Tegernseer Stimme: Guten Tag Herr Prester und Grüße aus der Heimat!
Anselm Prester: (lacht am Telefon) Das ist nicht nötig. Tatsächlich bin ich gerade am Tegernsee. Wir haben uns vor einigen Jahren eine Ferienwohnung in Bad Wiessee gekauft und machen mehrmals im Jahr hier Urlaub.
Tegernseer Stimme: Kommende Woche sind Sie ja im NDR-Format „Typisch“ zu sehen. Sind Sie ein typischer Ostfriese?
Anselm Prester: Oh nein, das auf keinen Fall. Der Anlass der Sendung ist mein fünfzigjähriges Jubiläum auf Langeoog, das ich vor kurzem gefeiert habe. Ansonsten bin ich aber kein Ostfriese, ich werde wohl auch nie einer werden. Ich bin geborener Tegernseer und bleibe es auch. Das hört man zuallererst an meinem Bayrisch. Ich habe meinen Dialekt nie abgelegt, zuhause spreche ich zwar ein bisschen mehr Hochdeutsch, aber sobald ich in meiner Heimat bin „red i Boarisch“.
Tegernseer Stimme: Was sind denn die größten Unterschiede zwischen Langeoog und dem Tegernseer Tal?
Anselm Prester: Das habe ich mich auch lange gefragt. Der größte Unterschied liegt sicher in der Kultur. Die Insulaner leben erst seit 150 Jahren dort, von daher gibt es auch keine gewachsenen Traditionen, wie wir das hier in Bayern kennen. Keine Tracht, kein Liedgut – mit Ausnahme eines Shantychores – aber eine so tiefe traditionelle Verwurzelung wie im Oberland gibt es dort nicht.
Tegernseer Stimme: Wie kam es eigentlich zu Ihrem Umzug nach Langeoog?
Anselm Prester: Wie so oft im Leben war es die Liebe. Ich habe meine Frau damals – 1965 – am Tegernsee kennengelernt. Sie besuchte hier die Hotelfachschule, für uns junge „Einheimische“ ein spannender Ort, wir waren regelmäßig gespannt auf die neuen – weiblichen – Jahrgänge. Und in einem Jahrgang war dann eben eine besonders hübsche Brünette dabei, von der ich sofort wusste: „Das ist die Richtige“.
Tegernseer Stimme: Und dann ging es direkt auf die Insel?
Anselm Prester: Genau. Ich habe nicht lange gefackelt und sie direkt nach Beendigung meines Militärdienstes auf Langeoog besucht und mich gleich in die Insel verliebt. Diese Weite, die Ruhe und der unendliche Horizont sind wirklich beeindruckend. Die Weite ist wohl gerade das, was uns Bayern besonders begeistert kann. So was kennt man am Tegernsee schlicht nicht, den Himmel kann man hier nur sehen, wenn man sich anstrengt und den Kopf ins Genick legt oder gleich den nächsten Berg hochkraxelt.
Tegernseer Stimme: Der Umzug fiel Ihnen also leicht?
Anselm Prester: Ja, es hat dann auch nicht lange gedauert, bis wir geheiratet haben und ich komplett auf die Insel gezogen bin. Mein Inseljubiläum ist daher auch mein Hochzeitsjubiläum, letztes Jahr haben wir goldene Hochzeit gefeiert. Nicht schlecht, oder?
Tegernseer Stimme: Hat die neue Gegend auch Ihre Kunst beeinflusst?
Anselm Prester: Ja, sehr, es war anfangs aber auch schwierig. Ich bin ein klassischer Landschaftsmaler, habe vorher Berge, Seen usw. gemalt – Motive, die es im Oberland zuhauf gibt. Mit der neuen und auf den ersten Blick monotonen Perspektive musste ich erstmal zurechtkommen.
Tegernseer Stimme: Und Ihrer Malerei konnten Sie auch dort gleich weiter nachgehen?
Anselm Prester: Wie gesagt, anfangs waren die Motive dort oben für mich eher uninspirierend. Dünen, Strände und das Meer bieten auf den ersten Blick wenig Abwechslung. Es hat schon ein paar Jahre gedauert, bis ich meine Malerei dort oben ausleben konnte – oder gar davon leben. Ich habe dann zunächst im Gastronomiebetrieb meines Schwiegervaters gearbeitet, um meine Familie ernähren zu können. Erst später, als ich meinen Stil gefunden hatte, war es dann möglich, meinen Unterhalt von der Malerei zu bestreiten.
Tegernseer Stimme: Sind Sie der einzige „Inselmaler“ an der Nordsee?
Anselm Prester: Ja, tatsächlich bin ich das. Ich arbeite weitgehend konkurrenzlos in meinem Bereich. Die Nordsee hat nicht viele Maler, die sich vorwiegend mit der Landschaft beschäftigen. Das war zum Zeitpunkt meiner Ankunft so und ist bis heute so geblieben.
Tegernseer Stimme: Was macht denn Ihre Landschaftsmalerei aus?
Anselm Prester: Ich bin sehr impressionistisch angehaucht, ähnlich wie mein Vater, der auch im Tegernseer Tal gewirkt hat. Auch er hat sich überwiegend mit der Landschaft seiner Umgebung beschäftigt. Vor einigen Jahren gab es in Tegernsee eine Ausstellung anlässlich seines 100. Geburtstages.
Tegernseer Stimme: Nach fünfzig Jahren kennen Sie sicher beide Welten ziemlich gut. Was können denn die Tegernseer von den Langeoogern lernen?
Anselm Prester: (schmunzelt) Also das Wichtigste beherrschen beide ziemlich gut, nämlich den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Aber im Ernst, ein großer Unterschied ist sicher: Gelassenheit. Die Leute können sich auf der Insel auch einfach mal hinsetzen, ein Buch lesen, einen Grog trinken und so den ganzen Tag verbringen. Die Leute sind ruhiger auf Langeoog. Das liegt sicher auch an den Rahmenbedingungen: Es gibt dort keinen Autoverkehr und daher kaum Hektik. Die Lebensart ist ziemlich gemütlich, das gefällt mir wirklich sehr.
Genauso schön finde ich aber auch den Tegernsee und seine Umgebung – mit Ausnahme des Verkehrs, der ist wirklich schrecklich und im Tal als Thema ja ein Dauerbrenner.
Tegernseer Stimme: Verfolgen Sie denn die Entwicklung im Tal?
Anselm Prester: Natürlich, ich bekomme auch aus Langeoog einiges mit – auch weil ich fast täglich die „Tegernseer Stimme“ verfolge. Ich habe also einen guten Überblick darüber, was im Tal so passiert.
Tegernseer Stimme: Herr Prester, vielen Dank für das Gespräch.
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