschaft.

Wir haben im Landkreis Miesbach den höchsten Anteil an Biolandwirten in ganz Bayern. Und ausgerechnet die trifft diese Neu-Ausweisung der Schutzzonen. Das ist nicht gerecht.

Zuerst einmal: Von den rund 300 Bio-Bauern im Landkreis sind rund 30 im geplanten Schutzgebiet ansässig. Vermutlich aber sind lediglich zwei Bauern mit der Neuregelung nicht einverstanden, eine Gutsbesitzerin aus Schleswig-Holstein stammend, und Alois Fuchs. Die dürfen auf bestimmten Zonen nun aufgrund der Nähe zu den Quellen weder Mist, Gülle noch Jauche ausführen und auch nicht beweiden. Zudem gibt es erhebliche Beschränkungen bei dem Bau von z. B. Kellern und Wegen.

Die SWM entschädigt aber über 150 Bauern dafür mit, wie man hört, erheblichen Zahlungen für alle Nachteile, die sie wegen der Wasserschutzzonen haben. Wie hoch die für die einzelnen Bauern wie Fuchs wirklich sind, wollen beide Seiten nicht verraten. Hinzu kommt aber natürlich der Wertverlust des Landes, der wegen der Nutzungsbeschränkung erheblich sein kann.

Das alles ist ja Behördenwillkür. So plakatieren und klagen Banner des Wasservereins im Landkreis.

„Ja, stimmt“, schreibt Norbert Kerkel, der Vorsitzende des Wasservereins und verweist auf den DUDEN, wonach „Willkür bedeutet, die eigenen Interessen unter Missachtung geltender Gesetze durchgesetzt werden…. Willkür sei es, wenn Landrat Rzehak untätig bleibt und an übergeordnete Behörden verweist. Willkür sei es, Argumente der des begünstigten Wasserversorgers gegenüber den Betroffenen ungleich gewertet werden.“ Das Wort ist ein schwerer Vorwurf. Es impliziert, Duden hin oder her, nicht ein Vergehen, sondern eine Straftat. Nämlich Rechtsbeugung. Ein Landrat, der willkürlich handelt, wäre nicht tragbar.

Der Verein „Unser Wasser“ hat nur vordergründig das Ziel, Rechte von Bauern und anderen Mitbürgern zu schützen. Ihm geht es vornehmlich darum, den grünen Landrat in die Knie zu zwingen. Kerkel dazu: “Der Verein „Unser Wasser“ wurde 2008 gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten auch Mitglieder der CSU. Dennoch handelte es sich schon damals erklärtermaßen um einen parteiübergreifenden Zusammenschluss. Der damalige Landrat gehörte der CSU an. Schon damals wurde Druck auf den Landrat ausgeübt, damit er seine passive, hinhaltende Politik zugunsten einer aktiven Beförderung der Interessen des Landkreises und seiner Bürger in der Wasserfrage aufgibt.“

Und: „Wer unterstellt, es handle sich beim Einsatz des Vereins „Unser Wasser“ um „Spielchen“, muss sich dem Vorwurf stellen, selbst hochpolemisch eine Existenzfrage des Landkreises und vieler seiner Bewohner herunterzuspielen und diejenigen, die sich für die Landkreisinteressen engagieren, in ein schlechtes Licht zu rücken.”

Fakt ist:

Norbert Kerkel war bei der Wahl zum Landrat Wolfgang Rzehaks unterlegener Gegenkandidat. Gisela Hölscher, ebenfalls aktiv für den Verein, kandidierte erfolglos für die Freien Wähler bei der vergangenen Landtagswahl. Die jetzige Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern würde sicher eine zweite Amtszeit von Rzehak kaum wollen.

Dazu würden eigentümliche Auffälligkeiten der Landtagspräsidentin und stellvertretende CSU-Parteichefin Ilse Aigner in einer Talkshow des BR passen, wie auch die nach außen hin extrem harsch wirkende Kritik am Landrat durch die Miesbacher Bürgermeisterin Ingrid Pongratz, die so zur Amtszeit des CSU-Landrats Jakob Kreidl nicht zu hören war.

Die Münchner sollen ihr Wasser woanders holen, in der Schotterebene zum Beispiel oder im Forstenrieder Park.

Der Verein: „Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass im Falle einer verknappten Wasserdargebots die ansässigen Bürger und Kommunen Vorrang haben müssen und dass die SWM in diesem Fall auf ihre nicht unerheblichen Reserven in anderen Gebieten zurückgreifen muss.“

Das Landratsamt sagt dazu: „Laut den Fachbehörden reichen die Wasservorkommen in der Schotterebene nicht aus, um dauerhaft auf eine der beiden Anlagen wie die in Reisach und Gotzing verzichten zu können, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.“

Am Ende wird es nur einen Gewinner geben

Letztlich ist dies nur ein Auszug aus dem Potpourri der Vorwürfe und Gegenvorwürfe. Richtig ist: Jahrelang wurde das Thema von einem FW-Landrat zu einem CSU-Landrat als heißes Eisen weitergereicht. Keiner wollte der eigenen Bevölkerung reinen Wein einschenken. Dann kam der Grüne Wolfgang Rzehak und nahm sich des Themas an, merkte augenscheinlich zu spät, welche Sprengkraft es auch für ihn persönlich hatte. Man kann auch sagen: Er lief ins offene Messer.

Denn in den letzten Monaten wurde aus diesem Disput um Wasser und Rechte, um Sauberkeit und Existenzsicherung eine Farce auf dem Niveau des Königlich-Bayerischen Amtsgerichts. Maßgeblich dazu beigetragen hat eine von der Initiative „Heimatwasser“ beauftragte Anwaltskanzlei aus München. Sie hat Anhörungen in Miesbach zu skurrilen Juristen-Shows werden lassen, dem Landrat Befangenheit unterstellt, weil er in seinem bisherigen Arbeitsleben in der Münchner Bußgeldstelle tätig war und somit eine Nähe zu Münchner Interessen hätte. Da wurde Mitarbeitern Befangenheit unterstellt, weil sie lächelten, weil sie mit Vertretern der SWM in der Pause der Anhörung sprachen. Da wurde selbst über das Mobiliar gestritten.

Am Ende wird es nur einen Gewinner geben – wie immer, wenn zwei sich öffentlich so streiten: Die Anwälte, die, wie man hört, diese Show so schon in anderen Landkreisen abgezogen haben. Die wirken ein wenig wie die berüchtigten Heuschrecken der Abmahnkanzleien. Zurück bleiben aber beschädigte Ämter, Misstrauen und Politikverdrossenheit. Hilfreich wäre eine Rückkehr zur sachlichen Sprache. Aber in diesen Zeiten?

 

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