Miesbacher Dekadenz

Der Bericht der Regierung von Oberbayern deckt gnadenlos auf, was bisher nur vermutet wurde: Bei vielen Projekten und Feiern wurde das Geld der Sparkasse nach dem Gießkannenprinzip verteilt.

Dabei sind die bekannten und bisher untersuchten Affären rund um Ex-Landrat Jakob Kreidl wohl noch nicht das Ende. In mindestens neun weiteren Fällen bestehen „erhebliche Zweifel an deren Zulässigkeit“.

Der Kommalausschuss des Landtages befasste sich heute mit der Causa Jakob Kreidl und Sparkasse Miesbach-Tegernsee.
Der Kommunalausschuss des Landtags befasste sich heute mit der Causa Kreidl und dem Sparkassen-Sponsoring.

Bereits gestern waren erste Details aus dem Prüfbericht des Bayerischen Innenministeriums an die Öffentlichkeit gelangt. Heute morgen befasste sich dann auch der Kommunalausschuss des Bayerischen Landtags mit dem, was die Regierung von Oberbayern zu den Vorgängen rund um Ex-Landrat Jakob Kreidl und den Sponsoringaktivitäten der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee zu Tage gefördert hatte.

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„In was für einer Welt leben wir eigentlich? Was ist in den letzten Jahren in Miesbach geschehen? Hat Herr Kreidl komplett die Bodenhaftung verloren?“, fragte beispielsweise Ausschussmitglied Katharina Schulze (Grüne) bei der heutigen öffentlichen Ausschuss-Sitzung. Und ihr CSU-Kollege Norbert Dünkel sprach von „einer Fülle von Verfehlungen“, die nun nach „zivilrechtlichen Maßnahmen und Rückforderungen“ geprüft werden müssten.

Betrachtet man den Bericht des Innenministeriums im Detail, wird deutlich, warum die Abgeordneten heute morgen so deutliche Worte fanden. Denn keines der von der Sparkasse finanzierten Projekte bekommt nach dem Prüfbericht der Regierung von Oberbayern das Siegel „zulässig“. Vielmehr werden in dem Bericht erhebliche Zweifel an den damaligen Geschäftspraktiken der Sparkasse laut. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick.

Geburtstagsfeier Kreidl

Die letztlich ausgerichtete Feier zum 60. Geburtstag von Landrat Jakob Kreidl im August 2012 war offenbar schon die abgespeckte Version. Unterlagen zufolge planten der damalige Sparkassenvorsitzende Georg Bromme und der stellvertretende Landrat Arnfried Färber ursprünglich ein umfangreiches Festprogramm, das auf zwei Tage verteilt werden sollte. Kostenschätzung: 150.000 Euro.

Tragen sollte diese Kosten zu hundert Prozent die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee. Mit dem Wechsel im Vorstand im April 2012 sprach sich der neue Vorsitzende Dr. Martin Mihalovits dann aber für eine „wesentlich kostengünstigere Planung“ aus und vereinbarte, dass Landratsamt und Kreissparkasse sich die Kosten teilen. Zusätzlich sollte der Landrat einen Eigenanteil beisteuern.

Wegen letztlich jedoch wesentlich höherer Gästezahlen als veranschlagt (statt 300 kamen 460 Gäste), kostete der Geburtstag am Ende die bekannten 119.000 Euro, von denen die Sparkasse rund 79.000 Euro trug. Trotz der damit bereits deutlich niedrigeren Kosten für die Bank werden in dem Bericht erhebliche Zweifel an der Angemessenheit laut.

Jakob Kreidls 60. Geburtstag hätte ursprünglich rund 150.000 Euro kosten sollen / Archivbild
Jakob Kreidls 60. Geburtstag hätte ursprünglich rund 150.000 Euro kosten sollen / Archivbild

Dabei steht weiterhin die Frage im Raum, ob die Sparkasse sich überhaupt an den Kosten hätte beteiligen dürfen. Zwar seien Werbeveranstaltungen grundsätzlich erlaubt, wenn diese aber einen unangemessenen Aufwand verursachen oder zugunsten von Privatpersonen durchgeführt werden, gelten sie als unzulässig.

In dem heute vorgelegten Bericht heißt es jedoch, dass aufgrund verschiedener aufgeführter Faktoren die Veranstaltung „grundsätzlich noch als Repräsentationsveranstaltung akzeptiert werden kann“. Auch wenn die Abgeordneten des Ausschusses in ihrer Sitzung daran bereits einiges auszusetzen hatten. Im Prüfbericht des Sparkassenverbands Bayern für das Jahr 2012 war die Geburtstagsfeier keine Zeile wert gewesen.

