Im Teufelskreis um den Tegernsee

Um von A nach B zu kommen, setzt man hier im Tal gerne auf das eigene Auto. Auf das Angebot der Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO) greifen viele deshalb nur selten zurück. Oder liegen die sinkenden Fahrgastzahlen vielleicht doch an dem scheinbar unattraktiven Busliniennetz im Tal?

Von den Einheimischen werden die Busse selten genutzt / Andreas Päschel (links) und Peter Bartl (rechts)
Von den Einheimischen werden die Busse selten genutzt / Andreas Päschel (links) und Peter Bartl (rechts)

Die Vorwürfe der Bürger gegen die RVO sind bekannt: Fahrten werden ersatzlos gestrichen, Linien ausgedünnt, genügend Anschlussmöglichkeiten fehlen. Warum sollte man also noch Bus fahren, wenn das eigene Auto daheim in der Garage steht? Die RVO kämpft mit Herausforderungen, die es dem Unternehmen nicht einfach machen – von Wachstum und Expansion ist man weit entfernt.

Andreas Päschel, Niederlassungsleiter Tegernsee, und Peter Bartl, Leiter Verkehr und Kontrolle, nehmen Stellung zu Fragen und Vorwürfen. Fakt ist, die Fahrgastzahlen sinken. Den Hauptanteil bilden Schüler und Touristen, Einheimische steigen kaum in den Bus. Dies belegen Fahrgastzählungen, die die RVO regelmäßig und mehrmals pro Jahr auf allen Linien durchführt.

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Lieber BOB statt Bus?

Ein konkretes Beispiel für den RVO-Sparkurs zeigt die Linie 9551, die das Tal mit Holzkirchen und München verbindet. Hier hat man Mitte Dezember 2014 den Bus um 6:15 Uhr vom Tegernseer Hauptbahnhof nach München eingestellt. Warum man die Fahrt am Morgen gestrichen hat, begründet Bartl: „Durch den Halbstundentakt der BOB ist die Attraktivität der Busse stark zurückgegangen. Das hat uns das Leben hier schwer gemacht.“

Die Leute seien mittlerweile auf den Zug geeicht und man habe die Abfahrtszeiten der BOB fest im Kopf. Ausflugsgäste wollen sich ungern festlegen, wann sie abends wieder heimfahren. Päschel betont, dass die Verbindungen früher von München nach Tegernsee, selbst zu den Stoßzeiten, kaum genutzt wurden.

Die Leute nutzen die Gruppentickets der Bahn und man will flexibler sein. Mit dem Halbstundentakt der BOB rentieren sich Busse auf dieser Strecke nicht mehr.

Die Konkurrenz mit der Bahn stellt aber nur eine von vielen Herausforderungen dar. Schlechte Anschlussmöglichkeiten und ein mangelndes Angebot an ausreichend vielen Fahrten sind häufige Beschwerdegründe. Doch auch hier greift Päschel ein und erklärt die Umstände: „Unsere Flotte besteht aus rund 30 Bussen. Damit können wir eine hohe Taktdichte aufweisen.“

Verzahnter Fahrplan

Die Verantwortlichen der RVO sehen die stündlichen Anschlüsse rund um den See als ausreichend an. Außerdem seien mit dem jetzigen Fahrplan die Kapazitäten ausgereizt. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen könne man die Taktdichte nicht erhöhen, sondern auch die Organisation der vielen Anschlüsse im Tal gestalte sich schwierig.

Rein im Tegernseer-Schlierseer Tal bieten wir täglich bis zu 500 Anschlüsse, die wir regelmäßig anfahren.

Der Grund, weshalb man nicht mehr Fahrten pro Linie anbieten könne, sei die angespannte finanzielle Lage des Betriebs hier im Tal. Man betreibe alle Linien eigenwirtschaftlich, ohne Zuschüsse von Gemeinden und Landkreis. Der einzige Fahrgeldersatz werde über die Gästekarten eingenommen, erklärt Päschel. Nebenbei weist er darauf hin, dass es im überregionalen Vergleich keinen Landkreis gebe, der so wenig finanzielle Mittel für die RVO zahlen müsse wie hier im Tal.

