Beliebt, beschaulich, erfolgreich. Kennzahlen zum Fingerabschlecken. Jeder will hin. Die einen bringen Charme und die Grandezza der Oberschicht an den Tegernsee, die anderen Kinder und Hochdeutsch nach Holzkirchen. Und das in einem Ausmaß, das laut überregionaler Presse sogar den Hochtaunus oder den Starnberger See zu Wohlstandszonenrandgebieten degradiert.
Und alle diskutieren nur noch: Wohin mit den Reichen? Wohin mit dem Geld? Wohin mit dem Lob? Dabei müssen die alle blind vor Liebe sein. Sehen die denn nicht, wie scheußlich Holzkirchen ist? Holzkirchen könnte in Belgien sein. Oder Geretsried, wenn man sich die Isar wegdenkt. Ein Ort ohne Eigenschaften. Mit Einfallstraßen, eine greisliger wie die andere, die alle auf einen Marktplatz zulaufen, an dem nur selten Markt und null Platz ist. Höchstens Parkplatz.
Schließen Sie die Augen. Konzentrieren Sie sich. Fahren Sie vor dem inneren Auge an einem mittelmäßig bewölkten Tag nun auf der Tölzer, Tegernseer oder Münchner Straße Richtung Markplatz, weil sie dort etwas erledigen müssen. Zum Beispiel in ein Immobilienbüro gehen, oder in ein Handy-Fachgeschäft oder nicht mehr als zwanzig Minuten trainieren wollen.
Vorhaut Münchens?
Lassen Sie den inneren Blick schweifen über die Silhouetten, Fassaden und Ensembles. Sollten Sie gedanklich an irgendetwas vorbeikommen, was den schmeichelhaften Ruf „Vorhof zum Paradies“ mit Leben füllt, lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen. Aber das war ja bestimmt nur so ein nett gemeinter taz-Titel. „Vorhaut Münchens“ ging eben nicht. Wegen Gendergerechtigkeit.
Ephraim Kishon hat einmal gesagt, Heimat ist da, wo man sich aufregt. Weiser Mann, Holzkirchner im Geiste. Freilich, man muss auch das Gute sehen, ich weiß. Eine Geothermie bohrt sich nicht von selbst und unser Kulturhaus ist toll. Aber es ist auch nicht die Lorbeere, auf der man sich nun die nächsten 100 Jahre ausruhen darf und hoffen, dass der homogenisierte Holzkirchner von gelegentlichen ästhetischen Nachrichten wie „Hurra, der Norma wird größer!“ schon sattsam begeistert sein wird.
Ich bin nun lange genug mit Holzkirchen verheiratet und da ist noch Liebe, ja, aber Holzkirchen liegt nun seit zig Jahren auf dem Sofa und schaut Kulturprogramm, wird immer fetter und nicht unbedingt schöner und kriegt sein Zeug nicht geregelt. Keine Ortspartnerschaft, Kein Sa im Batu, Freibad eh nicht. Hierzu gleich ein Exkurs: Allein über 1.000, in Worten: Tausend! Kindergartenkinder in der Marktgemeinde und die nächsten Freibäder weit, weit weg. Ja, das Batusa ist mit einer halben Million jährlichem Defizit ein gewaltiger Zuschussbetrieb – aber vielleicht wäre es keiner, würde man das Konzept an die Bedürfnisse anpassen.
Ein verschenkter Marktplatz, für Jugendliche nichts zum Tanzen oder überhaupt zum Sein, autogetriebene, blutleere Einzelhandelskonzepte durchwinken, bis sich die Ideologen hüben wie drüben in Verkehrskonzepten und Spiegelfechtereien blockieren. Und: Deutschlands unpraktischste Deutsche Post-Filiale der Welt! Um eine Langlaufloipe oder Tiefgarage wird diskutiert wie um ein Nuklearprogramm, und keiner merkt, dass sich die Welt verändert hat, dass Holzkirchen ein junger Ort mit Perspektiven geworden ist – ein Segen eigentlich, der klare Prioritäten fordert.
Die Liste der Wut wäre endlos, die Belege der vertanen Chancen, des institutionalisierten Tiefschlafs eines sehr hässlichen Ortes. Über den ich aber aus tiefstem Herzen nichts kommen lasse, weil ich wie so viele weiß: Hässlich? Geschenkt! Gut muss es werden. Aber dazu reicht richtig liegen nicht. Dazu muss man aufstehen.
Und dafür braucht es mehr als das Lamento eines Aushilfs-Ephraims wie mir – sondern einen, den diese Liebe auf nämliche Weise umtreibt:
Olaf.
Passenderweise befinden wir uns gerade in der Halbzeit der kommunalen Legislaturperiode. Eigentlich ein schöner Anlass für Bürgermeister Olaf von Löwis, nun vom Welpenschutz in die Beißphase überzugehen. Seine Prädisposition ist guter Stil: Integrität, Offenheit und Diplomatie. Er gehört sicher nicht zu den Bürgermeistern, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Aber er hat nun den Beweis anzutreten, dass Holzkirchen mehr ist als verschwindend kleinste gemeinsame Nenner.
Ein Paradies ist selten eine Ansammlung von Kompromissen. Dass Erfolge auch auf Konfrontation gebaut sind, hat uns die Vergangenheit gelehrt. Etwa beim Festhalten an der Geothermie. So hart und autokratisch es klingen mag: Wohl, Wehe und Liebenswürdigkeit des Ortes hängen am Ende doch von der Gestaltungskompetenz und Wetterfestigkeit des Bürgermeisters ab und nicht von einer zersplitterten Gemengelage an Interessengruppen, Initiativen und runden Tischen.
In diesem Sinne – auf erfolgreiche drei Jahre, Herr von Löwis.
Sie werden daran, und nur daran, gemessen werden. Aber: Sie können nur gewinnen.
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