Die Gemeinden versuchen, mit Einheimischenprogrammen Abhilfe zu schaffen. Doch die Rechtslage ist problematisch.
Am Gmunder Landbaderfeld entstehen Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften auf insgesamt 27.000 Quadratmetern. Im Herbst vergangenen Jahres hat die Gemeinde insgesamt 21 neue Baugrundstücke ausgewiesen. Sechs davon sind für einheimische Familien reserviert.
„Mittlerweile sind alle Grundstücke verkauft“, erklärt der Gmunder Geschäftsleiter Alfons Besel. Mit dem Einheimischenprogramm will Gmund auch bezahlbaren Wohnraum für junge Familien aus der Region schaffen. Dass dieses Vorgehen rechtlich problematisch sein könnte, zeigt ein Fall in Weyarn.
EU-Kommission kontra Kommunen
Die Gemeinde Weyarn will an der Klosterwiese eigentlich ein Einheimischenprogramm verwirklichen. Doch das Konzept wird immer mehr ausgehöhlt. Grund sind Forderungen der EU. Schon seit Langem stehen Einheimischenprogramme in der Kritik der EU-Kommission. In Brüssel wittert man eine Behinderung von zentralen Kriterien der Wertegemeinschaft. So sieht man insbesondere die Niederlassungsfreiheit durch solche Programme gefährdet und fürchtet eine Diskriminierung von Ausländern.
Vor allem die von vielen Gemeinden gewählte Auflage, wonach Familien bevorzugt werden, wenn sie länger als fünf, zehn, zwanzig Jahre im Ort leben, oder dort aufgewachsen sind, ist den Beamten auf europäischer Ebene ein Dorn im Auge.
Auch Weyarn und Gmund haben eine entsprechende Regelung in ihren Einheimischenmodellen verankert. Die Europäische Kommission sehe jegliche Verknüpfung zur Dauer des Wohnsitzes als problematisch an, erklärt ein Sprecher der Kommission auf Nachfrage der TS.
Kritiker protestieren jedoch gegen diese Auslegung. Jeder EU-Bürger könne an der Vergabe teilnehmen. Zudem würde nur ein geringer Teil der zur Verfügung stehenden Grundstücke in einem Ort in Form eines Einheimischenmodells vergeben, halten sie dagegen.
Konsequenz aus diesem Streit: Niemand kann derzeit verlässlich sagen, ob die Modelle rechtmäßig sind, oder nicht. „Es hat hier bislang unterschiedliche Signale aus Brüssel gegeben. Ein abschließendes Urteil steht allerdings noch aus“, erklärt Achim Sing vom Bayerischen Städte- und Gemeindetag. Dort berät man Kommunen wie Gmund und Weyarn, wie sie mit dem Thema umzugehen haben. Nachdem der Städte- und Gemeindetag noch bis vor Kurzem von Einheimischenprogrammen abgeraten hatte, solange die Rechtslage nicht endgültig geklärt ist, zeigt man sich nun vorsichtig optimistisch.
„Nach Gesprächen mit der Obersten Baubehörde geht der Bayerische Städtetag davon aus, dass der erarbeitete Entwurf eines Einheimischenmodells mit Europarecht vereinbar und geeignet ist“, heißt es in einer Mitteilung des Städtetags an alle bayerischen Kommunen. Auch die Einschränkung, dass Bewerber begünstigt werden, wenn sie mindestens fünf Jahre im jeweiligen Ort gelebt haben, hält man für in Ordnung.
Gmund zuversichtlich – Weyarn skeptisch
Im Gmunder Rathaus wähnen sich die Verantwortlichen derweil auf der sicheren Seite. „Ich gehe davon aus, dass unser Einheimischenprogramm am Landbaderfeld mit EU-Recht vereinbar ist“, sagt der Gmunder Geschäftsleiter Alfons Besel. Er betont, dass Gmund bei der Vergabe vor allem Familien mit mehreren Kindern bevorzugt hat.
Die Dauer der Ortsansässigkeit habe hier eine im Vergleich eher untergeordnete Rolle gespielt, so Besel weiter. In Weyarn haben die Verantwortlichen hingegen einen Anwalt eingeschaltet und wollen abwarten, bis weitere Entscheidungen getroffen werden. Eine Sondersitzung des Gemeinderats musste daher kürzlich ausfallen. Fest steht: Solange die Frage, ob Einheimischenpogramme mit EU-Recht vereinbar sind, nicht endgültig geklärt ist, ist es für Gemeinden wie Gmund und Weyarn ein schmaler Grat. Eine Rechtssicherheit gibt es derzeit nicht.
SOCIAL MEDIA SEITEN