Neue Argumente für den Bau
Kommt der Kreuther Radweg doch?

Am Dienstag versammelten sich in Kreuth – trotz Sommerpause – Gemeinderäte und Initiatoren aus Kreuth. Grund: Der umstrittene Radweg zwischen Kreuth-Ortsmitte und Stuben.

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Vor allem Schotterfans freuen sich über den Weg. Foto: Redaktion

Vordergründig ging es nur um die Asphaltierung eines mehrere Kilometer langen Schotterweges in Kreuth. Der Bund stellt den Ländern für den Ausbau von Radwegen ordentlich Geld zur Verfügung. Im Fall Kreuth würde das Straßenbauamt (ausführende Behörde) die Gesamtkosten für den Ausbau, also die Aufrüstung des Wegs, die Instandsetzung bestehender Brücken sowie das Auftragen von Asphalt. Kostenvolumen für die Behörde zwischen 3 und 3,4 Millionen Euro. Hinzu kommt noch eine Zahlung von etwa 1,2 Millionen Euro für die Gemeinde zur Instandhaltung der Strecke.

Kommunaler Sechser im Gemeinde-Lotto?

Auf den ersten Blick: Ein kommunaler Sechser im Lotto. Rad-Infrastruktur ausgebaut. Nichts bezahlt, stattdessen noch Geld dazu bekommen. Nur: Wir sind in Kreuth. Hier sagte die Mehrheit des Gemeinderats im Juli 2024 “Nein”. Auch die Grünen, sonst immer gern bei Radwege-Ausbau vorn dabei, scheuten die Asphaltierung im Außenbereich. Gehen in Kreuth nur die Uhren anders, oder unterwirft man sich nicht jedem Trend der Freizeitgestaltung?

Schotter schützt vor zu vielen Radlern, gilt auch als verdichtet, aber nicht so wie Asphalt. Und überhaupt: Da hinten gehört nichts Schwarzes (also Asphalt, nicht Parteizugehörigkeit) hin, fanden sowohl Vertreter der CSU, der SPD, der FW als auch der Grünen: keine Rennpiste für Freizeitradler!

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Da konnte Bürgermeister Joseph Bierschneider (CSU) werben, wie er wollte. Zurück blieb er mit einem Kompromiss: Zwischen Ortsmitte und Wildbad soll wenigstens eine Asphaltdecke aufgetragen werden. Womit der Nein-Sager nicht rechneten, waren Bürgerinnen und Bürger aus den südlichen Ortsteilen wie Glashütte, Bayerwald und Stuben. 

Gemeinderat diskutiert, Bürger protestieren

Einmal getroffene Entscheidungen zu revidieren, das ist nicht einfach. Aber die neu gegründete Initiative von Kreuther Bürgern ließ nach der Entscheidung des Gemeinderats nicht locker, sammelte Unterschriften im Tegernseer Tal und bat um eine nicht-öffentliche Versammlung. Der Rat ließ sich darauf ein, und am vergangenen Dienstag traf man sich im Ratssaal des Kreuther Rathauses. Draußen standen Versprengte mit Schildern – seit der Kita-Demo in Bad Wiessee die angesagte Ausdrucksform missmutiger Bürger im Tal.

Im Saal war dann mehr Sachlichkeit gefragt. Die Senioren- und Behindertenbeauftragte der Gemeinde Kreuth, Christine Göttfried, beschrieb eindringlich, wie sehr eine asphaltierte Strecke Rollstuhlnutzern eine Form der Selbstermächtigung zurückgäbe. Schotter zwänge viele zum Schieben einer anderen Person. Bei Asphalt könne der Rolli vom Nutzer selbst fortbewegt werden.

Bewohner aus Glashütte verwiesen darauf, wie ein besser ausgebauter Weg, sie von der Bundesstraße wegführen könnte, sie damit einfacher und ohne Auto in die Ortsmitte Kreuths oder in das Tal bringen könnte. Dieses Fördern einer Anbindung der fernen Süd-Ortsteile von Bayerwald, Glashütte und Stuben war ein gewichtiges Argument. Einige Ratsmitglieder zeigten sich später davon sehr beeindruckt, wollten auch ihre einstige Entscheidung gegen den Ausbau des Radwegs überdenken oder ändern. Dann kam die Stunde des Bau-Experten Mathias Kreuz vom Straßenbauamt in Rosenheim. Er räumte mit verschiedenen Irr-Thesen auf.

