So wird das Streikjahr 2016

Ob Deutsche Bahn, BOB oder öffentlicher Dienst: Das letzte Jahr war geprägt von Arbeitskämpfen und Tarifkonflikten. Angesichts der intensiveren jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den Tarifpartnern befürchten viele einen neuen Trend: Werden Warnstreiks künftig auch in der Region zum Dauerzustand? Ein Überblick.

Mit ihrem Streik legte die EVG mehrere Stunden den kompletten Zugverkehr im Oberland lahm.
Mit ihrem Streik legte die EVG mehrere Stunden den kompletten Zugverkehr im Oberland lahm. / Quelle: EVG

„Das tolle Ergebnis hätten wir ohne den Warnstreik nicht hingekriegt. Wir haben deutlich gemacht, dass wir unsere berechtigten Forderungen durchsetzen können und dass unsere Mitglieder geschlossen hinter ihrer EVG stehen. Diese Lektion hat die Geschäftsführung der BOB hoffentlich gelernt“, lautete das positive Fazit von Isidor Peronace, dem Verhandlungsführer im Tarifkonflikt zwischen BOB und EVG in der vergangenen Woche.

Die kurze, aber intensive Auseinandersetzung der Tarifpartner endete für die Eisenbahnergewerkschaft laut eigenen Aussagen zufriedenstellend. Unterm Strich stehen für die Beschäftigten ein deutliches Lohnplus, sowie eine schrittweise vollständige Anerkennung der strittigen Bruttoarbeitszeit. Ein Erfolg auf ganzer Linie also – auf den weitere Streiks folgen werden?

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2015 war das Streikjahr

Das Jahr 2015 war ein Streikjahr, die Medien waren voll mit Bildern von Warnwesten und Trillerpfeifen, frustrierten Fahrgästen, kämpferischen Gewerkschaftssekretären und beschwichtigenden Unternehmensvorständen – regional wie überregional.

Flankiert wurden die Bilder in der Berichterstattung von einer pessimistischen Erwartungshaltung. Vor allem die festgefahrenen Verhandlungen im Personenverkehr, sowie die über Wochen ausgesetzte Kinderbetreuung in Kitas waren die dominierenden Themen und sorgten stellenweise für Frustration.

Die Frage, die nun alle interessiert: War´s das jetzt mit Streiks? Oder werden wir künftig auch im Landkreis häufiger mit stillstehenden Zügen und einem lahmliegenden öffentlichen Dienst konfrontiert werden?

Alles spricht für ein ruhigeres Jahr

Zumindest für die EVG kann die Frage eher mit einem Nein beantwortet werden. Der Tarifvertrag zwischen BOB und EVG gilt bis zum Mai des kommenden Jahres, die BOB geht dementsprechend bis zu diesem Zeitpunkt nicht von weiteren Streiks aus.

Die größte Eisenbahnergewerkschaft steht ohnehin nicht im Ruf, mit besonders harten Bandagen zu kämpfen, der Warnstreik von vor zwei Wochen war der erste seiner Art bei BOB und Meridian und dauerte außerdem mit einem Streiktag nicht gravierend lange. Dies kam auch der öffentlichen Wahrnehmung zu Gute. Kritische Stimmen von Fahrgästen waren abseits der üblichen Frustrationsaussagen kaum zu hören, die Toleranz für die streikende Belegschaft war und ist nach wie vor relativ hoch, was wohl auch ein Grund für die hohe Kompromissbereitschaft der Geschäftsführung gewesen sein dürfte.

Bei den Linien der Deutschen Bahn gibt es aber durchaus Konfliktpotential: Für GDL und EVG stehen im kommenden Herbst die nächsten Verhandlungen mit dem Unternehmen an, die Lage dürfte aber weit weniger festgefahren sein als noch im vergangenen Jahr. Auch hier besteht zumindest die Chance, dass es nicht zu weiteren Streiks kommt.

Auch bei der KiTa drohte 2015 ein Streik.
Auch bei der KiTa drohte 2015 ein Streik. Doch im Oberland verlief alles glimpflich.

Ähnlich sieht es beim öffentlichen Dienst aus: Der Kita-Streit scheint nach den langen Verhandlungen vorerst beigelegt, die Gewerkschaft Ver.di präsentiert Mitte Februar den nächsten Forderungskatalog für die Angestellten der Kommunen. Beobachter gehen aber davon aus, dass die kommende Tarifrunde weit glimpflicher verlaufen werde als im letzten Jahr beim Schiffsverkehr, der Post oder den Kitas. Dafür sprechen schlicht auch monetäre Gründe: Die Streikkasse wurde durch die großen Konflikte deutlich strapaziert.

Viele Anzeichen sprechen insgesamt dafür, dass das Streikjahr 2016 ruhiger und friedlicher verlaufen wird, als es mit dem BOB-Streik begonnen hat. Die Arbeitnehmervertreter werden die kommenden Tarifrunden nutzen, um zumindest einzelne Verbesserungen für ihre Mitglieder zu erreichen, für die Verbraucher in der Region besteht dabei aber die große Chance, in ihrem Alltag weniger davon mitzubekommen als zuletzt – sofern sie keine Flugreise planen: Bei der Lufthansa gelten Streiks auch in 2016 als ziemlich wahrscheinlich.

Komplett ausschließen kann man Arbeitskämpfe, die letztlich vom Überraschungsmoment leben, allerdings nie. Im Übrigen sind tarifpolitische Auseinandersetzungen auch ein Indikator dafür, dass das Wohlstandsniveau hoch ist und Konjunkturaufschwünge auch bei den Beschäftigten ankommen. Gewerkschaften halten sich in Krisenzeiten mit hohen Forderungen zurück und fordern in guten Zeiten ihren Anteil ein. Streiks sind ein Zeichen von Wohlstand. Vor diesem Hintergrund wirkt der eine oder andere lahmliegende Zug dann doch wieder nicht so schlimm.

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