Überraschend und mit reichlich Schnee kam der Winter ins Tegernseer Tal. Was für den Tourismus ein Segen ist, ist für den Winterräumdienst ein Fluch. Für diesen ist es derzeit wohl die größte Herausforderung, die Straßen frei zu halten und dem Glatteis den Kampf anzusagen.
Diese Aufgabe ist nur mithilfe der Streumittel Salz und Splitt zu bewältigen. Skeptiker sehen darin jedoch eine erhöhte Umweltbelastung. Vor allem die Tatsache, dass das Salz mit dem Schmelzwasser in den See gelangt, beunruhigt manche Talbewohner.
„Ohne Salz geht nichts“
Doch wer entscheidet darüber, wann gestreut werden muss und welche Mengen an Streugut verwendet werden? Grundsätzlich sind die jeweiligen Talgemeinden für die Räumung ihrer Ortsstraßen zuständig. Lediglich Bundes-, Staats- und Durchfahrtsstraßen werden von Fahrzeugen der Straßenmeisterei Hausham geräumt.
Die Bauhöfe entscheiden täglich, meist zwischen vier und acht Uhr morgens, wo man witterungsbedingt streuen muss. Wie viel Salz oder Splitt auf den Straßen landet, entscheiden die Räumfahrzeugführer eigenständig. Georg Erhard, Bauhofleiter der Gemeinde Rottach-Egern erklärt:
Ohne Salz geht bei diesen Witterungsverhältnissen nichts!
Bergstraßen, Fußgängerüberwege und anderweitig gefährdete Verkehrsstraßen werden mit Salz gestreut, Wander- und Uferwege mit Splitt, so Erhard weiter. Über den Vorteil des Streusalzes sind sich die Bauhofleiter der Gemeinden einig – Salz lässt den Schnee schmelzen. Außerdem ist es ein Naturprodukt und löst sich auf. Splitt dagegen müssen die Kommunen nach der Schneeschmelze aufwändig beseitigen.
Michael Haller, Bauhofleiter der Stadt Tegernsee, bestätigt, dass nur dann gestreut wird, wenn man wetterbedingt eine Gefahr für die Straßensicherheit sieht. „Selbst die 40 Kilometer Wanderwege, die wir bei Glätte streuen müssen, testen wir regelmäßig, ob sie noch griffig sind. Aber bei Glätte muss man streuen.“
Splitt oder Streusalz?
Der schlechte Ruf als umweltschädliches Streugut eilt dem Salz voraus. Haller erklärt, warum jedoch der Splitt die Natur wesentlich mehr belastet als Salz: „Dies hängt mit der chemischen Zusammensetzung des Gesteins zusammen.
Der gemahlene Granit speichert Umweltschadstoffe. Deswegen muss der Streusplit aufwändig zusammengekehrt und als Sondermüll entsorgt werden.“ Nach anschließender Reinigung werde der Splitt dann unter anderem im Straßenbau eingesetzt.
Kommentatoren sowie anonyme Hinweise an unsere Redaktion berichten jedoch davon, dass vermehrt Schnee und damit belastetes Streugut einfach in den See gekippt werden. Dabei hatte das Landratsamt erst vor wenigen Tagen gewarnt, solches Verhalten könnte ernste ökologische Folgen nach sich ziehen.
Die Bauhofleiter wehren sich jedoch gegen diesen Vorwurf. Der Schnee werde an speziell dafür vorgesehenen Flächen gelagert. In Gmund beispielsweise gegenüber des Tennisclubs in Finsterwald, in Rottach am Birkenmoos und in Bad Wiessee auf einem Grundstück in der Nähe vom Jägerwinkel.
In Tegernsee lagert man den Schnee noch am nächsten in Richtung See – nämlich an der Point. „Irgendeinen Tod muss man ja sterben“, sagt Haller. Schließlich müsse der Schnee irgendwohin, freie Flächen in Tegernsee seien jedoch begrenzt. An eine ernstzunehmende Belastung glaubt Haller dadurch jedoch nicht.
Billige Entsorgung durch private Räumdienste?
Haller und seine Bauhofkollegen verweisen zudem darauf, dass man gar nicht die von den Hinweisgebern beobachteten Radlader und damit die Möglichkeit habe, den Schnee direkt in See oder Gewässer zu befördern. Dabei ist ihnen jedoch bewusst, dass dieses Szenario am Tegernsee durchaus gang und gäbe ist. Sie machen für diese Taten die privaten Räumdienste verantwortlich.
Auf Anfrage weisen diese den Vorwurf allerdings ebenfalls zurück. So zeigt man sich zum Beispiel bei der Wiesseer Garten- und Landschaftsbaufirma Reichl erschrocken über derartige Aussagen. Angelika Reichl berichtet:
Wir würden uns ins eigene Fleisch beißen, wenn wir Schnee in den See kippen würden. Schließlich leben wir ja vom See.
Die Gemeinde Bad Wiessee habe der Firma eine Fläche zugewiesen, auf welcher der Räumdienst berechtigt sei, den Schnee abzuladen, erklärt Reichl weiter. Axel Riecke, Inhaber der Garten- und Landschaftsbaufirma Riecke in Gmund, erklärt wiederum, dass bei ihnen lediglich die Einfahrten frei gehalten würden. Der Schnee bleibe jedoch auf dem Grund des jeweiligen Auftraggebers.
Ohnehin sei dieser Schnee nach der Räumung völlig unbelastet von Salz oder Split. Dies ist Riecke zu viel Aufwand: „Um Streusalz zu verwenden, müssten wir einen enormen bürokratischen Aufwand auf uns nehmen. Das Gesetz verlangt eine Buchführung über Streugut und Menge, die über fünf Jahre nachweisbar sein muss.“
Salzbelastung des Tegernsees
Ein eindeutiger Schuldiger zu den Vorwürfen lässt sich also nicht finden. Zumindest derzeit lässt sich jedoch behaupten, dass sich aus der Praxis noch keine negativen Folgen für den Tegernsee ergeben haben. So misst das Bayerische Landesamtes für Umwelt jährlich den Salzgehalt der Gewässer. Der Einsatz des gebräuchlichen Auftaumittels Natriumchlorid lässt sich insbesondere im Winter und Frühjahr im Grundwasser, in Seen und Flüssen feststellen.
Und Paul Geisenhofer, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim, gibt Entwarnung. Messungen zufolge weist der Tegernsee mit durchschnittlich fünf Milligramm pro Liter seit vielen Jahren einen konstanten Salzgehalt auf. Damit liegt die Chlorid-Belastung des Sees im Rahmen der natürlichen Salzbelastung.
„Auch die Messungen, die jährlich im März, also nach den Wintermonaten, durchgeführt werden, zeigen keinerlei Auffälligkeiten“, so Geisenhofer. Der Tegernsee fällt mit seinem Chloridgehalt von durchschnittlich fünf Milligramm pro Liter in die Kategorie der unbelasteten Gewässer. Die zusätzliche Belastung aus der Streusalzverwendung stellt aus Sicht der Experten des Wasserwirtschaftsamtes also kein Problem für den Gewässerschutz dar.
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