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Andreas Klotz ist kaufmännischer Angestellter in einer Bank, hat zwei Kinder, einen Hund, eine Frau mit Pferd und eigentlich genug zu tun. Doch vor rund vier Jahren hat sich der 38-Jährige einen Jugendtraum erfüllt: „Ein Metalldetektor stand über Jahre auf meinem Weihnachts-Wunschzettel“, sagt er. So ein Papierrelikt fand er beim Umzug der Eltern wieder; auch eine Art historischer Fund. Der wiederum gab den Anstoß, dem lange schwelenden geschichtlichen Interesse nachzugeben. Klotz ist daher auch Gründungsmitglied der Holzkirchner Geschichts-AG.
Eine Einstiegssonde ist schon für rund 150 Euro zu haben. Doch mittlerweile hat der Föchinger nach eigener Schätzung zweieinhalb bis dreitausend Euro in sein Hobby investiert: Meterweise Fachliteratur, Material zur Reinigung und Konservierung der Fundstücke, ein besseres „Motion“-Gerät für die Flächensuche, einen handlichen „Pin-Pointer“, ein GPS-Gerät.
Puzzlesteine der Geschichte
Der 38-Jährige ist am liebsten mit Kopfhörer unterwegs, um sich ganz auf die piepsenden, schnarrenden Geräusche des Detektors konzentrieren zu können. Dazu hält er die Augen auf dem Boden. Denn manchmal stößt er auch auf „Lesefunde“ an der Oberfläche, etwa mittelalterliche „Grauware“-Tonscherben. Mit seinen Kopfhörern blendet er auch neugierige Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer aus. Ansonsten käme er vor lauter Erklären nicht zum Suchen.
Ab und zu muss der Sondengeher dann doch Fragen beantworten. Die häufigste ist die nach dem Warum. Laien denken zuerst an Schätze aus Gold, Silber und Pretiosen in der Definition des Bürgerlichen Gesetzbuchs: „Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war.“ Doch meistens sind die Funde von geringem Geldwert. Für Andreas Klotz sind sie dagegen sehr wohl „ein persönlicher Schatz“, als Puzzlesteine in einem großen historischen Zusammenhang.
Vom Misthaufen ins Museum
Anfänger finden beim Schwenk über Acker und Wiese oft nur den eigenen Spaten oder die Metallösen an ihren Schuhen. Die „Klassiker“ sind Alu-Papierschnipsel und jede Menge Müll: Von Kronkorken über Getränke-Dosen bis hin zum kaputten Handy. Der Föchinger achtet sehr darauf, eigenen und fremden Müll zu entsorgen. Das dient einmal der Umwelt, dem Schutz von Weidetieren und ihm selbst: „Ich kann dann das gleiche Stück nicht zum zweiten Mal ausgraben.“
Bei einem eineinhalb bis zweistündigen Gang ist dann auch der ein oder andere Kaiserreichspfennig oder ein Flecken von einem Kupferkessel dabei. „Früher gab es noch keine VIVO“, flachst Klotz. Der Müll wurde auf den Misthaufen geworfen und nahm den Weg des Düngers auf die Felder. Seltenere Fundstücke sind römische Münzen und Gewandfibeln. Solche sind derzeit „im kleinsten Heimatmuseum Oberbayerns“, in der Holzkirchner Rathausvitrine, zu besichtigen.
Die geschichtlich wertvollsten Stücke wickelt der Hobby-Archäologe vorsichtig in Küchenkrepp. „Das älteste von Menschen gemachte Fundstück auf Holzkirchner Gemeindegebiet“ ist ein etwa sieben Zentimeter langes, geschäftetes Erntemesser aus Feuerstein (Silex). Bei so einem Fund hält man 5.000 Jahre Geschichte in der Hand. „Mit solchen Sachen wird die Vergangenheit auch für Kinder unmittelbar erfahrbar“, sagt der Familienvater. Ein verzierter Bronzeschlüssel wurde über sechs Monate im Landesamt für Denkmalpflege untersucht, bis feststand: „Er stammt aus der Zeit vor 800.“ Aus frühmittelalterlicher Zeit gab es bisher in Holzkirchen kaum Zeugnisse.
