Holzkirchens Bürgermeister Olaf von Löwis berichtete in seiner Begrüßung von seiner ganz persönlichen Erfahrung mit der Digitalisierung: Das Update seines Mobiltelephons führte zum Totalabsturz und mitten während der Arbeitszeit kam der Systemadministrator und erklärte, alle Rechner müssten jetzt für ein paar Stunden heruntergefahren werden.
Als das passierte, waren Bürgermeister und das Holzkirchner Rathaus lahmgelegt. Denn: Ohne diese technischen Hilfsmittel ist effektives Arbeiten heute kaum noch möglich.
Das Beispiel war anschaulich, allerdings nicht ganz treffend. Der Leiter der Volkshochschule Holzkirchen-Otterfing, Thomas Mandl, sah sich genötigt, ein wenig zu korrigieren. “Industrie 4.0“, wie das Schlagwort lautet, ist mehr als ein Update bestehender Systeme.
Es ist ein Megathema in der heutigen Zeit.
Was sich dahinter verbirgt, erklärte ein rund fünf Minuten dauernder Film. Gemeint ist die vierte Industrielle Revolution nach der (1.) Erfindung der Dampfmaschine, der (2.) Einführung des Fließbandes in den Fabriken und dem (3.) Einzug von Industrierobotern in der Fertigung. Diese neue Stufe in der Arbeitswelt beinhaltet, dass Werkstücke miteinander kommunizieren, dass die Flexibilität dadurch extrem erhöht wird und die Variationsbreite der produzierbaren Waren dadurch geradezu exponentiell steigt.
Der Mensch als Anhängsel?
Der Mensch ist von dieser Entwicklung schnell überfordert und muss etwa mit Datenbrillen in der Produktion angeleitet werden. Dadurch läuft er Gefahr, zu einem Anhängsel der Maschinen und durch sie terrorisiert zu werden.
Dazu kommt ein Produktionsprozess, der in der vernetzten Welt pausenlos 24 Stunden rund um den Globus läuft. Viele Arbeiten werden bereits von Computern übernommen, im Aktienhandel oder sogar bei der Auswertung von Computertomographien. Dadurch dürften zukünftig viele Berufe wegfallen. Experten schätzen, dass 47 Prozent aller Arbeitsplätze durch “Industrie 4.0” ersetzt werden könnten.
Revolution oder stetiger Wandel?
Für die Diskussion formulierte Mandl dann auch die Frage: „Wie werden wir morgen arbeiten und wie werden wir das rechtlich regeln?“
Sebastian Roloff, Jurist bei der IG-Metall, dämpfte die Brisanz des Themas gleich zu Beginn: „Wir wissen noch nicht, ob es eine Revolution ist oder nur der stetige Wandel, den es schon immer gab“. Er warnte vor Panikmache, „weil wir rechtlich gut austariert sind in Deutschland“.
In diese Richtung zielte auch die Argumentation von Norbert Huchler vom Institut für Sozialforschung in München. Es komme auf die Anwendung und die Umsetzung der neuen technischen Möglichkeiten an. Am Beispiel einer Datenbrille machte er deutlich, dass damit der Mensch entmündigt werden könne. Ebenso sei es aber auch möglich, ihn mit diesem technischen Hilfsmittel zu ertüchtigen.
Alexander Schmid von der der Miesbacher Standortmarketing-Gesellschaft sieht das Problem von seiner praktischen Seite. Es gebe eine enorme wirtschaftliche Konzentration in den Metropolen. „Für den ländlichen Raum bleibt da wenig übrig.“ Schmid betrachtet es als seine Aufgabe, die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich neue Berufsfelder im Oberland ansiedeln.
Harald Klimenta von der Attac-Bewegung hingegen versuchte, den Fokus auf das Lebensglück der Menschen zu lenken. Bringt uns der Fortschritt wirklich weiter, oder führt er nur zu steigendem Energieverbrauch, stetig wachsender Arbeitsbelastung und zu unaufhaltsamer Umweltverschmutzung? „Das Modell scheint vernünftig, aber es funktioniert nicht“, stellte Klimenta als These in den Raum.
Moderator Thomas Mandl brachte es auf den Punkt: „Geht das Hamsterrennen weiter, werden viele auf der Strecke bleiben, macht uns Industrie 4.0 glücklicher?” „Es kommt darauf an“, konterte Jurist Roloff. Und der Wissenschaftler Huchler assistierte: Zwar gebe es eine zunehmende Leistungsverdichtung. Aber die Technik biete auch neues Potential. Es komme also darauf an, neue Möglichkeiten zur Befähigung des Menschen einzusetzen und nicht zu seiner Entmündigung, erklärte er und erntete Beifall aus dem Publikum.
Als Fazit der Diskussion, an der sich auch die Zuhörer beteiligten, formulierte Mandl die These: Industrie 4.0 ist im Prinzip gestaltbar und bietet Chancen auch für den Landkreis. “Wir sind gut aufgestellt durch das Duale System, wir haben gute Bildungseinrichtungen. Ob es der Weg in eine bessere Zukunft ist, liegt ganz bei uns.”
Und er verabschiedete die Gäste mit der Feststellung: „Wir gehen mit ein paar Fragen nach Hause, aber mit einem gewissen Optimismus.“
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