Informationsfahrt nach Serfaus

Landrat Jakob Kreidl, sein Vize Arnfried Färber, die Landkreis-Bürgermeister und der ehemalige sowie der aktuelle Sparkassenchef unternahmen im April 2012 eine dreitägige Informationsreise in die Schweiz. Auch hier sollte die Sparkasse ursprünglich den gesamten Betrag der Reisekosten in Höhe von rund 64.000 Euro übernehmen. Letztlich wurde dem Landratsamt dann aber doch eine Rechnung in Höhe von 36.000 Euro zugestellt mit der Begründung, dass die entstandenen Aufwendungen nicht im Budget der Sparkasse lägen.

Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang, dass das Landratsamt immer wieder betonte, dass die mitgefahrenen Begleitpersonen ihren Anteil selbst übernommen hätten. Tatsächlich mussten diese jedoch nur einen Pauschalbetrag von 100 Euro leisten. Die 17 mitgefahrenen Eheleute und Partner beteiligten sich somit mit 1.700 Euro an den Gesamtkosten von 64.000 Euro zuzüglich Steuern. Die Differenz trugen demnach Sparkasse und Landratsamt.

Paul Wengert (SPD) fragte sich heute zudem, warum auf einer Fahrt, die dem Tourismus dienen sollte, die Tourismusexperten gar nicht zugegen waren. Er konstatierte daher:

Das ist hanebüchen. Offenbar hat diese Reise nur zur eigenen Freude stattgefunden.

Und auch sonst mutet die Informationsfahrt in die Schweiz sehr dubios an. So fehlen laut Meinung der Experten sowohl der Aufgabenbezug als auch der unmittelbare Nutzen für die Sparkasse. Somit dürfte eine solche Kostenübernahme nicht gerechtfertigt sein. Zudem hatte der damals schon aus dem Amt geschiedene Sparkassenvorstand Georg Bromme zum Zeitpunkt der Fahrt gar nicht mehr die Befugnis, die hohen Ausgaben zu genehmigen. Diese lag schon bei seinem Nachfolger Martin Mihalovits. Eine Abstimmung mit ihm sei jedoch nicht erfolgt.

Aber nicht nur Bromme, auch Kreidl entschied leichtfertig über Kostenübernahmen. Nachdem ersichtlich war, dass das Landratsamt die Hälfte der Kosten würde übernehmen müssen, ordnete Kreidl die Zahlung entgegen des Protestes seines Kämmerers sowie ohne entsprechenden Kreistagsbeschluss an. Im Übrigen wurde auch die Informationsfahrt im Prüfbericht des Sparkassenverbandes nicht thematisiert.

Geburtstagsfeier Färber

Hier übernahm die Kreissparkasse die gesamten Kosten in Höhe von rund 34.000 Euro. Wie auch schon bei den oben genannten Veranstaltungen kommt für die Sparkasse jedoch auch noch die Steuerbelastung hinzu. So wird beispielsweise der Einkommensteuersatz mit 63,1 Prozent angegeben, was dem Pauschalsteuersatz für Sachzuwendungen an Verwaltungsräte entspricht.

Insgesamt bedeutet dies also eine Belastung für die Bank von knapp 56.000 Euro. Auch hier sehen die Experten allerdings nicht, wie diese Geburtstagsfeier noch als Werbeveranstaltung gerechtfertigt werden könnte. Diese habe keine öffentliche Wirkung gehabt und auch auf die Gästeliste hatte die Sparkasse keinerlei Einfluss. Zudem sei Färbers 70. Geburstag von Anfang an als private Feier konzipiert gewesen, heißt es im Prüfbericht des Innenministeriums. Auch dieser Posten tauchte im Prüfbericht des Sparkassenverbandes nirgends auf.

Renovierung für 300.000 Euro

Für insgesamt fast 300.000 Euro renovierte die Sparkasse in den Jahren 2008 und 2010 das Büro sowie das Vorzimmer von Landrat Jakob Kreidl. Auf eigene Rechnung. Während für die Renovierung des Vorzimmers wenigstens ein Verwaltungsratsbeschluss für rund 110.000 Euro vorliegt, haben über die restlichen Aufwendungen weder der Vorstand noch der Verwaltungsrat beraten.

Zulässig waren diese Ausgaben laut der Regierung von Oberbayern jedoch ohne jeden Zweifel nicht. Weder diente diese „Spende“ einem gemeinnützigen Zweck, noch stellt sie ein zulässiges Sponsoring dar, da es keinen klar erkennbaren Effekt auf die Öffentlichkeitsarbeit der Sparkasse hat.

