Wer von beiden letztlich „der Halunke“ ist, versuchte Richter Walter Leitner heute zu klären. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob 100 gefälschte Goldmünzen tatsächlich den Besitzer gewechselt hatten.
Ein nach Ansicht aller Beteiligten besonders ungewöhnlicher Fall wurde heute vor dem Miesbacher Amtsgericht verhandelt. Dabei waren die Rahmenbedingungen eigentlich klar. Ein 71-jähriger Münchner wollte 2011 sein Haus im Defreggerweg in Bad Wiessee verkaufen. Aus diesem Grund wandte er sich an den 73-jährigen Bauunternehmer.
Beide Seiten wurden sich schnell einig und vereinbarten den Kaufpreis von 850.000 Euro inklusive einer Zahlung in mehreren Raten. Im Laufe der nächsten Monate überwies der Immobilienhändler als Käufer dann nach und nach 750.000 Euro auf das Konto des Verkäufers. Doch dann begannen die Ungereimtheiten.
Goldmünzen als Zahlungsmittel?
Wegen der noch ausstehenden 100.000 Euro trafen sich nun beide Seiten heute vor dem Miesbacher Amtsgericht. Es galt zu klären, ob und, wenn ja, in welcher Form die letzten 100.000 Euro den Besitzer gewechselt haben. Der Verkäufer verklagte den 73-jährigen Bauunternehmer wegen Betruges in besonders schwerem Fall. Richter Walter Leitner sollte nun im Rahmen eines Urteils bewerten, ob dieser Vorwurf zutrifft oder nicht. Aus diesem Grund hörte er neben dem Beklagten und dem Kläger auch mehrere Zeugen.
„Ich habe dem Verkäufer am 20. März 2013 persönlich die letzten 100.000 Euro in bar übergeben, das hat er auch in einer unterschriebenen Quittung bestätigt“, erklärte der angeklagte Immobilienunternehmer. In der Tat liegt dem Gericht besagte Quittung vor. Das Geld hatte der Beklagte laut eigenen Angaben einige Tage vorher bei einer Bank abgehoben und konnte dies auch mit einem Bankauszug belegen. Ob das Geld jedoch jemals bei dem Kläger angekommen ist, ist bis heute unklar.
Denn der Kläger widersprach den Aussagen des Immobilienmaklers vehement und erklärte, dass er das Geld nicht bar, sondern in Form von 100 Goldmünzen erhalten habe. „Ich wollte nie eine Barzahlung. Man ist auf mich zugekommen, hat mir 100 Krügerrand-Goldmünzen angeboten und betont, dass ich dabei ein besonders gutes Geschäft mache“, so der 71-jährige Kläger.
Augenzeugen: Fehlanzeige
Seiner Aussage nach traf er sich am 20. März in seinem Haus mit dem Beschuldigten, um die Münzen entgegenzunehmen. „Ich habe gesehen, wie der Immobilienunternehmer mit einer Schatulle unter dem Arm ins Haus gegangen ist“, betonte der Sohn des Klägers heute als Zeuge vor Gericht. Für die tatsächliche Übergabe der Münzen gibt es hingegen keine Augenzeugen. Auch besagte Schatulle ist nicht mehr auffindbar.
„Ich habe die Münzen kurze Zeit später in einen Sack gefüllt. Wo die Schatulle ist, weiß ich nicht“, gab der Kläger heute vor Gericht an. Nach dem Geschäft unterschrieb er schließlich die Quittung, 100.000 Euro in bar erhalten zu haben. Seine Begründung:
Da die Goldmünzen in vielen Ländern als offizielles Zahlungsmittel gelten, habe ich mich daran nicht gestört.
Im Anschluss an die Übergabe zählte er gemeinsam mit seinem Sohn die Goldmünzen und stellte fest, dass es in der Tat 100 Stück waren. „In diesem Augenblick dachte ich, dass ich ein gutes Geschäft gemacht habe, da die Münzen nach dem damaligen Goldpreis nicht 100.000, sondern 120.000 Euro wert waren“, so der Kläger weiter. Als er einige Monate später dann jedoch eine der Münzen bei einem Händler verkaufen wollte, erlebte er eine böse Überraschung.
