Geschädigte besteht auf „Opferschutz“

Aktualisierung vom 24. Juni 2015 / 16:29 Uhr
Seit heute Morgen stehen sich der Bad Wiesseer Mediziner Thomas S. und die Geschädigte Stephanie S. im Gerichtssaal gegenüber. Über mehr als vier Stunden wird sie verhört. Weitere Zeugen sollen die Wahrheit ans Licht bringen.

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Der Strafprozess um den Mediziner und Gerichtsgutachter Thomas S. ging heute in eine weitere Runde. Er soll der tablettensüchtigen 44-jährigen Staatsanwältin Stephanie S. Medikamente verschrieben haben. „Bezahlen müssen“ habe sie als Gegenleistung mit Sex – so zumindest der Vorwurf. Bei der Zeugenvernehmung forderte die Geschädigte ihr Recht auf „Opferschutz“. „Hierbei muss die Zeugin Einblick in ihre Intim- und Privatsphäre geben“, betont ihr Rechtsanwalt.

Trotz Einwänden der Rechtsanwälte von Thomas S., Dr. Stephan Lucas und Dr. Alexander Betz, traf das Gericht den Entschluss, die Öffentlichkeit bei der Vernehmung von Stephanie S. auszuschließen. Die ehemalige Justizangehörige wurde über vier Stunden lang zu den Vorfällen befragt. Weitere Zeugen sollen heute ebenfalls noch aussagen. Doch die Verhandlung soll sich noch über einige Tage ziehen.

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Ursprünglicher Artikel vom 23. Juni 2015 mit der Überschrift: „Thomas S. erneut auf der Anklagebank“
Er soll von einer Staatsanwältin Sex gegen Tabletten erpresst haben: Heute Morgen begann der Auftakt eines langwierigen Gerichtsprozesses um den 60-jährigen Gerichtsgutachter Thomas S. aus Bad Wiessee. Der Angeklagte zeigt sich schweigsam. Seine Anwälte ziehen hingegen die Unbefangenheit des Gerichts in Zweifel.

Im Sitzungssaal B266 fand heute die Gerichtsverhandlung statt.
Im Sitzungssaal B266 fand heute die Gerichtsverhandlung statt.

Fünf Jahre liegen die Ereignisse zurück, für die der Wiesseer Gerichtsgutachter heute erneut auf der Anklagebank saß. Ihm wird nach wie vor vorgeworfen, der tablettensüchtigen Staatsanwältin Stephanie S. Betäubungsmittel und Blankorezepte zur Verfügung gestellt zu haben. Die angebliche Gegenleistung: Domina-Dienste und Sadomaso-Sex.

Hinzu kommt der Vorwurf, Thomas S. habe von der Suchtkrankheit der Juristin gewusst und sie trotzdem tiefer in die medikamentöse Abhängigkeit geführt. Die 44-jährige Stephanie S. brach im Dezember 2010 wegen übermäßigen Suchtmittelkonsums zusammen. Daraufhin wurde sie ins Münchner Klinikum Rechts der Isar eingewiesen.

Der Gerichtsgutachter weist die Vorwürfe von sich. Das Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und Patientin sei nicht verletzt worden, so Rechtsanwalt Lucas. Die beiden hätten damals mehrere Monate in einer intimen Beziehung gestanden. Gemeinsame Segelausflüge oder Biergarten- und Opernbesuche sollen die beiden des Öfteren unternommen haben. Sogar von gemeinsamen Kindern und Eheschließung soll die Rede gewesen sein. Weiterhin behauptete Thomas S. damals, sie habe Rezepte und Tabletten ohne sein Wissen entwendet.

Haftbefehl immer noch gültig

Der erste Verhandlungstermin hätte bereits im Februar stattfinden sollen. Doch der Angeklagte konnte zu dem besagten Termin aufgrund eines Badeunfalls auf Teneriffa nicht erscheinen. Folglich verhängte man gegen den 60-Jährigen Haftbefehl und Thomas S. wanderte für eine Woche in U-Haft. Damals soll der Gerichtsgutachter seinen Verteidigern rund 70.000 Euro für seine Freilassung hinterlegt haben.

Heute Vormittag wurde der Prozess neu aufgearbeitet. Nach wie vor steht die Frage im Raum, ob der Gerichtsgutachter die Medikamente der Geschädigten tatsächlich verschrieben und als Gegenleistung sexuelle Dienste entgegengenommen hatte. Zu Beginn der heutigen Verhandlung stellten die beiden Rechtsanwälte des Angeklagten, Dr. Stephan Lucas und Dr. Alexander Betz, die neue Beweislage vor, aus welcher zwei Anträge zugunsten des 60-jährigen Wiesseers hervorgehen. Die Forderung seitens der Rechtsanwältete lautete:

Den Haftbefehl, der bis dato immer noch gültig ist, unverzüglich aufzuheben.

Begründet wurde der Antrag von Lucas damit, dass aktuell keine Fluchtgefahr mehr bestehe. Außerdem sei dem Angeklagten nicht vorzuwerfen, dass er den damaligen Gerichtstermin nicht habe wahrnehmen können. „Thomas S. hat sich damals vom Rat seiner spanischen Ärzte verleiten lassen. Weiterhin liegen die Ergebnisse der Röntgenaufnahmen derzeit immer noch nicht vor.“ Somit kann das Gericht nicht darüber urteilen, ob die Reise medizinisch überhaupt durchführbar gewesen wäre, fasst Lucas weiter zusammen.

„Ein faires Verfahren ist ausgeschlossen“

Des Weiteren zweifelt Thomas S. aus verschiedenen Gründen eine faire Gerichtsverhandlung an. Die geschädigte Staatsanwältin Stephanie S. und die für den Prozess verantwortlichen Richter arbeiteten alle zusammen in der Abteilung B des Landgerichts II in München. Rechtsanwalt Betz betont: „Für den Angeklagten ergibt sich der Eindruck, die Richter hätten sich eine subjektive Meinung gebildet.“

Eine Unparteilichkeit und Unbefangenheit sieht man hier störend beeinflusst.

Es sei allseits bekannt, dass in der Kantine oder an anderen Plätzen unter Kollegen nicht nur berufliche, sondern auch private Gespräche stattfänden, erklärt Lucas. Als weitere entlastende Gründe nannte Betz, Stephanie S. habe sich die Medikamente durch eine andere unbekannte Quelle beschafft. Auch ihr damals behandelnder Nervenarzt habe von dem Liebesverhältnis von Thomas S. und Stephanie S. gewusst.

Staatsanwalt Florian Gliwitzky sieht durch diese Einwände keinen gültigen Grund, das Verfahren einzustellen. Nach zweimaliger Unterbrechung wurde die Verhandlung heute Nachmittag vertagt. Der Mediziner Thomas S. äußerste sich heute nicht zu den Umständen und schwieg vorerst. Die Verhandlung wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt. Dann werden neben Stephanie S. auch weitere Zeugen befragt.

Vielleicht wird der Arzt dann sein Schweigen brechen. Der andauernde Prozess zieht für den 60-Jährigen jedoch bereits jetzt einen enormen wirtschaftlichen Einbruch mit sich. Der Angeklagte musste aufgrund der fehlenden Gutachtensaufträge seine Praxisräume bereits untervermieten. Ob der Wiesseer Mediziner seinen Ruf doch noch in ein besseres Licht rücken kann, wird sich Mittwoch herausstellen.

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