Geitauer Alm und Psallierchor

Weiter kritisiert die Regierung in ihrem Bericht noch den Kauf der Geitauer Alm, bei dem für die Sparkasse Kosten in Höhe von rund 1,5 Millionen entstanden waren. Diese sind laut dem Bericht erkennbar nicht geeignet, dem unmittelbaren Geschäftsbetrieb der Sparkasse zu dienen. Daher steht der Kauf nicht im Einklang mit den Aufgaben des Geldinstituts. Mittlerweile wird seitens der Sparkasse versucht, die Alm wieder zu verkaufen.

Die Sponsoring Praxis des ehemaligen Sparkassenvorstandes Georg Bromme wurde heute scharf kritisiert.
Die Sponsoring-Praxis unter dem ehemaligen Sparkassen-Chef Georg Bromme wurde heute ebenfalls scharf kritisiert.

Außerdem wird in dem Bericht der Kauf des Psallierchors in Tegernsee kritisiert, welcher die Sparkasse inklusive Planungskosten für die Sanierung rund 1.750.000 Euro kostete. Auch hier wird derzeit versucht, das Objekt wieder zu veräußern.

Und als wären diese ganzen Projekte noch nicht genug, scheinen im Laufe der Überprüfung noch weitere Maßnahmen der Sparkasse ins Visier der Prüfer geraten zu sein. Zu mindestens neun weiteren Finanzierungsmaßnahmen fordert die Behörde weitere Auskünfte. Dabei, so das Ergebnis, bestehe bereits jetzt jedoch erheblicher Zweifel an der Zulässigkeit der Maßnahmen. Darunter fallen beispielsweise die Finanzierung der Trauerfeier für Altlandrat Norbert Kerkel sowie Spenden an den Schießstand in Achenkirch.

Sparkasse kündigt rechtliche Schritte an

Mittlerweile hat sich auch die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee in einer Pressemitteilung zu dem Bericht des Innenministeriums gemeldet. Insbesondere die “Aufarbeitung der damaligen Spenden- und Sponsoringpraxis stellt angesichts ihres Umfangs eine besondere Herausforderung dar”, heißt es dort. Und der Vorstandsvorsitzende Martin Mihalovits betont:

Uns geht es um völlige Transparenz. Ich habe aus diesem Grund die Untersuchungen erweitert, um sicherzustellen, dass die Vergangenheit umfassend aufgearbeitet wird.

Zudem weist die Sparkasse darauf hin, dass das Unternehmen selbst bereits im Februar Untersuchungen eingeleitet hat. “Wir haben die Rechtsanwaltssozietät GSK Stockmann + Kollegen mit der Durchführung einer Sonderuntersuchung zur Aufarbeitung der im Raume stehenden Vorwürfe beauftragt”, so Mihalovits weiter. Die eingeleitete Aufklärung und Neuausrichtung sollen nun entschlossen weiter vorangetrieben werden.

Mihalovits kündigt zudem an, Rückforderungs- und Schadenersatzansprüche bei den Verantwortlichen geltend machen zu wollen. Man arbeite hier sehr eng mit den Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden zusammen. Anbei die Mitteilung der Sparkasse im Wortlaut.

Der Kommunalausschuss und das Innenministerium hatten heute morgen die derzeitige Unternehmenspolitik des neuen Vorstands unter der Führung von Mihalovits gelobt. Man sei zumindest im Nachhinein bemüht, die Vorgänge aufzuklären. “Dieser Weg muss nun aber konsequent weiter beschritten werden”, so die klare Forderung des Ausschusses.

Rzehak für “neue Bescheidenheit”

Auch aus dem Landratsamt Miesbach gibt es eine erste Reaktion auf den heutigen Bericht. So befürwortet Landrat Wolfgang Rzehak größtmögliche Transparenz bei der Aufarbeitung der Zustände, die deutschlandweit unter dem Begriff “System Miesbach” bekannt wurden:

Wir befinden uns im Prozess der lückenlosen Aufklärung, die absolut notwendig für den Neubeginn hier im Landkreis Miesbach ist.

Alles werde kleiner und bescheidener. Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit hätten oberste Priorität. Derartige Vorkommnisse werde es sicher hier nicht mehr geben, so Rzehak weiter. Genau das hatte der neue Landrat auch am Montag im Rahmen seiner Antrittsrede im Kreistag versprochen. Und das aus gutem Grund: Nicht nur der Landkreis Miesbach, sondern vor allem der neue Landrat stehen in den kommenden Monaten unter genauer Beobachtung. Denn auch Rzehak ist seit Jahren Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse und saß somit in den heute so offensiv gerügten Jahren im Aufsichtsgremium der Bank.

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