Unechte Münzen
Denn bei den Münzen habe es sich um billige Nachbildungen gehandelt, das stellte ein Münchner Goldhändler anhand des Durchmessers, der Qualität und der Größe der Goldstücke schnell fest und bestätigte das auch heute vor Gericht. Demnach liegt der tatsächliche Wert der 100 Münzen bei gerade einmal 3.000 Euro und nicht wie gedacht bei über 100.000 Euro.
„Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich habe den Immobilienhändler dann verständigt und zu einem Gespräch zu mir nach Hause aufgefordert“, so der Kläger weiter. Am 20. Juli trafen sich dann beide Seiten erneut im Haus des Klägers. In einem Vieraugengespräch habe ihm der Immobilienmakler dann versichert, dass dies nicht sein könne und er das in den nächsten Tagen klären werde, so der Kläger weiter. Als sich der Bauunternehmer dann jedoch nicht mehr meldete, habe er Anzeige wegen Betruges erstattet.
Gegenüber der Polizei bestritt der Wiesseer Unternehmer schließlich, die Goldmünzen jemals gesehen oder gar dem Kläger übergeben zu haben. Somit stand Aussage gegen Aussage, und der Fall ging vor Gericht. Um zu klären, ob der Beschuldigte Kontakt mit den Münzen hatte, wurde sogar eine Stichprobe der Goldstücke auf Fingerabdrücke untersucht.
Dabei konnten jedoch lediglich die Abdrücke des Klägers und einige verwischte Spuren festgestellt werden, die nicht zweifelsfrei dem Beschuldigten zugeordnet werden konnten. Das ging aus einem von der Polizei in Auftrag gegebenen Expertengutachten hervor.
Staatsanwalt fordert zwei Jahre Haft
Für die Staatsanwaltschaft war der Fall trotzdem klar. Wie Staatsanwalt Geroh deutlich machte, habe er keinen Zweifel daran, dass sich der Beklagte des Betruges in besonders schwerem Fall schuldig gemacht habe.
Natürlich handelt es sich hier um einen skurrilen Fall. Betrugsfälle laufen der Erfahrung nach jedoch oft so ab, dass die Opfer mit einen vermeintlichen Bombengeschäft geködert werden.
Zudem führte er an, dass der Beschuldigte in der Vergangenheit schon mehrfach wegen ähnlicher Delikte verurteilt worden war. Da in seinen Augen auch die Aussagen der Zeugen glaubwürdig erschienen, forderte er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Freispruch dritter Klasse
Heino von Hammerstein, Tegernseer Rechtsanwalt und Verteidiger des Angeklagten, sah dagegen „alle objektiven Fakten aufseiten seines Mandanten“ und fand die Angaben der Zeugen „in sich widersprüchlich.“ Zudem stützte sich Hammerstein vor allem auf die Tatsachen, dass sein Mandat das Geld nachweislich bei der Bank abgehoben hat und die Fingerabdrücke des Beklagten auf keiner der untersuchten Münzen nachgewiesen werden konnten.
Er gehe davon aus, dass der Kläger schon vorher in Besitz der Münzen war und wegen des aus seiner Sicht zu geringen Kaufpreises für sein Haus ein klares Motiv hatte, dem Angeklagten einen Betrug zu unterstellen, so von Hammerstein weiter. Daher forderte der Verteidiger Freispruch für den angeklagtem Wiesseer.
Nach längerer Beratung mit den beiden anwesende Schöffen folgte Richter Walter Leitner schließlich dem Ansinnen des Verteidigers und sprach den Bauunternehmer vom Vorwurf des schweren Betruges frei. Nichtsdestotrotz entschied Leitner sich nicht aus Überzeugung, sonders mangels stichhaltiger Beweise für diesen Schritt, wie er abschließend erklärte: „Das ist ein Freispruch dritter Klasse. Dem Gericht fehlen die Beweise für die Tat.“ So hieß es, im Zweifel für den Angeklagten. Dabei ließ der Richter jedoch keinen Zweifel daran, dass „einer von beiden ‒ entweder der Kläger oder der Beklagte ‒ ein Halunke ist und betrogen hat.“
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