Schotterweg: Zu arbeitsintensiv?

Eine Asphaltierung bedeute keineswegs eine Versiegelung, das abfließende Wasser laufe nicht in Kanalisationen, verlaufe in den anliegenden Boden. Der Schotterweg selbst sei zudem schon sehr verdichtet. Ruhig und sachlich wies er darauf hin, dass im Zuge des Umbaus mehrere Dutzende veraltete oder zerstörte Entwässerungsrohre entlang der Strecke vom Freistaat saniert werden könnten. Auch die Sanierung der Brücken übernähme der Freistaat, alles Aufgaben, die ohne Umbau auf die Kommune in der Zukunft zukämen. In diesem Zusammenhang wies Bürgermeister Bierschneider darauf hin, dass die Kommune für Instandhaltung der bisherigen Strecke im Jahr bis zu 25.000 Euro Kosten habe. Eine Schotterstrecke sei deutlich arbeitsintensiver. Jeder Starkregen drücke das Gestein an den Rand, es muss aufgefüllt werden, auch um gefährliche Rinnen und damit Stürze zu verhindern. Manch einer im Gremium kann von solchen Stürzen ein Lied singen. Aber damit nicht genug:

Rennstrecke mit Hindernissen

Querungshilfen, gemeinhin als Verkehrsinseln bekannt, werden ebenfalls in Glashütte vom Bauamt installiert. Sie wirken auf der berüchtigten “Rennstrecke” von und zur Staatsgrenze mindestens geschwindigkeitsabmildernd. Was denn mit einer Modernisierung sei, fragte man aus dem Gremium. Was, wenn der Asphalt brüchig werde, wenn eine Behandlung nötig sei. Man wolle keine Lasten für zukünftige Generationen entstehen lassen, warfen Räte ein. Mathias Kreuz vom Bauamt konnte beruhigen. Selbst die Nutzung durch Forstfahrzeuge wie dem Harvester könnte der massiven Asphaltdecke mittelfristig wenig anhaben. Andere Gemeinden haben da positive Erfahrungen. Letztlich würde nach seiner Einschätzung die Strecke über mehrere Jahrzehnte “halten” können.

Aber dann ist da ein Argument, das die Befürworter nicht wegwischen können: der Faktor Mensch und sein Egoismus. Wer Radwege kennt, die auch von Fußgängern genutzt werden, kennt das Problem: Plötzlich tauchen auf abschüssigen Wegen extrem schnell fahrende Radlerinnen auf, zwingen zu hektischen Ausweichmanövern, verursachen deutlich größere Unfallrisiken.

Wer je mit Hund oder Kind solche Strecken nutzte, weiß um die brutale Platz-da-jetzt-komm-ich-Attitüde. Seit dem Siegeszug des E-Bikes hat das Tempo zudem massiv zugenommen. Die Rundtour über die Schwarzentenn nach Wildbad wird dann gern von diesen Gruppen an der Weissach genommen. Üble Unfälle sind vorprogrammiert. Der Hinweis, E-Bikes seien abgeregelt, zieht nicht angesichts diverser Abfahrten auf der Strecke. Da nimmt der 100 Kilo Papi im Bienenkostüm auf einem 30 Kilo Bike gern die kinetische Energie eines Geschosses an.

Jenseits ästhetischer Fragen müssen sich die Räte fragen, wie sie diesen Außenbereich langfristig gestalten wollen. Ein kleiner Hinweis: Er führt an einem der letzten Rest-Hektarflächen unbehandelten Bergwalds vorbei. Nicht umsonst benennen viele Gäste und Einwohner diese Region als Klein-Kanada. Wohin die Eventisierung des Außenbereichs führt, sieht man im Wiesseer Söllbachtal. Dort denken Gemeinderäte schon über Leitplanken an der Strecke zu den Event-Almen nach. Der Verkehr sei doch sehr stark.

Abstimmung im Gemeindeboten

Am Ende der Veranstaltung konnte Sepp Bierschneider eine neue Möglichkeit der politischen Teilhabe vorstellen. Im nächsten Gemeindeboten könne über das Projekt von den Bürgern abgestimmt werden. Danach käme das Thema erneut auf den Tisch des Gemeinderats. Ob dann neu entschieden werde, ließ er offen. Bis Oktober 2024 haben die Kreuther nun Zeit, die neuen Argumente in ihre Entscheidung einfließen zu lassen.

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