Päschel macht deutlich, dass die Erhöhung der Personalkosten und die teureren Busse nicht ohne Konsequenzen bleiben: „Der Gesamterlös, den wir hier im Landkreis Miesbach noch erwirtschaften, ist gerade mal so hoch, dass wir jährlich zwei neue Busse kaufen könnten.“

Auch das oft gebrachte Argument, die RVO sollte auf weniger nachgefragten Strecken kleinere Busse einsetzen, sei nicht ohne Weiteres umsetzbar. Wirtschaftlich lohne sich dieser scheinbare Lösungsansatz nicht, da man die großen Busse zusätzlich brauche und sich der Spritverbrauch nicht wesentlich unterscheide.

Mehr Geduld für Wartezeiten auf den Bus

Die Verantwortlichen der RVO sehen vor allem die Grundhaltung der Talbewohner problematisch. Diese setzen lieber auf Flexibilität und Schnelligkeit auf den Straßen. Bartl macht deutlich: „Der Freizeitwert ist heute sehr hoch. Die zehn Minuten Wartezeit auf den nächsten Bus sind zu lange und man nimmt lieber gleich das eigene Auto.“

Hier dreht sich der Teufelskreis weiter: Wie will man Pendler vom PKW auf die RVO umlenken, wenn das Fahrangebot nicht in der Öffentlichkeit vermarktet wird? Dies ist ein Vorwurf, welchen Päschel widerlegt. Informationsmöglichkeiten gebe es genug. Einerseits nennt er die Möglichkeit, sich auf der Homepage von bayerntakt.de über Verbindungen und Umgebungspläne zu informieren. Dort findet man aktuell alle Anschlüsse und einen Umgebungsplan.

Konkrete Lösungen sind nicht in Sicht, einen Kompromiss zu finden ist schwer.
Konkrete Lösungen sind nicht in Sicht, einen Kompromiss zu finden, ist schwer.

Die Beschwerde, dass man auf der Internetseite der Deutschen Bahn nur Anschlüsse mit der BOB findet und die RVO verschwiegen wird, weist ein DB-Sprecher zurück: „Der Eindruck täuscht: Die Buslinie 9551 Tegernsee – München ist in der DB Reiseauskunft unter bahn.de aufgeführt. Auf der RVO-Internetseite verwenden wir ebenfalls die DB Reiseauskunft. Allerdings muss man bei der Suche hier als Verkehrsmittel „Bus“ auswählen, andernfalls werden die Zugverbindungen priorisiert angezeigt.“

Auch direkt auf den Straßen können sich potenzielle Fahrgäste in Echtzeit über den Fahrplan informieren. An jeder Haltestelle gibt es Anzeigen mit einem Barcode, den man mit dem Handy einscannt. Schon werden mögliche Verbindungen und Anschlüsse angezeigt.

München als Vorbild?

Lösungsansätze, die Einheimische und Gemeinden fordern, kann die RVO laut eigenen Aussagen aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllen. Einen Ausstieg aus diesem Teufelskreis zu finden, ist ohne den politischen Willen dahinter schwierig.

Wie es auch anders geht, zeigt die Landeshauptstadt München. Sie hat bereits 2008 aktiv den Ausbau des ÖPNV vorangetrieben und hat in der Vergangenheit auch finanzielle Risiken auf sich aufgenommen.

Doch das steigende Angebot zieht auch immer mehr Kunden an, die Fahrgastzahlen wachsen stetig. Somit werden die Straßen der Landeshauptstadt entlastet. Ein Ansatz, der auch für das Tal möglich wäre, auch wenn die Rahmenbedingungen natürlich andere sind als in München.

 

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