Energie lokal teilen statt einspeisen: Wie Peer-to-Peer-Stromhandel auch in Bayern erprobt wird

Die Energiewende schreitet voran, und mit ihr entstehen neue Konzepte für eine nachhaltige und dezentrale Energieversorgung. Ein vielversprechender Ansatz ist der Peer-to-Peer (P2P) Stromhandel, bei dem Haushalte überschüssigen Solarstrom direkt untereinander handeln können. In Bayern wurde der Peer-to-Peer-Stromhandel im Rahmen des Pilotprojekts „pebbles“ in Wildpoldsried erfolgreich erprobt. Das Projekt zeigte die technische Machbarkeit und ökonomischen Nutzen in einer begrenzten lokalen Umgebung. Auch für die Region Tegernsee bietet der P2P-Stromhandel Potenzial – vorausgesetzt, bestimmte Voraussetzungen werden geschaffen.

Was ist Peer-to-Peer-Stromhandel?

Was als technologische Spielerei begann, hat sich zur Infrastrukturrevolution entwickelt: Die Blockchain – bekannt geworden durch Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum – hat in den vergangenen Jahren ihren Weg in verschiedenste Lebensbereiche gefunden. In der Gaming-Welt wurden NFTs (Non-Fungible Tokens) zur digitalen Sammelleidenschaft, In-Game-Währungen vernetzen Spielökonomien über Plattformgrenzen hinweg. In der technikaffinen Branche der Online-Casinos fungieren die Coins in großer Vielfalt als Zahlungsmittel, besonders auch bei Anbietern ohne Einzahlungslimits, zudem sichern „provably fair“-Mechanismen auf Blockchain-Basis die Nachvollziehbarkeit von Spielabläufen. Im Logistikbereich ermöglicht Blockchain die lückenlose Rückverfolgung von Lieferketten – von der Kaffeeplantage bis zum Supermarktregal.

Mittlerweile zeigen sich ihre Stärken besonders dort, wo Transparenz, Dezentralisierung und Automatisierung gefragt sind. Dazu zählt auch ein Bereich, der auf den ersten Blick wenig mit der digitalen Welt zu tun hat: die Energieversorgung. Genauer gesagt: der direkte Stromhandel zwischen Nachbarn.

Beim P2P-Stromhandel verkaufen private Erzeuger von Solarstrom ihren überschüssigen Strom direkt an andere Verbraucher in der Nähe. Dies geschieht über digitale Plattformen, die auf Blockchain-Technologie basieren. In blockchainbasierten P2P-Modellen ermöglichen Smart Contracts eine automatisierte und überprüfbare Abwicklung von Stromtransaktionen. Sie sind zwar nicht zwingend erforderlich, aber ein nützlicher optionaler Bestandteil je nach Systemarchitektur. Der Vorteil: Der Strom bleibt lokal, Netzbelastungen werden reduziert, und die Beteiligten profitieren finanziell.

Potenzial für die Region Tegernsee?

Ein bekanntes Beispiel ist das Forschungsprojekt pebbles in Wildpoldsried im Allgäu. Zwischen 2018 und 2021 entwickelten Siemens, das Allgäuer Überlandwerk, die Hochschule Kempten und das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik eine Plattform für den lokalen Stromhandel. Das Projekt zeigte, dass P2P-Stromhandel technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Teilnehmer konnten ihren selbst erzeugten Strom effizient nutzen oder verkaufen, was zu einer höheren Eigenversorgung und geringeren Stromkosten führte.

Die Region Tegernsee zeichnet sich durch eine hohe Dichte an Photovoltaikanlagen auf Einfamilienhäusern und landwirtschaftlichen Betrieben aus. Viele Haushalte erzeugen mehr Strom, als sie selbst verbrauchen, und speisen diesen ins öffentliche Netz ein – oft zu vergleichsweise niedrigen Vergütungssätzen. Ein lokaler P2P-Stromhandel könnte hier Abhilfe schaffen, indem er den Erzeugern ermöglicht, ihren Strom direkt an Nachbarn zu verkaufen, die keinen eigenen Solarstrom produzieren.

Zudem ist die Region bekannt für ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Initiativen wie die Förderung von Elektromobilität oder energieeffizientem Bauen zeigen, dass sowohl Bevölkerung als auch Kommunen offen für innovative Energiekonzepte sind.

Für die Umsetzung eines P2P-Stromhandels in der Region müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Digitale Infrastruktur:

Der flächendeckende Einsatz von Smart Metern ist notwendig, um den Stromverbrauch und die -erzeugung in Echtzeit zu erfassen. Ab 2025 sind Stromlieferanten verpflichtet, Letztverbrauchern einen dynamischen Tarif anzubieten, was den Einsatz von Smart Metern fördert.

  • Rechtlicher Rahmen:

In Deutschland fehlt bislang ein klar geregelter Rechtsrahmen für den flächendeckenden Peer-to-Peer-Stromhandel. Zwar erlaubt die EU-Richtlinie 2018/2001 den Handel zwischen Erzeugern und Verbrauchern grundsätzlich, doch eine umfassende nationale Umsetzung für offene Märkte steht noch aus. Derzeit sind entsprechende Modelle nur im Rahmen von Reallaboren und Pilotprojekten erlaubt.

  • Technische Umsetzung:

Die Entwicklung und Implementierung einer geeigneten Plattform erfordert technisches Know-how und Investitionen.

  • Kommunale Unterstützung:

Die Unterstützung durch lokale Energieversorger und Kommunen ist entscheidend für den Erfolg eines solchen Projekts.

Der Peer-to-Peer-Stromhandel bietet eine vielversprechende Möglichkeit, die Energiewende auf lokaler Ebene voranzutreiben. Die Region T verfügt über die nötigen Voraussetzungen und ein entsprechendes Bewusstsein für nachhaltige Energieversorgung. Es läge an den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um dieses Potenzial zu nutzen. Pilotprojekte in Bayern zeigen: Lokaler Stromhandel über Blockchain-Technologie ist machbar.

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