Oftmals wird Klotz aufgrund der überschaubaren Funde belächelt. Aber für ihn zählt im Rahmen seines Hobby auch die Praktikabiliät. Die unmittelbare Umgebung ist zu Fuß gut erreichbar. Er kann den Hund Gassi führen und kennt meistens die Grundstücksbesitzer. Fundreinigung, Identifizierung und ergänzende Recherchen kosten überdies oft viel mehr Zeit als die Suche. Je mehr gefunden wird, desto mehr Zeit ist nötig: „Lieber finde ich weniger und weiß dafür, um was es sich handelt und mit welcher Datierung.“
Falsches Graben kostet sehr viel Geld
Das Wichtigste bei seinen Exkursionen: Die Grundstücksbesitzer werden immer vorher gefragt, aufgeklappte Grassoden wieder eingesetzt, Erdlöcher verschlossen. „Eingetragene Bodendenkmäler“ sind schon per Gesetz tabu: „Wer dort beim Graben erwischt wird, zahlt bis zu 250.000 Euro Bußgeld“, sagt Klotz. Er geht nicht auf eingesäten Feldern oder Viehweiden, aber gerne dort, wo der Boden locker und relativ eben ist. Gegraben wird maximal „ein Spatenblatt tief“, in der ohnehin „gestörten Schicht“: „Jeder Pflug geht tiefer“. Stellen, die Militaria-Sucher lieben, meidet er schon aus Sicherheitsgründen. Er möchte nichts finden, was unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt oder den Einsatz des „Kampfmittelräumdienstes“ notwenig macht.
Das sind nur einige seiner persönlichen Maßnahmen gegen den schlechten Ruf der Sondengeher. Generell gilt zwar: „Archäologisch relevante Funde sind zu melden.“ Eine Fachzeitschrift habe kürzlich die Zahl von 6.000 aktiven Sondengehern in Bayern genannt. Nur 15 davon würden ihre Funde melden.
Raubgräber schaden allen
Sicher ist: Ganz Nordeuropa überzieht eine regelrechte Szene von „Schatz- und Artefaktsuchern“, die entweder ihre eigene Sammlung bereichern oder Stücke auf dem Schwarzmarkt verhökern. Das Problem ist, dass bei illegalen Grabungen nicht nur materielle Werte vernichtet werden, sondern auch unschätzbare Erkenntnisse für die Wissenschaft. Ein aktuelles Beispiel aus Rheinland-Pfalz um den „Barbarenschatz von Rülzheim“ ging durch die Presse.
Spaßsucher, die auf der Volksfestwiese nach Kleingeld stöbern, in allen Ehren: „Die schlimmsten sind diejenigen, die wegen des Profits unterwegs sind“, sagt Klotz. Solche „Raubgräber“ vergiften das Verhältnis zwischen professionellen Archäologen und gutwilligen Heimatforschern. Denn sie halten sich weder an die Regeln des Anstands noch an das Gesetz und entziehen der Allgemeinheit sowohl materielle Kulturgüter als auch geschichtliches Wissen.
Für ein „Netzwerk der Gutwilligen“
Die Besitzverhältnisse an Bodenfunden sind ohnehin eine knifflige Sache. Bayern ist derzeit noch das einzige Bundesland ohne ein so genanntes „Schatzregal“. Dieses regelt in unterschiedlichen Abstufungen die vorrangigen Rechte des Staates, Vorkaufsrechte und Entschädigungen für Finder und Grundstückseigentümer. Aktuell gilt: Halbe-Halbe zwischen Finder und Grundbesitzer bei Funden von materiellem Wert.
Derzeit wird das Gesetz im Landtag beraten. In diesem Zusammenhang tritt Klotz für eine Einrichtung ein, die es in anderen Bundesländern schon gibt: Ehrenamtliches Sondengehen mit Genehmigung und verpflichtendem Sachkundenachweis.
Damit macht er sich in der Szene nicht unbedingt Freunde. Denn die Zusammenarbeit mit den Profi-Archäologen vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege hat so ihre Tücken. Der Föchinger musste selbst erst einen bürokratischen Hindernislauf bewältigen, bevor er an den jetzigen wohlmeinenden Ansprechpartner für seine Fundmeldungen geriet.
In der Regel genügen nun Fotos und Daten zu Abmessungen und Gewicht der Stücke. Nur das Silex-Messer und den mittelalterlichen Schlüssel brachte er persönlich vorbei: „Es ist im Interesse aller, wenn Funde gemeldet, sach- und fachgerecht identifiziert und katalogisiert werden. Auch wenn Bayern gut erkundet ist, es gibt immer wieder Überraschungen und Belege für vorhandene Theorien und Geschichte.“
In diesem Sinne arbeitet Andreas Klotz hartnäckig an einer Art „Netzwerk der Gutwilligen“. Das sind unter anderem Gleichgesinnte aus verschiedenen Bundesländern und der Nachwuchs. Aktuell nimmt er einen Jugendlichen aus dem Ort fachlich an die Hand.
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