Letzte Woche hatte eine Ankündigung vom Universalversender Amazon daher für Wirbel in der Handelsbranche gesorgt: Der größte Onlinehändler der Welt will ab Mitte des Jahres auch Lebensmittel versenden. Ist das das Ende der Supermärkte auf dem Land?
Rund 10 Prozent macht der Onlinehandel heute am gesamten Handelsumsatz aus. Rund 45 Milliarden der 450 Milliarden Jahresumsatz im deutschen Einzelhandel entfallen demnach auf Onlinehändler. Online wächst im Verhältnis allerdings um einiges Schneller. Zwischen 10 und 15 Prozent Zuwachs verzeichnet die Branche jedes Jahr. Der stationäre Handel verzeichnet selbst in guten Jahren ein Plus von maximal zwei bis drei Prozent.
Noch vor wenigen Jahren waren sich viele Menschen sicher, dass Kunden Kleidung, Schuhe oder Brillen nicht online kaufen würden. Das seien alles Produkte, die man anfassen müsse, um sich zum Kauf zu entscheiden, so die Argumente. Heute zählen Mode-, Optik- und Schuhhändler online zu den größten der gesamten Branche. Was vor zehn Jahren noch kaum jemand prognostiziert hatte, ist demnach eingetreten: Mode und Lifestyle sind online die beliebtesten Produkte.
Das merken auch Einzelhändler im Tegernseer Tal und anderswo. Kleine Bekleidungsläden tun sich mit am schwersten auch heute noch genügend Kunden zu finden, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Längst bestellen auch auf dem Land immer mehr Menschen im Internet. Die Auswahl ist meist größer, die Preise günstiger und geliefert wird oft innerhalb von 24 Stunden. Was nicht passt, wird einfach zurückgeschickt.
Online funktioniert inzwischen fast alles
Das gleiche gilt auch für Elektro-Artikel und Bücher, genauso wie für Reisen und Musik. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass es noch vor wenigen Jahren riesige Musikgeschäfte gab, die nur CDs verkauften. Kaum jemand wird sich noch an WOM erinnern, vermissen erst recht nicht.
Mit Amazon wagt sich jetzt der größte Onlinehändler der Welt an eine der letzten Branchen, die online noch kaum vertreten ist: Lebensmittel. Fleisch, Gemüse und Butter. Noch ist gerade der deutsche Markt im Hinblick auf Lebensmittel im Internet sehr zurückhaltend. Gerade einmal fünf Prozent haben überhaupt schon Lebensmittel auf diesem Weg bestellt.
In anderen Ländern ist der Anteil bereits weitaus höher. Beispielsweise in Schweden, wo aufgrund einer weniger dichten Besiedelung viele Menschen weite Strecken zum nächsten Supermarkt haben. Doch auch in Deutschland hat sich der Lebensmittelmarkt in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Das Kramerladl in Rottach-Egern ist heute längst eine Ausnahme, als privat geführtes kleines Geschäft. Längst haben große Ketten und Discounter den Markt übernommen.
Welche Veränderungen stehen uns bevor?
Aber gerade das Kramerladl zeigt auch, dass ein persönlich geführtes Geschäft auch heute noch seine Nische finden kann. Dort kauft niemand ein, weil es die Produkte günstiger gibt. Die Kunden kommen vielmehr, weil es Spaß macht dort einzukaufen, weil man Menschen trifft und eben auch um Margret Mannhardt zu “besuchen”. Nischen, die auch andere Händler für sich finden, indem Sie auf Service, Kundennähe oder eine Mischung aus Online- und Offline setzen.
Dennoch zeichnet sich eine immer weitreichendere Veränderung gerade im ländlichen Umfeld ab, die auch bei uns am Tegernsee noch viel zu wenig diskutiert wird: Wie sehen unsere Orte aus, wenn selbst Tengelmann und Edeka irgendwann nicht mehr bestehen können? Welche Auswirkungen hat es, wenn Lebensmittel nicht mehr im Laden um die Ecke, sondern im Internet bestellt werden? Wie kann eine lokale Infrastruktur dennoch aufrecht erhalten werden?
In Gmund kämpft man beispielsweise seit Jahren darum, dass sich wieder ein Lebensmittelhändler im Ortszentrum ansiedelt. Man erhofft sich davon eine Belebung, von der auch die umliegenden Geschäfte profitieren. Der Versuch mit dem Dorfladen war wenig erfolgreich. Jetzt ruhen die Hoffnungen auf dem geplanten Supermarkt im Maximilian. Die Gmunder sollen wieder fußläufig einkaufen können, um durch die erhöhte Frequenz das Ortszentrum neu zu beleben. Vielleicht bestellen sie aber in einigen Jahr auch einfach nur morgens das online, was abends auf den Tisch kommt.
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