Nur wenige Besucher empfangen Heinz und Dagmar J. während des Jahres in ihrem Haus in Rottach-Egern. Sie selbst gehen nur zu besonderen Anlässen aus dem Haus. So auch im Herbst 2013, als das Ehepaar auf eine Geburtstagsfeier eingeladen war. Dort kamen die beiden Opfer zum ersten Mal in Kontakt mit Ralf K., dem mutmaßlichen Anstifter der Tat.
„Ich hab den Mann bis dahin nicht gekannt. Aber wir haben uns an diesem Abend mit ihm und seiner Gefährtin unterhalten“, so Heinz J. Weil sich Ralf K. nur mit seinem Vornamen vorstellte, machte er einen „komischen Eindruck“ auf den 73-Jährigen. Über die wertvolle Porzellansammlung oder andere finanzielle Angelegenheiten sei allerdings nicht gesprochen worden.
„Überall war Blut“
Als der Zeuge beginnt, den Vorfall am 8. Januar 2014 zu schildern, wirkt er konzentriert und bestimmt: „Es war Nacht. Meine Frau hat gekocht. Wir haben wie jeden Abend die Tagesschau angesehen. Dann öffnete sie das Fenster in der Küche zum Lüften. Die Jalousie war halb geöffnet.“ Anschließend beginnt der Alptraum, den die beiden wohl ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden.
Ein maskierter, breitschultriger Mann sei durch die offene Tür gedrungen. Gleich dahinter soll ein zweiter gefolgt sein. Als Heinz J. seiner Frau zurief, sie solle den Alarmknopf drücken, war diese in eine Art Schockstarre gefallen. „Sie konnte nicht reagieren und sich nicht mehr bewegen“, so der 73-Jährige. Als er selbst den Alarm betätigen wollte, schnitt einer der Einbrecher ihm den Weg ab und schlug ihn zu Boden. Das Opfer erinnert sich:
Er hat mit der Faust zugeschlagen und mich zu Boden gestoßen. Als ich da lag hat er meinen Kopf noch zwei Mal auf die Fliesen geschlagen. Der Küchenboden war voller Blut.
“Heinz, lebst du noch?”, habe seine Frau entsetzt geschrien. Die Antwort von einem der Täter kam postwendend: “Ja, ja, der Heinz lebt noch.” Kurz darauf fesselten der „längere maskierte Mann“ die Frau von Heinz J. fest und riss ihr dabei Haarbüschel aus.
Das ganze Haus wurde durchsucht
Daraufhin sollen die beiden mutmaßlichen Täter, Thomas und Ingo W. nach Geld gefragt haben, woraufhin auf das Schlafzimmer im ersten Stockwerk hingewiesen wurde. Gefesselt schleppten die Tatverdächtigen die Opfer die Treppe nach oben, wo sie zwei Safes ausgeraubt haben „Darin war das Hochzeitsgeschenk meiner Eltern, zirka 6.000 Euro Bargeld, beschriftete Hausschlüssel der beiden Töchter, Schmuck, Gold- und Silbermünzen“, erinnert sich Heinz J.
In seiner Aussage schildert er weiter, wie die Täter hätten Frau und ihn auf Stühlen an eine geschlossene Zimmertür gefesselt hätten. Die Hände der beiden seien dabei mit Kabelbindern zusammengebunden worden. Die Beine hätten die maskierten Männer mit Gürteln und Schalen an die Stuhlbeine gebunden.
Stundenlanges Martyrium beginnt
Stuhlseite an Stuhlseite saßen die Verletzten so in einer unbequemen Haltung über zehn Stunden da. Der Zustand der herzkranken Dagmar J. soll sich deutlich verschlechtert haben und auch Heinz J. berichtet, er sei in dieser Phase immer wieder weggetreten. Weil seine 75-jährige Ehefrau damals auf Tabletten angewiesen war, rief er den Tätern zu:
Bitte verständigen Sie einen Arzt. Meine Frau stirbt mir sonst weg.
Während die beiden Opfer gefesselt auf den Stühlen ausharrten, griffen die mutmaßlichen Täter zur wertvollen Meissner-Porzellansammlung des Ehepaars. Nachdem sich die Einbrecher auch den Schlüssel der Glasvitrinen angeeignet hatten, raubten sie teure Porzellanstücke aus zwei der insgesamt zwölf Vitrinen. Was dem Opfer im Nachhinein auffällig vorkam, war die Tatsache, dass nur ausgewählte Porzellangegenstände entwendet wurden. Heinz J. erinnert sich:
Es haben nur besondere Stücke gefehlt, die ein Laie so nicht als wertvoll erkennen kann. Ich kann mir vorstellen, dass im Voraus schon eine Auswahl an bestimmten Stücken getroffen wurde.
Bevor Thomas und Ingo W. das Haus verließen, sollen die Opfer alles mit einem Mittel besprüht haben, um sämtliche Spuren zu verwischen. „Wir wussten nicht, was das für ein Mittel war, aber es roch nach Desinfektionsmittel“, so Heinz J.
Während des Überfalls fiel dem Zeugen außerdem auf, dass sich beide Tatverdächtigen mehrmals durch Funkgeräte verständigt hätten. Teilweise habe er die Sprache nicht verstanden. „Aber der Ton kam mir bekannt vor. Es könnte kroatisch oder auch serbisch gewesen sein.“ Mit dem Audi von Dagmar J. flüchteten die Täter und ließen die Geschädigten im Haus zurück.
Der rettende Termin
„Meine Frau hat die ganze Zeit über bitterlich geweint“, so der 73-Jährige. Während sie die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, sah Heinz J. ihre Chance in einem Termin, den er am nächsten Tag zusammen mit seiner Tochter Caroline bei einem Rechtsanwalt hatte. Er erklärt: „Er kannte mich und wusste um meine Pünktlichkeit. Außerdem war ich mir bewusst, dass meine Tochter skeptisch werden würde, wenn ich nicht zu dem Termin erschien.“
Und so kam es schließlich auch. Die besorgte Tochter rief ihren Mann an. Dieser wiederum informierte den Rottacher Architekten Andreas Erlacher. Als dieser schließlich die beiden Verletzten in der Villa auffand, alarmierte er sofort die Polizei.
Heinz J. klagt noch heute über Schmerzen in seinen rechten Arm. Doch viel schlimmer sind wohl die psychischen Folgen. Dagmar J. leide unter Schlafstörungen, traue sich nicht mehr im Dunkeln zu den Mülltonnen oder an den Briefkasten. Auf die Frage des Richters, wie es derzeit seiner Ehefrau gehe, antwortet der Rottacher betroffen:
Der Überfall hat das Leben meiner Frau zerstört. Sie ist nur noch ein Bündel aus Angst.
Der Prozess vor dem Münchner Landgericht dauert an.
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